#Interview

Ein Startup, das veraltete Haustechnik smart macht

Bei Perto aus Berlin dreht sich alles um Energieeffizienz in Gebäuden. "Unser größter Wettbewerber ist die Nicht-Digitalisierung von Gebäuden, also alles so zu machen wie bisher", sagt Gründer Sebastian Schröer.
Ein Startup, das veraltete Haustechnik smart macht
Mittwoch, 3. Februar 2021VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup Perto kämpft gegen Energieverschwendung. “Wir machen den Energieverbrauch von Gebäuden effizienter. Das ist eine wichtige Aufgabe, denn Gebäude sind in Europa für circa 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich”, erklärt Gründer Sebastian Schröer das Konzept hinter dem PropTech. Zunächst kümmert sich das Startup um “alte und mittlere Gebäude mit veralteter Haustechnik” und dabei auf Heizungssysteme und deren Pumpen.

Dieser Fokus führt zu einem Alleinstellungsmerkmal. “Die Mehrheit der Start-ups, die sich aktuell gründen, entwickelt eine KI-basierte Steuerung für die vorhandene Leittechnik. Die gibt es allerdings nur in den wenigsten Gebäuden. Sie wird überwiegend von eingesessenen Unternehmen angeboten, ist meist teuer und aufwendig und kommt deshalb für alte und kleinere Gebäude nicht infrage”, sagt Schröer. “In Deutschland ist die durchschnittliche Heizung fast 18 Jahre alt und schwierig online zu bringen. Wir nutzen daher die Pumpen. Diese sind Teil jeder Heizung und notwendig, um das heiße Wasser vom Kessel in die Heizkörper zu transportieren. Moderne Hocheffizienzpumpen haben einen Computer integriert, weshalb sie bis zu 90 % weniger Strom verbrauchen als alte. Wir machen diese Pumpen smart, indem wir sie mit unserer IoT-Plattform verbinden, und können so die ganze Heizung steuern, auch wenn die übrigen Komponenten uralt sind”.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Perto-Macher außerdem über Energieträger, Immobilienbesitzer und Hierarchien.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Perto erklären?
Wir machen den Energieverbrauch von Gebäuden effizienter. Das ist eine wichtige Aufgabe, denn Gebäude sind in Europa für circa 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der größte Teil davon entfällt auf Heizungen. Wir verbringen die meiste Zeit unseres Lebens in Gebäuden. Gemeinsam geben die Menschen in Deutschland derzeit rund 73 Milliarden Euro für Energie in Gebäuden aus. Gleichzeitig liegen Gebäude bei Technologie und Digitalisierung weit zurück: Ein Kleinwagen hat mehr Sensoren als ein großes Gebäude. Das führt zu einem unnötig hohen Verbrauch von Energie, Geld und natürlich auch CO2-Emissionen, denn in Deutschland wird weiterhin überwiegend mit fossilen Energieträgern wie Öl und Erdgas geheizt. Wir haben eine digitale Technologie entwickelt, um die enorme Verschwendung zu beenden.

Welches Problem genau wollt Ihr mit Perto lösen?
Wir konzentrieren uns auf alte und mittlere Gebäude mit veralteter Haustechnik – denn die machen den größten Anteil des Gebäudebestandes aus. Dafür haben wir pertoIOTA entwickelt, eine IoT-Plattform, mit der wir jedes beliebige technische Gerät monitoren und mittels KI steuern können. Wir konzentrieren uns zunächst auf das Heizungssystem, insbesondere auf alte Anlagen. In Deutschland ist die durchschnittliche Heizung fast 18 Jahre alt und schwierig online zu bringen. Wir nutzen daher die Pumpen. Diese sind Teil jeder Heizung und notwendig, um das heiße Wasser vom Kessel in die Heizkörper zu transportieren. Moderne Hocheffizienzpumpen haben einen Computer integriert, weshalb sie bis zu 90 % weniger Strom verbrauchen als alte. Wir machen diese Pumpen smart, indem wir sie mit unserer IoT-Plattform verbinden, und können so die ganze Heizung steuern, auch wenn die übrigen Komponenten uralt sind.

Jede Woche entstehen dutzende neue Startups, warum wird ausgerechnet euer Startup ein Erfolg?
Uns zeichnen drei Punkte aus: Spätestens mit der Einführung der CO2-Steuer rückt das Thema CO2-Reduktion endgültig auf die Agenda der Immobilienbesitzer, und wir machen es ihnen so einfach wie möglich, relevante Einsparungen zu erzielen. Mit unserer Lösung bauen wir auf vorhandene Infrastruktur auf, wir benötigen keine teuren zusätzlichen Sensoren. Für Gebäude mit alter Haustechnik ist das die einfachste, schnellste und günstigste Methode, die Heizung online zu bringen und zu steuern. Als zweiten wesentlichen Erfolgsfaktor erachte ich unser interdisziplinäres Team, in dem wir Wissen im Bereich IT, Heizungstechnik und Projektmanagement verbinden. Ein dritter relevanter Punkt ist, dass wir bereits viel Erfahrung mit großen Projekten gesammelt haben. Unser größter Kunde ist aktuell das Land Berlin, das bis 2050 klimaneutral sein möchte. Für die Stadt haben wir in den letzten drei Jahren diverse Feuerwehr- und Polizeiwachen, Schulen und Museen energetisch saniert.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Wir bieten „Efficiency as a Service“. Wir verbinden die vorhandene Haustechnik mit unserer IoT-Plattform, finden zunächst alle Fehler, korrigieren diese und sorgen anschließend mit unserer Software dafür, dass die Heizungsanlage fortlaufend optimal funktioniert. Doch ein Gebäude funktioniert nicht wie ein iPhone, und Probleme mit der Haustechnik reparieren sich nicht per App. Daher ist Service essenziell. Als digitaler Projektmanager kümmern wir uns um notwendige Instandsetzungsarbeiten mit einem Pool von Handwerksunternehmen. Das ist auch deshalb nötig, da die Kunden gerne einen Ansprechpartner haben möchten, der sich um alle Angelegenheiten rund um das Thema Energie und Wärme kümmert.

