#Interview

“Viele Gründer:innen haben immer einen Plan B parat”

Exakt Health digitalisiert die Physiotherapie. Bisher flossen 2 Million in das Startup. "In einem Jahr sind wir auf dem Home-Bildschirm einer halben Million Läufer:innen. Wir sind ihr Trainingspartner, um Verletzungen zu rehabilitieren und vorzubeugen", sagt Gründer Philip Billaudelle.
“Viele Gründer:innen haben immer einen Plan B parat”
Dienstag, 27. Februar 2024VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup Exakt Health, das 2021 von den beiden ehemaligen N26-Mitarbeitern Lucia Payo und Philip Billaudelle sowie Maryke Loew gegründet wurde, bietet Nutzer:innen eine Selbst-Diagnose für Sportverletzungen an und erstellt zudem einen individualisierten Rehabilitationsplan. Backbone Ventures, Auxxo, Possible Ventures und N26-Gründer Maximilian Tayenthal investierten bereits rund 2 Millionen Dollar in die Physio-App.

“Meine Mitgründerin Lucia und ich haben beide in Führungspositionen N26 mit aufgebaut und sind dementsprechend sehr gut in der Berliner Startup-Welt vernetzt. Als wir bei N26 gekündigt haben, um Exakt Health zu gründen, wollten gleich mehrere Business Angels aus unserem Umfeld in Exakt Health investieren, zum Beispiel der Gründer von N26 Maximilian Tayenthal oder Cornelia Oelling. Die haben uns dann auch mit weiteren Investoren und VCs vernetzt”, sagt Exakt Health-Macher Billaudelle zur Kapitalsuche von Exakt Health.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Jungunternehmer außerdem über Krankenkassen, Anschlussfinanzierungen und Retrospektiven.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Exakt Health erklären?
20 Millionen Menschen in Deutschland joggen mindestens gelegentlich. Das ist vorbildhaft und gesundheitsfördernd, nur leider verletzen sich abhängig von Alter und Fitness durchschnittlich zwischen 25 % bis 45 % pro Jahr. Durch die Versorgungslücke in der Physiotherapie können diese Verletzungen nicht optimal behandelt werden. Wertvolle Zeit geht verloren, in der sich Verletzungen sogar verschlimmern können. Mit der Exakt Health App sparen Betroffene sich die Terminfindung und den Weg zum Physiotherapeuten. Die App stellt dir ein passendes medizinisch zertifiziertes Übungsprogramm zusammen, das auf deine Verletzung und Fortschritte angepasst ist. Die Erklärungen der Übungen erfolgt per Video und detaillierter Textbeschreibung.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Im Großen und Ganzen ist das Konzept der Exakt Health App gleich geblieben. In der Go-to-Market Strategie haben wir jedoch einiges dazugelernt und angepasst: Anfänglich hatten wir noch mit der Idee geliebäugelt, unsere App als DiGA – digitale Gesundheitsanwendung – zertifizieren zu lassen, um dann auch von Ärzt:innen verschrieben und von Krankenkassen erstattet zu werden. Bei unserer Zielgruppe der Läufer:innen ist die Nachfrage und Zahlungsbereitschaft jedoch so hoch, dass wir uns jetzt erstmal voll auf diese konzentrieren.

Wie hat sich Exakt Health seit der Gründung entwickelt?
Seit unserem Live-Gang haben über 75,000 Läufer:innen ihre Verletzungen mit der Exakt Health App behandelt. In den nächsten zwei Jahren wollen wir diese Zahl auf eine Million Nutzer:innen steigern. Dafür haben wir die App bereits in vier Sprachen übersetzt und wollen neben Deutschland vor allem auch in den USA, Großbritannien, Spanien und Frankreich wachsen.  Wir sind aktuell 10 Mitarbeitende auf drei  verschiedenen Kontinenten und werden dieses Jahr noch etwas wachsen. Grundsätzlich sind wir jedoch sehr effizient aufgestellt.

