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SPACs: Warum Startups sich ernsthaft mit ihnen befassen sollten

Während in den USA eine Euphorie um SPACs herrscht, sind Erfolgsgeschichten in Europa noch selten. Skepsis macht sich breit, obwohl das SPAC-Modell bereits seit Jahren existiert und sich die Marktbedingungen in Richtung mehr Sicherheit gewandelt haben. Ein Gastbeitrag von Julian Riedlbauer und Richard Hartweck.
SPACs: Warum Startups sich ernsthaft mit ihnen befassen sollten
Donnerstag, 6. Mai 2021VonTeam

Weniges wird in den Wirtschafts- und Startup-Medien sowie der Investmentwelt so intensiv diskutiert, wie die Finanzierung durch SPACs. Kaum ist das Thema in Europa und Deutschland angekommen, mehren sich die Stimmen derer, die in dem Modell nur einen weiteren Börsen-Hype sehen. Es scheint, als ob SPACs abgeschrieben werden, bevor eine ernsthafte Auseinandersetzung stattgefunden hat. Wer ihnen eine Chance gibt, wird jedoch erkennen, dass SPACs sich zu einer echten Finanzierungsalternative entwickeln könnten.

SPACs kurz erklärt

Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) sind Mantelgesellschaften, die nur zu dem Zweck gegründet werden, bei ihrem Börsengang Investorengelder zu sammeln. Die SPAC-Sponsoren – in der Regel Industrie-Experten und Experten aus Investmentbanking und dem Private Equity-Bereich – verwenden die eingesammelten Mittel um in große, wachstumsstarke Unternehmen (Targets) zu investieren. Anstelle klassischer Aktien bieten sie Endinvestoren sogenannte Units an. Diese Units setzen sich aus je einer Aktie und einem Warrant-Anteil zusammen. Das eingeworbene Kapital wird auf ein Treuhandkonto eingezahlt. Die Sponsoren eines SPACs haben dann in der Regel 12-24 Monate Zeit, ein Target zu identifizieren. Gelingt ihnen das nicht, erhalten alle Investoren ihre Investments zurück. Sobald ein Target selektiert wurde, beginnen die üblichen Merger-Prozesse: Due Diligence, Verhandlungen sowie die Unterzeichnung des Übernahmevertrags. Abschließend erfolgt der De-SPACing-Prozess, bei dem die Sponsoren mit den Endinvestoren auf einer Hauptversammlung über die Transaktion abstimmen. Kommt eine vorab definierte Mehrheit zur Genehmigung zustande und werden alle regulatorischen Anforderungen erfüllt, wird die Übernahme vollzogen. Investoren, die dem Deal nicht zustimmen, können sich zurückziehen und ihr Investment zurückerhalten. Mit der Vollendung der Transaktion wird das Zielunternehmen börsennotiert und das Tickersymbol an den Unternehmensnamen angepasst. Am ehesten gleicht der SPAC-IPO einem Reverse Merger, bietet jedoch zusätzliche Vorteile gegenüber diesem. Zu den Vorteilen zählen beispielsweise die Erfahrung des SPAC-Management-Teams, die Sicherheit der Finanzierung bzw. des Wachstumskapitals und nicht zuletzt der Zugang zu institutionellen Investoren. Die genauen regulatorischen Kriterien sind abhängig von der Börse, an dem das SPAC gelistet wird. Über 95 % der weltweit aktiven SPACs sind in den USA notiert, davon können aber über 90 % auch in europäische Targets investieren.

SPACs als IPO light?

Bei SPAC-IPOs werden typischerweise dreistellige Millionenbeträge eingesammelt. Hier gilt: “The bigger the better”. Die SPAC-Sponsoren erhalten meist einen Anteil von 20 % (inzwischen oft auch weniger) des eingesammelten Kapitals und der Optionsscheine, wenn der Deal erfolgreich ist. Ursprünglich sollten SPACs vor allem kleinere Unternehmen an die Börse bringen, die den Aufwand eines eigenen IPOs scheuten. Inzwischen haben jedoch zahlreiche große PE-Investoren eigene SPACs platziert. SPACs stellen somit eine echte Finanzierungsalternative zu IPOs, Late Stage Growth Equity und PE-Deals dar – insbesondere für größere, hoch ambitionierte Unternehmen, die sehr häufig aus dem Tech-Sektor stammen. Ein komplizierter und langwieriger IPO-Prozess lässt sich so umgehen. Gleichzeitig behalten die Firmengründer bzw. bestehenden Großaktionäre ihren Einfluss, weil diese Altgesellschafter/Aktionäre der Zielfirmen im Rahmen des Mergers große Aktienanteile in Form von Rollover Equity übernehmen. Nach dem De-SPACing-Prozess (nach dem Vollzug des Mergers/der Übernahme) ziehen sich die SPAC-Sponsoren schließlich operativ weitgehend zurück und sind nicht im Management bzw. Vorstand des Unternehmens eingebunden. Die Tagesgeschäfte des neu fusionierten und gelisteten Unternehmens führt das Management des ursprünglichen Targets. Die SPAC-Sponsoren stehen mit ihrer Erfahrung und ihrem Knowhow beratend zur Seite, z.B. im Aufsichtsrat. 

