#Interview

“Die Umwandlung zur AG ist der nächste logische Entwicklungsschritt”

Das Berliner Nebenjobs-Startup Zenjob peilt derzeit einen Umsatz von über 100 Millionen und Profitabilität an. 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten für das Unternehmen, das 2015 an den Start ging und rund 100 Millionen an Investorengeldern eingesammelt hat.
“Die Umwandlung zur AG ist der nächste logische Entwicklungsschritt”
Dienstag, 21. November 2023VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup Zenjob, 2015 von Fritz Trott, Cihan Aksakal und Frederik Fahning gegründet, positioniert sich als digitaler Personaldienstleister, der sich um Nebenjobs kümmert. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen, das 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, einen Umsatz in Höhe von 80 Millionen Euro. Für 2023 peilt das Team einen Umsatz von über 100 Millionen und Profitabilität an.

2021 konnte die Jungfirma laut Jahresabschluss einen Umsatz in Höhe von rund 60,4 Millionen Euro erwirtschaften. Im Vorjahr waren es rund 24,5 Millionen. Der Jahresfehlbetrag stieg 2021 auf 15,3 Millionen (2020: 13,8 Millionen). Insgesamt kostete der Aufbau von Zenjob bis Ende 2021 bereits 46,1 Millionen. Das Unternehmen sammelte bisher aber auch bereits rund 1000 Millionen ein – unter anderem von Atlantic Internet, Acton Capital, Redalpine, Forestay, Axa Ventures Partners und Aragon.

Die derzeit schwierigen Zeiten gingen aber auch an Zenjob nicht spurlos vorbei. “Wir haben uns Ende letzten Jahres von einigen Mitarbeitern getrennt. Das war der schwerste Schritt, den wir seit Gründung vor knapp acht Jahren gehen mussten. Wir konnten uns dem makroökonomischen Klima nicht verschließen, wussten aber gleichzeitig, wie viele Einzelschicksale daran hingen, teilweise langjährige Weggefährten, Teammitglieder, mit denen wir schon einiges durchgemacht haben”, sagt Gründer Fahning.

Der große Traum der Hauptstädter ist ein IPO. “Wir beherbergen einen sehr breiten Investorenkreis von der DACH Region bis in die USA und möchten uns gern alle Möglichkeiten offen halten, um unserem Ziel und unserer Vision näher zu kommen. Vor allem möchten wir Zenjob immer weiter professionalisieren und dafür war die Umwandlung zur AG der nächste logische Entwicklungsschritt”, führt der Zenjob-Macher aus.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Unternehmer Fahning außerdem über Wertschöpfungsketten, die gescheiterte Internationalisierung und die Grippeimpfung.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Zenjob erklären?
Deine Enkelkinder können über einen technologischen Freund in der Hosentasche sich ganz einfach und schnell Nebenjobs organisieren und schon zwei Stunden später dein Obst und Gemüse im Tante-Emma Laden abkassieren, dich beim Roland Kaiser Konzert versorgen oder bei deiner nächsten Grippeimpfung unterstützen. Dabei müssen sie sich um nichts kümmern, genauso wenig wie Roland Kaiser oder Tante Emma, alles passiert vollautomatisiert im Hintergrund. Wann, wo, für wen sie möchten und zwei Tage später schenkt dir dein Enkelkind dann schon einen neuen Fernseher dank der fixen Bezahlung von Zenjob.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Das Grundmodell ist von Anfang an gleich. Wir haben uns zu Beginn allerdings sehr stark mit der Frage auseinandergesetzt, ob wir Jobs vermitteln wollen – also a la Stepstone, Indeed oder HeyJobs – oder den beschwerlichen Weg der Zeitarbeit gehen, wer will das schon freiwillig machen. Nach einigen Monaten intensiver Recherche, Befragungen und Analysen, sind wir aber zu dem Schluss gekommen, dass es zwar ein Geschmäckle rund um Arbeitnehmerüberlassung gibt, vieles davon aber falsch wahrgenommen und auch international anders betrachtet wird. Vor allem wollten wir einen Marktplatz bauen, bei dem sich beide Seiten um nichts kümmern müssen, wir 99 % der Prozesse automatisieren können und Kontrolle über die Wertschöpfungskette haben – deshalb haben wir uns für Modell II entschieden.

Was waren zuletzt die größten Herausforderungen, die Ihr überwinden musstet?
Wir haben uns Ende letzten Jahres von einigen Mitarbeitern getrennt. Das war der schwerste Schritt, den wir seit Gründung vor knapp acht Jahren gehen mussten. Wir konnten uns dem makroökonomischen Klima nicht verschließen, wussten aber gleichzeitig, wie viele Einzelschicksale daran hingen, teilweise langjährige Weggefährten, Teammitglieder, mit denen wir schon einiges durchgemacht haben. Wir haben uns auch deshalb sehr viel Mühe in der Vorbereitung und Kommunikation gegeben, alle Gespräche fanden persönlich statt und wir Gründer waren selbst bei so vielen Terminen wie möglich dabei. Das war eine sehr harte Zeit, aber ich bin froh, dass wir als eine Einheit im gesamten Unternehmen erstarkt hervorgegangen sind.

