#Gastbeitrag

So werden Entlassungen nicht zur Krise

Schlecht kommuniziert können Entlassungen eine Krise auslösen, die zu Umsatzeinbußen führt, die wiederum weitere Entlassungen erforderlich machen – eine Abwärtsspirale, von der sich manche Startups nie erholen. Ein Gastbeitrag von Oliver Aust und Jag Singh.
So werden Entlassungen nicht zur Krise
Freitag, 30. Juni 2023VonTeam

Der Anruf, der Startup-Gründern schlaflose Nächte bereitet: Der wichtigste Investor dreht den Geldhahn zu, die geplante Runde platzt. Nun wird es eng, bis Ende des Jahres muss das Unternehmen profitabel sein. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, das Ziel zu erreichen: so schnell wie möglich 20 % der Mitarbeitenden zu entlassen. Autsch.    

Dies ist keine hypothetische Situation, sondern für viele Gründer:innen Realität. Laut dem Entlassungsportal layoffs.fyi haben in diesem Jahr weltweit bereits 200.000 Beschäftigte im Tech-Sektor ihren Job verloren.

Das Risiko, dabei mit der falschen Kommunikation eine existentielle Krise für das Unternehmen auszulösen, ist enorm. Wer 20% der Mitarbeitenden entlässt, muss damit rechnen, dass die anderen 80% ihre Motivation verlieren oder sich nach neuen Jobs umsehen. Mehr noch, Gerüchte und Fehlinformationen können sich in Zeiten des Wandels schnell verbreiten und bei den verbleibenden Mitarbeitenden Ängste und Unsicherheiten auslösen. Auch Kunden suchen in solchen Situationen schnell das Weite. 

Nicht im Treibsand versinken 

Richtig kommuniziert wird alle Beteiligten verstehen, warum die Verkleinerung des Teams die Zukunft aller sichert. Sie werden sich auf die Mission konzentrieren und das Ruder herumreißen. 

Schlecht kommuniziert können Entlassungen eine Krise auslösen, die zu Umsatzeinbußen führt, die wiederum weitere Entlassungen erforderlich machen – eine Abwärtsspirale, von der sich manche Startups nie erholen. Manche versinken förmlich im Treibsand, wenn ihre Erfolgstory abrupt endet. 

Wir wissen zwar noch nicht, wie Elons Turnaround bei Twitter enden wird, aber eines wissen wir: Die Entlassung von Tausenden wurde extrem schlecht gehandhabt. Anstatt intern und extern transparent zu kommunizieren, hat das Unternehmen Mitarbeitenden einfach den Zugang zu ihren E-Mails gesperrt, und einige wussten nicht einmal, ob sie noch einen Job hatten. 

Dies führte erwartungsgemäß zu Auseinandersetzungen mit Twitter-Nutzern, Mitarbeitenden und den Medien. Noch gefährlicher ist, dass die Plattform genau die Werbekunden verschreckt hat, auf die sie angewiesen ist. Und die Gerichtsverfahren wegen unrechtmäßiger Kündigungen laufen.

All dies mag Teil vom Musks Masterplan sein. Doch ist auch klar, dass kein anderes Unternehmen mit einem solchen Verhalten durchkommen würde. Wie kann man also richtig entlassen, wenn es unvermeidlich ist?

Sei nicht der Bösewicht 

Um es klar zu sagen: Entlassungen gehören zur Skalierung eines Startups. Sie sollten zwar mit größtem Respekt, Empathie und Professionalität gehandhabt werden, aber manchmal ist ein Personalabbau unvermeidlich, um dem Unternehmen genügend Spielraum zu verschaffen.  

Was Wenigen klar ist: Eine Krise ist eine sich entfaltende Geschichte, und jede Geschichte hat einen Bösewicht. Die Frage ist: Wer ist es? Es kann COVID, der wirtschaftliche Abschwung oder andere externe Kräfte sein. 