Gleichwohl sollten sich die Unternehmen vorab eingehend vorbereiten. Im Folgenden geben wir ein paar Tipps und Fragen, die Start-ups bei der Entscheidung helfen können, ob ein SPAC aktuell das richtige Finanzierungsmodell für sie darstellt und ob der jeweilige SPAC zu ihnen passt.

Tipps für Startups

  1. Nach dem Verfahren ist das Unternehmen öffentlich gelistet – mit allen Pflichten und aller öffentlichen Aufmerksamkeit eines börsennotierten Unternehmens. Deshalb sollten die folgenden Fragen vorab positiv beantwortet werden können: Soll das eigene Unternehmen zum aktuellen Zeitpunkt an die Börse gehen und wäre es ein gutes börsennotiertes Unternehmen? Besteht genug Mehrwert und Wachstum, um öffentlich gehandelt zu werden? Können alle Anforderungen an ein börsennotiertes Unternehmen erfüllt werden (Forecasts, Reports,…)?
  2. Wichtig ist auch, wer genau hinter einem SPAC steckt, welche Kompetenzen und Erfahrungen die Sponsoren mitbringen und wie die Details, etwa die Verteilung der Anteile, genau aussehen. Wichtige Fragen lauten: Wie vertrauenswürdig sind die Sponsoren des SPACs? Wie ist die Struktur des Sponsorships? Ist die Bewertung vorteilhaft? Gibt es genug Interesse von institutionellen und privaten Investoren für die Zeit nach dem öffentlichen Listing? Wie verhält sich diese Finanzierungsoption zu anderen Alternativen?
  3. Es sollte außerdem sichergestellt werden, dass ein Deal auch tatsächlich durchgeführt wird und im Falle eines Abbruchs keine vertraulichen Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Deshalb sollten früh die entsprechenden Mehrheiten unter den Investoren und das Kapital für die Transaktion gesichert werden. Dies geschieht in der Regel über Side-Deals mit PIPE-Investoren (Private Investment in Public Equity), die sich größere Anteile zu besonderen Konditionen sichern können. Mit den PIPE-Investoren wird ausführlich verhandelt (Non-Disclosure Agreement, Trading Restrictions, etc.) und der Zugang zu “Material Non-Public Information” über das Target, im sogenannten “Wall Crossing”, gewährt. Die PIPE-Investoren können dann entscheiden, weiteres Kapital für den Deal bereitzustellen.

SPAC-Euphorie in den USA, Skepsis in Europa

Während in den USA eine gewisse Euphorie um SPACs herrscht, sind konkrete Erfolgsgeschichten in Europa noch selten. Skepsis macht sich breit, obwohl das SPAC-Modell bereits seit vielen Jahren existiert und sich die Marktbedingungen in Richtung mehr Sicherheit für die Investoren gewandelt haben. Unerfahrene Investoren machten jüngst Schlagzeilen, weil sie in eine „spannende Story“ anstatt in ein sorgfältig geprüftes Zielunternehmen investieren und so den Preis in die Höhe trieben. Das sind unrühmliche Ausnahmen, die zu Recht die Aufsichtsbehörden auf den Plan rufen. Wenn alle Beteiligten die vorgesehenen Sicherheitsmechanismen tatsächlich anwenden und eine hohe Transparenz anbieten, sehen wir eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich SPACs langfristig als eine weitere sehr relevante Option zur Finanzierung und Zugang zum Kapitalmarkt etablieren könnten.

Tipp: SPACs – “Das riecht sehr nach Neuer Markt 2.0” und SPACs – Ein alternativer Weg an die Börse?

Über die Autoren
Julian Riedlbauer ist Partner und Leiter der deutschen Niederlassung des global führenden Technologie-M&A-Beraters und -Investors GP Bullhound.  Bevor er die Leitung des deutschen Büros übernahm, war Julian Riedlbauer Geschäftsführer bei Corporate Finance Partners, einer internationalen M&A-Beratungsfirma mit den Schwerpunkten Internet, Medien und Technologie. Vor seinem Wechsel auf die Beraterseite sammelte Riedlbauer als Gründer, Unternehmer und Manager mit mehreren M&A-Deals im Internet-, IT- und TK-Sektor umfassende Erfahrung.

Richard Hartweck ist Analyst bei GP Bullhound. Zuvor sammelte er Investment-Banking-Erfahrung bei Bankhaus Lampe und HSBC. Hartweck hält einen B.Sc. Economics & Business der University of Amsterdam sowie einen M.Sc. Finance & Accounting des Imperial College London.