Auch an Euch geht die derzeitige Krise somit nicht spurlos vorbei. Was ist generell Deine Sicht auf die aktuelle Eiszeit?
Es sind herausfordernde Zeiten. Unsere Kunden kommen aus der Logistik, dem Einzelhandel, der Gastronomie und Hotellerie, dem Eventgeschäft uvm. Viele der Großkunden erzählen uns, dass sie selbst noch skeptisch auf ihre eigenen Umsätze, sowie das anstehende Weihnachtsgeschäft schauen. Die meisten Startups konzentrieren sich aktuell auf Profitabilität – das tut dem Bullenmarkt der letzten zehn Jahre sicher auch mal ganz gut, speziell nach dem komplett verrückten Jahr 2021. Wenn man allerdings nicht das Glück hatte, zum richtigen Zeitpunkt eine Kapitalerhöhung vorzunehmen und sich dazu noch in der Anfangsphase befindet, blutet man aus ohne annähernd beweisen zu können, dass man an einem Geschäftsmodell arbeitet, was irgendwann einmal sehr lukrativ sein könnte. Trotzdem sehen wir weiterhin Finanzierungen im Seed Bereich. Later Stage, also wie bei uns, muss sich nun stärker beweisen – insgesamt wie beschrieben verständlich und das führt auch wieder zu mehr Vertrauen in den gesamten Sektor.

Wie hat sich Zenjob seit der Gründung entwickelt bzw?
Wir haben im letzten Jahr 80 Millionen Euro Umsatz gemacht, bei rund 300 Mitarbeitern, wovon circa ein Drittel im Product- und Engineering-Bereich arbeiten. Inzwischen laufen 97 % der Jobs komplett automatisiert durch unser System – von der Anfrage des Unternehmens, über das Matching der relevanten “Talents”, deren Bewerbung und Vertragsunterzeichnung, Check-in und Check-out bis hin zur Bezahlung. Das ist vor allem deshalb besonders hervorzuheben, da sich der Rest der Branche noch damit beschäftigt, vom Analogen ins Digitale zu wechseln, an Automatisierung ist meist nicht zu denken. Extern sind für uns bis zu 40.000 Talents im Einsatz und über 5.000 Unternehmen vertrauen uns deutschlandweit.

Seit einigen Wochen firmiert Zenjob als Aktiengesellschaft. Was sind die Beweggründe für diese Umfirmierung, etwa ein geplanter Börsengang?
Wieso eigentlich nicht? Wir haben Zenjob gegründet, um den European Leader für flexible Arbeit zu bauen. Das endet natürlich nicht bei Studierenden, die in Deutschland, einfache und kurzfristige Jobs machen. Als Aktiengesellschaft wollen wir die Grundlage legen, für die kommenden fünf bis zehn Jahre gewappnet zu sein. Wir waren schon kurz international vertreten und verfolgen langfristig natürlich weiterhin selbiges. Wir beherbergen einen sehr breiten Investorenkreis von der DACH-Region bis in die USA und möchten uns gern alle Möglichkeiten offen halten, um unserem Ziel und unserer Vision näher zu kommen. Vor allem möchten wir Zenjob immer weiter professionalisieren und dafür war die Umwandlung zur AG der nächste logische Entwicklungsschritt.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Die Internationalisierung. Unser Modell ist sehr anspruchsvoll, technologisch und regulatorisch. Hierfür bedarf es den lokalen Markt in seinen Einzelheiten zu verstehen – kommerziell, Regulatorik und Kultur. Wir hatten tolle Teams on the ground, aber wir waren noch nicht ready.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Ich glaube, dass wir uns von Anfang an sehr viel Mühe gegeben haben, eine Kultur aufzubauen, die inklusiv ist und dabei eine starke Einheit verkörpert. Eine gute Balance aus Homo- und Heterogenität. Man gibt zusammen Vollgas, hat aber auch Spaß dabei. Unsere Kernwerte- hungry, humble, honest und helpful – haben sich über die Jahre nie verändert und sind Bestandteil eines jeden Interviews, Feedbackgesprächs bis hin zum All Hands oder Promotions. Wir sind als Gründer in jedem Interviewprozess involviert – das Wichtigste bei Zenjob sind nicht die Technologie oder Umsätze, sondern die Menschen, die sie kreieren.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer;innen mit auf den Weg?
Finde Leute, die smarter und erfahrener sind als du. Die richtigen Mitglieder für dein Unternehmen zu finden, sollte immer deine No.1 Priority sein.

Wo steht Zenjob in einem Jahr?
Wenn die makroökonomische Lage sich nicht dramatisch verschlechtert, wovon wir jetzt alle erstmal nicht ausgehen, dann sehe ich uns aufgrund von Profitabilität und einer enorm resilienten Technologie auf einem festen Fundament, um nachhaltiges Wachstum zu schaffen, welches wiederum die Grundlage bieten wird, den European Leader für flexibles Arbeiten aufzubauen.

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Foto (oben): Zenjob, Konrad Stöhr

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.