#Interview

“Beim Legospielen kann ich überraschend gut abschalten”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Ich stehe um 5 Uhr auf und trinke als erstes einen Liter Wasser mit Limette, da fühle ich mich direkt fit. Danach spule ich eine kleine Morgenroutine ab", sagt Robin Sudermann, Gründer von talentsconnect.
“Beim Legospielen kann ich überraschend gut abschalten”
Mittwoch, 1. September 2021VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Robin Sudermann, Gründer von talentsconnect. Das Unternehmen aus Köln bietet Unternehmen mit JobShops die Möglichkeit, offene Stellen wie in einem Online-Shop anzubieten.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ich stehe um 5 Uhr auf und trinke als erstes einen Liter Wasser mit Limette, da fühle ich mich direkt fit. Danach spule ich eine kleine Morgenroutine ab, bei der ich in mich gehe, meine Ziele für den Tag fixiere und auch definiere, womit ich mich auf keinen Fall beschäftigen will. Die ersten drei Stunden des Tages sind mir heilig: Ich arbeite ausschließlich an Dingen, die einen echten Impact haben, z. B. lese ich einen inspirierenden Artikel oder ich nehme mir ein komplexes strategisches Thema vor. Um 8 Uhr habe ich immer ein „Filet-Meeting“ – das an dem Tag „beste“, da bedeutsamste, interne Meeting. Bis mittags folgt ein Meeting-Sprint… gefolgt von echten Sprints: Ich laufe täglich fünf bis zehn Kilometer durch den Stadtwald, gerne auch mit meinen Kids – der Einjährige im Kinderwagen, der Dreijährige auf dem Fahrrad. Wenn ich alleine unterwegs bin, höre ich am liebsten den Podcast „Die Kunst, dein Ding zu machen“ von Christian Bischoff. Das alles geht natürlich besonders gut und flexibel, seitdem wir alle aus dem Homeoffice arbeiten – das wird bei mir auch zukünftig an drei bis vier Tagen die Woche so blieben.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Um 18 Uhr versuche ich wirklich Feierabend zu machen und die Zeit mit der Familie zu genießen. Beim Legospielen kann ich überraschend gut abschalten. Ansonsten gehe ich auch mal eine Runde Fußball oder Tennis spielen und treffe mich gerne mit ehemaligen Teamkollegen. Das Wochenende ist seit fünf Jahren komplett arbeitsfrei, es gibt keine festen Verabredungen oder Termine – wir als Familie entscheiden einfach alles spontan.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Gründen heißt Ausprobieren und Fehler machen in Reinform. Mich reizt das enorm, weil man wirklich jeden Tag eine neue Chance hat. Aber es gibt auch harte Durststrecken.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Ich komme nicht aus einer Gründerfamilie, was leider zur Folge hatte, dass ich besonders am Anfang mehr Gegenwind und Skepsis, als Unterstützung und Zuspruch erfahren habe. Das Verständnis für diese unternehmerische Entscheidung fehlte einfach. Ein zweite große Hürde war mir selbst einzugestehen, dass es neben dem Gründen und dem Unternehmen die ersten zwei Jahre rechts und links nichts anderes geben kann, wenn es ein Erfolg werden soll.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Der Größte war auf jeden Fall, dass wir am Anfang Leute eingestellt haben, ohne genau zu wissen, wer welchen Beitrag zur Entwicklung des Unternehmens leisten kann – ein wirklicher Entwicklungsplan für die Mitarbeitenden und ebenso die Organisation fehlte. Wir haben an der Stelle also einerseits zu viel Geld ausgegeben und uns gleichzeitig nicht optimal entwickelt. Beim Gründerkreis und im C-Level sieht es ähnlich aus: Wir haben zu spät Vollprofis an Bord geholt, die das Unternehmen wirklich nach vorne bringen. Rückblickend würde ich sagen, dass wir bis zum Pivot 2016 zu lange an unserem Geschäftsmodell festgehalten haben, obwohl es offensichtlich nicht funktionierte. Das war nicht verantwortungsvoll; umso wichtiger war mir, dass es nach dem Pivot mit möglichst vielen der Mitarbeiter:innen weitergeht. Gleiches gilt für die Investor:innen und Business Angels.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Bei uns läuft eigentlich alles über unser mittlerweile sehr großes Netzwerk an Talenten. Dank einer soliden Talent-Pipeline können wir die meisten Stellen schnell mit den richtigen Leuten besetzen. Die Basis dafür ist natürlich unser eigenes Tool, der JobShop.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Schau genau hin, von wem du dir Rat und Unterstützung holst – es gibt einen großen Unterschied zwischen Leuten, die es gut mit dir meinen und ernsthaft an deinem Erfolg interessiert sind und Dienstleistern, die man bezahlt und die nicht selten primär eine monetäre Motivation haben. Am Ende sollte es eine gesunde Mischung aus beidem sein, ehrlichen Berater:innen und den richtigen Expert:innen.

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Wir wachsen aktuell sehr stark und haben unsere Kund:innen-Anzahl im ersten Halbjahr 2021 verdoppelt. Das würde nicht ohne einen hohen Automatisierungsgrad in Sales und der Kundenbetreuung funktionieren. Insofern sind Salesforce und Confluence bzw. Jira für mich aktuell die entscheidenden Tools.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Mit Sitz in Köln haben wir natürlich einen Kühlschrank voller – auch alkoholfreiem – Kölsch und nutzen jetzt im Sommer die zahlreichen Terrassen, um auch nach der Arbeit nochmal zusammenzukommen. Solche Kleinigkeiten aber mal beiseite – für alle Mitarbeiter:innen stehen jeweils 500 Euro im Jahr für die persönliche Entwicklung zur Verfügung. Damit sich unsere Talente auch langfristig wohlfühlen, finde ich das ganz ganz wichtig. Sicher eines der wichtigsten Investments – nicht nur monetär – ist die Weiterentwicklung.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Im November 2013 hatten wir noch genau 27,30 Euro auf dem Konto und keinen Dispo. Am gleichen Tag kam die Finanzierungszusage durch einen neuen Business Angel, die nächsten Monate waren also gesichert. Das erste, was wir getan haben – für 200 Euro Champagner gekauft und mit dem gesamten Team ausgelassen gefeiert. Die Sorgen der vergangenen Wochen waren kurz vergessen und wir wollten einfach alle gebührend daran teilhaben lassen – auch wenn wir uns an dem Tag sicher eher Kranwasser hätten leisten können.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

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Foto (oben): talentsconnect / Marcus Becker, sichtplan