#Interview

“Wir wollten den Anfangszauber mit möglichst kurzen Wegen erleben”

Hinter Sharpist verbirgt sich eine digitale Lernplattform für Mitarbeiter-Weiterbildung. "Zu Beginn saßen wir zu zwölft in einem Raum, zeitweise sogar an einem Tisch - von den Sales-Mitarbeiter:innen bis hin zu den Entwickler:innen", sagt Gründer Fabian Niedballa.
“Wir wollten den Anfangszauber mit möglichst kurzen Wegen erleben”
Mittwoch, 31. März 2021VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup Sharpist,  das 2018 von Dominik Lahmann, Fabian Niedballa und Hendrik Schriefer gegründet wurde, kümmert sich um das mobile Coaching von Führungskräften. In den vergangenen Jahren flossen bereits mehr als 10 Millionen  Euro in Sharpist – unter anderem von Vorwerk Ventures, btov Partners und APX . 60 Mitarbeiter:innen wirken derzeit für die Jungfirma. Zuletzt investierte zudem auch der ehemalige Fußballnationalspieler Dennis Aogo in das Unternehmen.

“Dennis‘ Investition hat symbolischen Charakter, denn in der Personalentwicklung ist es wie im Profifußball. Eine starke Mannschaft besteht aus starken Individuen, die das Beste aus sich herausholen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Corporate Learning und insbesondere individuelles Coaching ermöglichen Unternehmen genau das. Vor allem aber ist Dennis ein echter Sharpist-Fan”, sagt Sharpist-Gründer Niedballa.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Jungunternehmer außerdem über Riskiest Assumption Tests, Platzmangel und Produktinnovationen.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Sharpist erklären?
Sharpist ist eine digitale Lernplattform für Mitarbeiter-Weiterbildung. Unser großes Ziel ist es, mit unserem Angebot jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter auf der Welt kontinuierliches, personalisiertes Coaching zu ermöglichen.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Wir hatten von Beginn an eine klare Vision: allen Mitarbeitenden weltweit persönliche und individuelle Weiterentwicklung zugänglich zu machen. Um dies erfolgreich in die Tat umzusetzen, haben wir vor dem Start viel Zeit in die Entwicklung des Konzepts investiert. Durch eine Reihe von “Riskiest Assumption Tests” haben wir solange an unserem Produkt gearbeitet, bis wir einen starken Product-Market-Fit gefunden haben. Auf diese Weise hatten wir es schließlich geschafft, Coaching in vorher nicht möglicher Skala und Qualität anzubieten. Damit haben wir dann unsere ersten Großkunden gewonnen. Als wir schließlich mehr und mehr Mitarbeiter:innen auf der ganzen Welt betreuten, ging es für uns um die Frage, wie wir die rasant steigende Nachfrage bedienen können. Heute sind wir strategischer Personalentwicklungspartner für über hundert Kunden weltweit für die Förderung von Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung im Unternehmen.

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Sharpist richtet sich an Unternehmen, die kontinuierliche Weiterentwicklung in ihre Personalentwicklungsstrategie integrieren wollen beziehungsweise müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. Die Lernenden treffen sich regelmäßig über eine mobile App mit ihre:m persönliche:n Business-Coach. Dies ermöglicht, auf die individuellen Herausforderungen einzugehen und durch die persönliche Beziehung zum Coach am Ball zu bleiben. Für einen idealen Lernerfolg wird das persönliche Coaching mit personalisierten Lerninhalten von Partnern wie MIT Sloan Review oder getAbstract ergänzt. Denn lebenslanges Lernen ist inzwischen Voraussetzung, um in der digitalen Transformation zu bestehen – nicht nur für Arbeitnehmer:innen, sondern auch für Unternehmen.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Zu Beginn der Pandemie wurden in vielen Unternehmen die Budgets für die Personalentwicklung gekürzt. Nichts desto trotz verzeichnen wir seit Mai letzten Jahres stark steigende Kundennachfrage. Besonders in der Krise ist vielen Unternehmen bewusst geworden, wie wichtig die Entwicklung der Mitarbeitenden ist und wie wertvoll dafür ein hybrides Weiterbildungsmodell wie unseres ist. Spannend ist, dass diese Entwicklung nicht nur in Europa stattfindet, sondern auch in anderen Regionen der Welt, sodass wir unser Team nun Schritt für Schritt weiter international ausbauen.

Wie ist überhaupt die Idee zu Sharpist entstanden?
Organisationen verwechseln New Work häufig mit Buzz Words wie agile und lean. Ursprünglich geht es allerdings darum, Mitarbeiter:innen die für sie relevanten Entwicklungspfade aufzuzeigen. Das durfte ich persönlich während meiner Zeit bei GetYourGuide erleben, als ich in Coaching genau ein solches individuelles Angebot entdecken konnte. Hendrik hingegen stellte sich bereits während seines Psychologiestudiums an den Universitäten München und Oxford die Frage: wie kann Technologie eben diese Individualität “at scale” ermöglichen. Genau das ist Sharpist: Mitarbeitende auf ihren persönlichen Lernpfaden zu begleiten, ohne Aufwand in der Implementierung für global agierende Konzerne. Das spiegelt sich in unserer Unternehmensvision seit Tag 1 wider. Umso begeisterter sind wir, dass wir nach nur zwei Jahren Unternehmensgeschichte auch Kunden auf dem afrikanischen und dem asiatischen Kontinent betreuen.