Wer sind eure Konkurrenten?
Unser größter Wettbewerber ist die Nicht-Digitalisierung von Gebäuden, also alles so zu machen wie bisher. Die Einführung der CO2-Steuer, der Green Deal der EU, aber auch die Folgen von Corona sorgen dafür, dass sich der schlafende Riese Wärmemarkt in Bewegung setzt. Daher beobachten wir derzeit Dynamik im Markt. Das ist für uns positiv, denn je mehr Aufmerksamkeit das Thema bekommt, desto mehr Nachfrage gibt es. Der Markt ist so groß und segmentiert, dass sich nicht nur eine Lösung durchsetzen wird. Viele digitale Lösungen sind komplementär und erhöhen die gesamte Energieeinsparung. Die Mehrheit der Start-ups, die sich aktuell gründen, entwickelt eine KI-basierte Steuerung für die vorhandene Leittechnik. Die gibt es allerdings nur in den wenigsten Gebäuden. Sie wird überwiegend von eingesessenen Unternehmen angeboten, ist meist teuer und aufwendig und kommt deshalb für alte und kleinere Gebäude nicht infrage. Mit unserem Ansatz haben wir in diesem Segment ein deutliches Alleinstellungsmerkmal.

Wie ist überhaupt die Idee zu Perto entstanden?
Ich beschäftige mich seit meinem Studium mit Energie, zunächst überwiegend mit dem Strommarkt. Bei der Mitarbeit an einer großen Studie zum Wärmemarkt ist mir dann das erste Mal aufgefallen, welch hohes Einsparpotenzial in dem Bereich liegt und wie träge dieser Markt ist. Anschließend habe ich mich bei einem Energieversorger und einem Öl- und Gasunternehmen mit Geschäftsmodellinnovation beschäftigt, um das Thema anzugehen. Allerdings ist mir schnell klar geworden, dass Innovation in alt eingesessenen Konzernen schwerer vorankommt als in neuen Unternehmen. Da ich in den starren Hierarchien ohnehin nicht gut klarkam, war es Zeit, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Wir haben es sehr deutlich gespürt. Aufträge sind gestrichen oder verschoben worden, und Vertrieb war in den ersten Monaten quasi gar nicht mehr möglich. Die Branche hat einige Zeit gebraucht, um auf digitales Arbeiten umzustellen. Auch Materiallieferungen haben deutlich länger gedauert. Außerdem haben wir eine Finanzierungsrunde nicht wie geplant vorantreiben können, nehmen jetzt jedoch wieder Fahrt auf. Wir erwarten, dass wir in diesem Jahr wieder auf dem alten Wachstumspfad sind. Wahrscheinlich wird sich sogar eine Beschleunigung ergeben, denn Corona hat in der Branche für einen Digitalisierungsschub und vor allem im Bereich Büroimmobilien für Bewegung gesorgt.

Wo steht Perto in einem Jahr?
Aktuell konzentrieren wir uns auf die Heizung. Einerseits binden wir immer mehr Komponenten des Heizungssystem wie Heizkessel und Messgeräte in die IoT-Plattform ein. Andererseits verfeinern wir die Algorithmen für die KI-Steuerung immer weiter. Dafür brauchen wir möglichst viele Daten von möglichst zahlreichen unterschiedlichen Gebäuden. Innerhalb dieses Jahres wollen wir die Steuerung des Heizungssystems perfektionieren. Parallel übertragen wir unser Know-how auf andere Anwendungsbereiche wie Lüftung, Klimaanlage und Beleuchtung. Unser Ziel ist es, das gesamte Gebäude intelligent zu steuern, um Energieverschwendung endgültig zu beenden.

Start-ups mit Impact powered by Samsung

In unserem Themenschwerpunkt “Start-ups mit Impact” berichten wir regelmäßig über die Zebras unter den Start-ups. Wir begleiten die Geschichten von Gründungsteams mit innovativen technischen Lösungen, die nachhaltige und wirtschaftliche Ziele gleichermaßen verfolgen. Die Rubrik wird gefördert von Samsung in Partnerschaft mit dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland und dem Impact Hub Berlin, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, an besseren Rahmenbedingungen für soziale Innovationen mitzuwirken. In der Artikelreihe beleuchten wir das Potenzial der Zebra-Szene. Weitere Infos bei: Samsung for Impact.

Foto (oben): Perto

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.