Start-ups in Deutschland

Über Neid, Missgunst und ganz viel Schadenfreude

Gründer haben es oft nicht einfach. Es gibt mehr Menschen, die einem das Scheitern wünschen, als Menschen, die einen unterstützen. Neid, Missgunst, Schadenfreude, Unverständnis und Unwissen über Start-ups sind an der Tagesordnung. Da müssen wir noch viel Aufklärungsarbeit leisten.
Über Neid, Missgunst und ganz viel Schadenfreude
Freitag, 29. August 2014VonAlexander Hüsing

Gründer und Unternehmer genießen in Deutschland keinen guten Ruf. Ein Beispiel dafür ist der Tatort. Im ARD-Dauerbrenner sind Unternehmer selten Sympathieträger. “Sehr oft hat er irgendwie Dreck am Stecken. Er schläft oft mit späteren Opfern, ist in dubiose Finanztransaktionen verwickelt, schädigt die Umwelt und tötet natürlich alle, die Lunte riechen”, schrieb das Handelsblatt im vergangenen Jahr im Artikel “Am Ende ist der Unternehmer der Bösewicht” über das Rollenbild des Unternehmens in der beliebten TV-Krimireihe.

Neid

Einen möglichen Grund dafür lieferte der Bundesverband Deutscher Startups kürzlich: “Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten verlernt, ein Gründerland zu sein”. Die Mehrheit der reichsten Deutschen habe ihr Vermögen geerbt, in den USA seien es mit einem vergleichbaren Übergewicht “Self-Made” Unternehmensgründer, teilt der Verband weiter mit. In solch’ einer Gesellschaft scheint kein Platz für Menschen mit Ideen, mit Plänen oder gar Visionen. Die Gesellschaft reagiert auf Gründer, Unternehmer und auch Selbstständige oft mit sehr viel Abstand, Abscheu und Widerstand. Und wenn es mal ein Unternehmer geschafft hat, muss er irgendwie Dreck am Stecken haben – siehe Tatort. Und es geht hier ausdrücklich nicht um die Samwer-Brüder, die sind dabei völlig egal. Sie haben ihre Fehler, sie haben viele Fehler gemacht, fertig. In der ZDF-Doku “Die große Samwer-Show – Die Milliardengeschäfte der Zalando-Boys” wurden einige davon gut aufgezeigt.

Unverständnis

In der Doku wurde aber vor allem die Skepsis gegen Unternehmertum deutlich – allerdings gepaart mit der Angst vor dem bösen Internet sowie “Unverständnis für das Phänomen Start-ups und die ökonomischen Regeln der Internet-Welt” – wie es Stephan Dörner beim Wall Street Journal auf den Punkt brachte. Auch bei der Huffington Post kriegt die merkwürdige Sicht auf die Dinge in Sachen Start-up-Kultur ihr Fett weg: “Aber was bleibt nach 45 Minuten ‘Samwer-Show’ bei den Zuschauern hängen?”, fragt Tobias Fülbeck. Die Antwort liefert er auch gleich mit: “Startups sind irgendwie igitt, und Samwer ist der gefährlichste Mann ‘im Internet'”. Auch Thomas Knüwer sah in der Doku unter anderem eine Dämoisierung der Wirtschaft – siehe “Die Frontal21-Show: Das Munkel-Geschäft der Lerchenberg-Lords“.

Angst

Unterschwellig geht es dabei auch immer um die Angst vor Veränderungen. Generell sind neue Technologien, Dinge, Trends in Deutschland problematisch, die Deutschen mögen keine Veränderungen, wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Fast schon legendär ist die deutsche Angst vor Skateboards, diesen gefährlichen Rollbrettern. Und selbst vor Bubble Tea wurde in Deutschland im großen Stil gewarnt. So wie vor vielen technischen Entwicklungen: Unsere Lehrer schimpften früher über den Walkman, der dazu führe, dass die Jugend vereinsame. Später folgten Warnungen vor Handys, Smartphones und Co. Jede Generation kennt solche Warnungen, jede Generation kennt ihre eigene Angst vor Veränderungen. Selbst das Grammophon war einst der Quell allen Übels in Deutschland oder der Tonfilm (siehe unten).

Verluste

“Leider geradezu typisch für deutsche Medien ist das mangelnde Verständnis für die Regeln der Start-up-Welt, wenn es um den wirtschaftlichen Teil der Reportage geht. Die ZDF-Macher betonen, dass fast sämtliche Rocket-Start-ups noch große Verluste einfahren. Das aber ist weder ein Geheimnis, noch sonderlich überraschend”, schreibt Dörner weiter. Ein Phänomen, dass man immer wieder beobachten kann. Beim Börsengang von Twitter ging es etwa in diesem Interview beim Deutschlandfunk gefühlt nur um die Verluste, die das Unternehmen macht. Zitat: “Mehr als 200 Millionen Nutzer hat Twitter, schreibt aber trotzdem rote Zahlen”. Deswegen hier noch einmal in aller Deutlichkeit: Ja, Start-ups machen Verluste. Deswegen sind die Unternehmen aber nicht zum Scheitern verurteilt. Und auch Pleiten gehören zur Start-up-Welt. Und: Nur, weil jemand ein Konzept kopiert, muss dieses noch lange nicht ein Erfolg werden – siehe dazu auch “Copycats – wie wichtig sind Klone fürs Start-up-Ökosystem?“.