Zuletzt investierten Vorwerk Ventures, btov Partners und APX 5 Millionen US-Dollar in Sharpist. Wofür braucht ihr all dieses Geld?
Wir sind so selbstbewusst, dass wir unser digitales Coaching-Produkt als marktführend beschreiben. Wir geben unseren Kunden das Versprechen, ihre Mitarbeiter:innen unabhängig vom jeweiligen Erfahrungslevel passgenau dort abzuholen, wo sie Weiterentwicklungsbedarf haben. Damit das so bleibt, werden wir 2021 die Größe unseres Produktteams verdoppeln und weitere internationale Märkte erschließen.

Gerade investierte zudem der ehemalige Fußballnationalspieler Dennis Aogo in Sharpist. Was steckt hinter ihrem Promi-Investment?
Dennis‘ Investition hat symbolischen Charakter, denn in der Personalentwicklung ist es wie im Profifußball. Eine starke Mannschaft besteht aus starken Individuen, die das Beste aus sich herausholen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Corporate Learning und insbesondere individuelles Coaching ermöglichen Unternehmen genau das. Vor allem aber ist Dennis ein echter Sharpist-Fan.

Wie genau hat sich Sharpist seit der Gründung entwickelt?
Um unser dynamisches Wachstum weiter zu beschleunigen, haben wir Anfang letzten Jahres eine Seed-Funding-Runde abgeschlossen. So haben wir gemeinsam mit unserem Team eine einzigartige Plattform geschaffen, die digitales Coaching von überall datensicher ermöglicht und den Nutzer:innen hochwertige Lerninhalte per App zur Verfügung stellt. Sharpist schlägt die meisten digitalen Lernangebote und Coaching-Anbieter im Bereich Engagement. Nicht nur, dass nahezu 100 % unserer Jahreslizenzen kontinuierlich über den gesamten Zeitrahmen unseres Programms genutzt werden, sondern aus jeder Coaching-Sitzung entstehen auch mehr als fünf weitere Interaktionen mit unserer mobilen App.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Sharpist inzwischen?
Sharpist ist die führende Plattform für Learning and Development in Europa. Wir verfügen derzeit über ein globales Netzwerk aus über 1000 zertifizierten Business-Coaches und arbeiten mit erstklassigen Content-Partnern wie zum Beispiel MIT Sloan, Blinkist und getAbstract zusammen. Weltweit nutzen inzwischen über 100 große und mittelständische Unternehmen wie etwa Porsche, LVMH oder DHL unsere Lern- und Entwicklungsangebote. Unser Team besteht aktuell aus rund 60 Mitarbeiter:innen und wir planen, in diesem Jahr unser Team auf knapp hundert “Sharpies” zu vergrößern.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Zu Beginn saßen wir zu zwölft in einem Raum, zeitweise sogar an einem Tisch – von den Sales-Mitarbeiter:innen bis hin zu den Entwickler:innen. Wir wollten den Anfangszauber mit möglichst kurzen Wegen erleben. Das Ergebnis war jedoch ein lauter Lärm- und Stresspegel. Inzwischen haben wir zum Glück ein tolles Büro in Berlin-Neukölln, das für die nächsten Jahre genug Raum für unser angestrebtes Wachstum bietet. Gleichzeitig haben wir durch den anfänglichen Platzmangel die Not zur Tugend gemacht und an Prozessen und Systemen gearbeitet, die einen fließenden Übergang und Gleichberechtigung zwischen Remote-Arbeit und Präsenz im Büro sicherstellen

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir finden, dass es eine gute Entscheidung war zunächst eigenes Geld zu investieren, bis unsere Idee ausgereift war. Erst im zweiten Schritt haben wir gemeinsam mit Investoren daran gearbeitet, herauszufinden, wie wir einen relevanten Mehrwert für unsere Kundenunternehmen schaffen können. Auf diese Weise konnten wir bereits im ersten Jahr siebenstellige neue Budgets für Sharpist erreichen. Außerdem haben wir uns dazu entschlossen, nicht zu pivotieren, sondern Sharpist mit einer Serie von Riskiest Assumption Tests weiterzuentwickeln. Und zu guter Letzt sind wir stolz darauf, dass wir von Anfang an unsere Unternehmenskultur und unsere Organisation in den Mittelpunkt gestellt haben. Wir bieten zum Beispiel allen unseren Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, sich individuell coachen zu lassen und haben mit unserer ersten Mitarbeiterin die Rolle einer Gleichstellungsbeauftragten bei Sharpist eingeführt. Das hat sich sehr positiv auf die Vielfalt und Offenheit in unserer Unternehmenskultur ausgewirkt.

Wo steht Sharpist in einem Jahr?
Unser Ziel ist es, unsere führende Position auf dem Markt für Learning and Development in Europa weiter auszubauen. Dazu werden wir dieses Jahr weitere Produktinnovationen herausbringen, mit denen Unternehmen den Einfluss unseres Angebots auf die Gesamtperformance des Unternehmens noch besser messen können. Zudem werden wir unsere internationale Expansion vorantreiben und unser hohes Maß an Engagement von über 90 % auf unserer Plattform weiter bekräftigen. Um diese Ziele zu erreichen, wollen wir 2021 unser Team mehr als verdoppeln und sind bereits in Gesprächen für eine Series-A-Finanzierungsrunde.

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): Sharpist

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.