Auf keinen Fall willst Du, dass das Unternehmen oder die Führungsmannschaft der Böse ist. Darum ist es die Aufgabe der Gründer:innen, die Story richtig zu erzählen. Denn es ist schlechte Kommunikation, nicht die Entlassungen selbst, die die Krise auslösen. 

Als sich das Startup für Präsentationssoftware Pitch im vergangenen Jahr von 30% seiner Mitarbeitenden trennen musste, veröffentlichte CEO Christian Reber eine Mitteilung auf LinkedIn, die den richtigen Ton traf. Er legte die Gründe für die Entscheidung dar und erläuterte, was das Unternehmen tut, um den Betroffenen zu helfen. 

Anschließend stellte er eine Ehemaligen-Liste zur Verfügung, um sicherzustellen, dass jeder Betroffene schnell eine neue Stelle finden würde. Pitch wurde nicht zum Bösewicht und schützte so seine Reputation in einer kritischen Phase.

Das Richtige tun, auch wenn es weh tut 

Was können Startups und Scale-Ups also tun, um eine Krise zu vermeiden, wenn Entlassungen unvermeidlich werden? Hier sind fünf Leitlinien für die schwierigsten Tage eines Startups: 

Empathie zeigen: Empathisch zu sein reicht nicht, Gründer:innen müssen es auch zeigen. Es handelt sich um eine emotional aufgeladene Situation, und ein vermeintlicher Mangel an Einfühlungsvermögen ist der größte Trigger für das Team. 

Verantwortung übernehmen: Die Ankündigung muss vom CEO kommen, und zwar persönlich, wann immer möglich. Unpersönliche Kanäle wie E-Mails oder Zoom bringen Menschen auf die Palme und lassen das Unternehmen leicht als Bösewicht dastehen. 

Kein BS: Es ist wichtig, den Mitarbeitern gegenüber ehrlich und transparent zu sein. In einer Situation, die für die Betroffenen lebensverändernd ist, schadet jeglicher Bulls**t dem Vertrauen und damit dem zukünftigen Erfolg des Unternehmens.  

Unsicherheit verringern: Gerüchte und Fehlinformationen können sich bei Entlassungen schnell verbreiten. Gründer:innen sollten darauf eingehen und genaue Informationen bereitstellen, um Ängste und Unsicherheiten bei den verbleibenden Mitarbeitern zu verringern. Ein verängstigtes Team wird nicht mutig die Zukunft bauen. 

Kontinuierlich kommunizieren: Gründer:innen sollten im Gespräch bleiben und auf Bedenken und Feedback eingehen und erklären, wie viel stärker das Unternehmen dank der schwierigen Zeit nun ist. Die Zahl derer, die einen neuen Job gefunden haben, kann sogar zum KPI erklärt werden. 

Krisen sind Geschichten, die sich schnell verbreiten. Wer die Story selbst schreibt und glaubhaft vermittelt, kann selbst aus der schwierigsten Lage gestärkt hervorgehen. 

Über die Autoren
Oliver Aust ist CEO von Eo Ipso Communications und Host des Podcasts Speak Like a CEO.  Jag Singh ist Investor und Managing Partner von Angel Invest. Sie sind die Autoren von “Message Machine: How Communications Will Make You an Unstoppable Founder.

Message Machine

Why do nine out of ten startups fail? Why do some founders attract funding, top talent and dream customers? What’s the one skill investors universally recommend entrepreneurs improve, in order to increase their companies’ odds of success? More often than not, the answer is communications. In this actionable yet timeless must-read, Jag and Oliver give founders the unfair advantage they are looking for. Based on decades of experience and hundreds of interviews, this is the ultimate blueprint to becoming an unstoppable founder. From developing an irresistible story for growth to gaining visibility in crowded markets and attracting and retaining top talent, founders will learn how to use communication skills to take advantage of the massive opportunities ahead.

Oliver Aust, Jag Singh: “Message Machine: How Communications Will Make You an Unstoppable Founder”, Eo Ipso Communications, 320 Seiten, ab 23,54 Euro. Jetzt bei amazon.de bestellen

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Foto (oben): Shutterstock