Es herrscht weiter Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Mit welchen Erwartungen blickst Du auf die kommenden Monate?
In den nächsten zwei Quartalen wird es wahrscheinlich noch überdurchschnittlich viele Start-ups geben, die keine Anschlussfinanzierung abschließen können. Gleichzeitig sind viele der Gründer:innen, die ich treffe – inklusive mir – deutlich resilienter geworden in 2023, geben weniger Geld aus und haben auch immer einen Plan B parat. Ich glaube, dass wir insgesamt bereits die Talsohle erreicht haben. Wir Menschen sind sehr gut darin, uns schnell an einen neuen Status Quo anzupassen und dann wieder optimistisch den Blick nach vorne zu richten. Ich glaube, da stehen wir aktuell und denke, dass sich dieser Optimismus in 2024 ausbreiten wird.

E-Health gilt seit Jahren als Boom-Segment. Wie sehr schadet die anhaltende Krise diesem Boom?
Das große Fragezeichen bei Digital Health war und ist immer noch die Frage der Monetarisierung. Jetzt wo der Monetarisierung im Vergleich zu Wachstum mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, stellt das gerade die frühphasigen Digital Health Start-ups vor eine noch größere Herausforderung. Denn im Gesundheitsbereich müssen wir zum Start deutlich mehr in Forschung, Produktentwicklung, Zertifizierung und Go-to-Market investieren, bevor sich die nachhaltige Monetarisierung auch mit Zahlen gegenüber Kapitalgebern belegen lässt. Das macht das Fundraising in Zeiten von Kapitalknappheit natürlich schwieriger. Aber den langfristigen Trend zur Digitalisierung der Gesundheitsbranche sehe ich dadurch nicht gefährdet. Der Kostendruck auf unser Gesundheitssystem und wachsende Anspruch der Patient:innen ist zu hoch, als dass sich Innovation nicht durchsetzen wird.

Ihr konntet bereits 2 Millionen einsammeln. Wie seid ihr mit euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Meine Mitgründerin Lucia und ich haben beide in Führungspositionen N26 mit aufgebaut und sind dementsprechend sehr gut in der Berliner Startup-Welt vernetzt. Als wir bei N26 gekündigt haben, um Exakt Health zu gründen, wollten gleich mehrere Business Angels aus unserem Umfeld in Exakt Health investieren, zum Beispiel der Gründer von N26, Maximilian Tayenthal, oder Cornelia Oelling. Die haben uns dann auch mit weiteren Investoren und VCs vernetzt.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist seit der Gründung so richtig schief gegangen?
So richtig groß schief gegangen ist zum Glück bisher nichts. Dafür viele kleine Dinge, aus denen wir sehr regelmäßig lernen. Mal haben wir mit großen Erwartungen in eine Marketingkampagne mit einem Influencer gesetzt, die dann kaum spürbar mehr Nutzer:innen gebracht hat. Ein anderes Mal haben wir aufgrund von Nutzerfeedback einen Monat lang an der Verbesserung der App gebastelt, nur um dann zu sehen, dass das eigentlich niemand sonst von unseren Nutzer:innen wirklich interessiert hat. Intern schauen wir uns solche missglückten Projekte einmal im Monat in sogenannten Retrospektiven gemeinsam an und lernen dann daraus.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht? 
Ich glaube, wir waren bisher ziemlich gut in der Zusammenstellung unseres Teams. Wir haben gezielt von Anfang an sehr erfahrene Leute eingestellt, die dann unabhängig von uns im Gründungsteam die Funktionen wie Marketing und Design leiten können, von denen wir bisher nicht so viel Ahnung hatten. Als Gründer kann und muss man nicht alles wissen. Man braucht aber den Mut, diese Dinge dann auch wirklich abzugeben und nicht ins Micromanagement zu verfallen.

Wo steht Exakt Health in einem Jahr?
In einem Jahr sind wir die App auf dem Home-Bildschirm einer halben Million Läufer:innen. Wir sind ihr Trainingspartner, um Verletzungen zu rehabilitieren und auch vorzubeugen.

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Foto (oben): Exakt Health

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.