Schadenfreude

Ein anderes Thema im Zusammenhang mit Start-ups und jungen Unternehmen ist Schadenfreude. Hautnah kann man dies jede Woche bei der Vox-Show “Die Höhle der Löwen” miterleben. Da sitzen Menschen vor der Glotze und freuen sich, dass andere Menschen mit ihrer Idee vor die Wand fahren bzw. keinen Erfolg beim Geldeintreiben haben (was man via Twitter nachlesen kann). Freuen sich darüber, dass andere, mutige Menschen an eine Idee glauben und diese in der Luft zerrissen wird. Freuen sich darüber, dass andere scheitern. Diese Form der Schadenfreude lässt sich regelmäßig auch beobachten, wenn Gründer mit ihrer Idee scheitern und wir darüber berichten. Da freut sich dann schon einmal der ein oder andere Zeitgenosse groß, dass ein Unternehmen gescheitert ist. Und ganz wichtig: Viele wussten es schon beim Start, dass dieses Konzept niemals etwas werden konnte. Wie die Schwiegermutter, die auch immer schon vor der Eheschließung ihrer Tochter gewusst haben will, dass dies Verbindung in die Brüche geht. Passend zum Thema dieses Buch (von The European-Macher Alexander Görlach), dass Anfang September erscheint: “Wir wollen Euch scheitern sehen!: Wie die Häme unser Land zerfrisst“.

Lestipp: “‘Wenn man weiterkommen will, gehören Stürze dazu’ – Investor und Gründer Frank Thelen im Porträt

Kainsmal

Ein aktueller Fall ist die Pleite von Sommelier Privé. Jan Bechler, Mitgründer vom Mitbewerber Navinum machte, nachdem jemand anderes sich über die Insolvenz des Unternehmens freute, seinem ganzen Unmut bei Facebook platz. “Während anderswo das Scheitern einer Gründung keineswegs als Makel sondern vielmehr als wertvolle Erfahrung mit hoffentlich steiler Lernkurve angesehen wird, hat der typisch ätzende, schadenfrohe und engstirnige Deutsche oftmals nichts besseres zu tun, als Häme über den Beteiligten auszuschütten”, schreibt er und hat damit absolut recht. “Dem Gründerstandort Deutschland kann man nur wünschen, dass wir eine noch viel größere Fehlerkultur entwickeln, damit sich möglichst viele ambtionierte, kluge Köpfe trauen, Ideen und Träume (sicher wohlüberlegt und nicht Hals über Kopf) unternehmerisch umzusetzen – in dem Wissen, dass ein Scheitern schade aber keine Schande ist”, führt er weiter aus.

Missgunst

Auch Marc Philipp Clemens, Mitgründer von Sommelier Privé, mischt sich in den Kommentaren unter Bechlers Beitrag ein. “Während die Startup Szene, sowie sämtliche unserer Investoren uns phänomenal zur Seite stehen und uns unterstützen, wird von anderen Seiten kräftig geprügelt”, schreibt er. Auch auf der Facebookseite von deutsche-startups.de wurde in diesem Fall schwer über den Pleite-Unternehmer abgelästert. Kolja Hebenstreit (Team Europe) mischte sich schließlich ein und schrieb: “Ich wette, dass keiner der hier lästert je ein erfolgreiches Startup gegründet hat. Bei 300.000€ Finanzierung für 2 Jahre sind die Gründer selber stark ins Risiko gegangen. Davon kann man keine großen Gehälter zahlen. Wenn es dann trotz aller Bemühungen nicht klappt sollte man die Konsequenzen ziehen. Kann sich jetzt noch jmd daran erinnern, dass die Zalando Gründer davor ein erfolgloses Soziales Netzwerk in Südamerika gegründet haben?”

Lesetipp: “Scheitern ist keine Schande! Gründer berichten, warum ihr Start-up gescheitert ist

Mangelnde Nachhaltigkeit

Womit wir abschließend beim Thema Nachhaltigkeit wären. Ein weiterer Vorwurf von vielen Mitmenschen gegenüber der Start-up-Szene und jungen Unternehmen zielt auf die mangelnde Nachhaltigkeit der Konzepte ab. Selbst bei zalando – mit inzwischen mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz im Halbjahr – ist dies noch immer regelmäßig zu hören. Oft kommt der Vorwurf auch nach Verkäufen von Start-ups an Unternehmen. Speziell, wenn die Geschäfte nach der Übernahme anders verlaufen, als gedacht. Ob dies aber immer die Schuld der eingekauften Start-ups ist, sei einmal so dahingestellt. So lange Unternehmen, die breite Masse und Co. das Phänomen Start-ups mit all’ seinen Chancen (und Risiken) nicht verstehen, wird sich daran auch nichts ändern. Da müssen wir alle noch viel Aufklärungsarbeit leisten.

Passend zum Thema: “Rede an die Start-up-Nation – Merkel plädiert für eine Kultur des Scheiterns

Foto: Interaction between man and two women from Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.