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“Corona hat uns nicht so stark getroffen wie andere Unternehmen der Reisebranche”

Lanes & Planes entwickelte sich in den vergangenen Jahren von einem simplen Booking-Tool zu einem Dienst, der alle Prozessschritte - wie Spesen und Auslagen, Genehmigungen, ERP-Integration zu DATEV & Co. - aus einer Hand anbietet. Deswegen kam das Travel-Startup recht gut durch die Corona-Krise.
“Corona hat uns nicht so stark getroffen wie andere Unternehmen der Reisebranche”
Montag, 16. November 2020VonAlexander Hüsing

Das Münchner Startup Lanes & Planes richtet sich vor allem an kleine und mittelständische Unternehmen, die die Geschäftsreisen ihrer Mitarbeiter online organisieren und buchen möchten. “Wir sparen bei vielen mittelständischen Unternehmen, wie Edding, Personio, notebooksbilliger.de, bis zu 30 % der Reise- und Prozesskosten ein”, sagt Veit Blumschein, der das Unternehmen gemeinsam mit Daniel Nolte gegründet hat. Zuvor baute das Duo bereits das Travel-Startup fromAtoB auf.

Kurz vor der Corona-Krise investierten Battery Ventures, DN Capital und Connect Ventures einen zweistelligen Millionenbetrag in das junge Travel-Startup. Connect Ventures, die Flixbus-Gründer und Business Angels wie Andy Goldstein und Thomas Döring investierten zuvor beriets eine siebenstellige Summe in das Unternehmen. Durch die Corona-Krise kamen die Bajuwaren recht gut. “Was den Umsatz betrifft, haben wir als SaaS-Unternehmen gegenüber vielen unserer Mitbewerber den Vorteil, dass wir wiederkehrende Lizenzumsätze haben und kein reines Transaktionsmodell fahren müssen. Damit hatten wir auch in der Krise immer einen soliden Grundsockel an Umsatz, was unsere Kunden akzeptierten, da sie beispielsweise das Belegmanagement weiterhin nutzen konnten”, erzählt Blumschein.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Lanes & Planes-Macher außerdem über Eskalationskriterien, No-Brainer und Kundenzufriedenheit-

Wie würdest Du Deiner Großmutter Lanes & Planes erklären?
Lanes & Planes bildet als erste integrierte Travel-&-Beleg-Management-Lösung alle Bereiche von Geschäftsreisen sowie jegliche Art von Spesen und Auslagen voll digital ab. Wir sparen bei vielen mittelständischen Unternehmen, wie Edding, Personio, notebooksbilliger.de, bis zu 30 % der Reise- und Prozesskosten ein. Das beginnt bei der Suche, geht über die Buchung, Umbuchung und Erstattung, bis hin zur Reisekostenabrechnung und zum Belegmanagement. Die dazugehörige App dient als mobiler Reisebegleiter mit Ticket Wallet.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Aufgrund der Erfahrung, die mein Co-Founder Daniel Nolte und ich mit unserem ersten gemeinsamen Startup fromAtoB sammeln konnten, hatten wir – anders als die meisten Startups – das Kapital und die Expertise, uns auf die reine Produktentwicklung fokussieren zu können. Somit konnten wir es uns leisten, erst verhältnismäßig spät auf den Markt zu gehen, dafür mit einem sehr reifen und überlegenen Produkt – gerade was den Reiseteil unserer Lösung angeht. Wir konnten unsere Erstkunden zwar zufrieden stellen, waren aber auch schnell ersetzbar. Daher haben wir Lanes & Planes in den letzten Jahren immer mehr von einem reinem Booking-Tool zu einer Plattform entwickelt, die alle organisationalen Prozessschritte – wie Spesen und Auslagen, Genehmigungen, ERP-Integration zu DATEV & Co. – aus einer Hand abbildet. Weg von einem Insel-Tool zu einer End-to-End-Lösung, wenn man so will. Diese Entwicklung zahlt sich gerade jetzt in der Coronakrise für uns aus, da wir zeigen können, wie viel Potenzial im Geschäftsmodell steckt, auch über die reine Reisebuchung hinaus.

Wie genau habt ihr ansonsten die Auswirkungen von Corona gespürt?
Klar, die Zahlen zum Buchungsvolumen im April würde ich zwar gerne aus meinem Gedächtnis streichen. Aber die letzten Monate stellten für uns auch eine große Chance dar, denn wir hatten im ersten Quartal noch eine Serie-A über 11 Millionen Euro abgeschlossen und damit die einmalige Möglichkeit, unsere internen Prozesse einmal komplett neu und sauber für die Skalierung aufzuziehen. Was den Umsatz betrifft, haben wir als SaaS-Unternehmen gegenüber vielen unserer Mitbewerber den Vorteil, dass wir wiederkehrende Lizenzumsätze haben und kein reines Transaktionsmodell fahren müssen. Damit hatten wir auch in der Krise immer einen soliden Grundsockel an Umsatz, was unsere Kunden akzeptierten, da sie beispielsweise das Belegmanagement weiterhin nutzen konnten. Statt der üblichen Reisebelege wurden dann vom Mitarbeiter des Kunden einfach andere Belege eingereicht: Aus einem Taxibeleg oder einem Verpflegungsmehraufwand wurde ein Beleg für Druckerpapier oder Headset im Home Office. Neben der breiteren Aufstellung unserer Lösung hilft uns auch unserer klarer Fokus auf den deutschen Mittelstand sehr! Denn auch vor Corona waren unsere Geschäftsreisenden nicht diejenigen, die Business Class nach New York flogen, sondern Mittelständler, die zu 85 % ohnehin in Deutschland oder vereinzelt der EU unterwegs sind. Dieses Geschäft hat sich viel besser und schneller erholt als Interconti. Corona hat uns somit glücklicherweise nicht so stark getroffen wie andere Unternehmen der Reisebranche. Nur der Support und Vertrieb war bei uns kurzzeitig in Kurzarbeit, die restlichen Mitarbeiter nicht – und mittlerweile sind wir wieder kräftig am wachsen und stellen auch wieder neue Mitarbeiter ein.

Wie ist überhaupt die Idee zu Lanes & Planes entstanden?
Ich war vor Lanes & Planes beruflich sehr oft zwischen Aachen, Berlin und München unterwegs und es hat mich immer geärgert, wieviel Zeit die Planung und Abrechnung der Reisen mich gekostet hat. Zeit, die sich bei Unternehmen in Kosten quantifizieren und damit bepreisen lassen, wenn man eine Lösung dafür bietet. Natürlich hatten wir, das heißt Daniel und ich, bereits mit der Gründung des Reisevergleichs- und Buchungsportals fromAtoB viel Vorwissen mitgebracht, wie man eine Travel-Plattform baut und worauf es beim Start ankommt.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Wir sind mit der Mission angetreten Geschäftsreisen und alles was dazu gehört zu digitalisieren, da können wir nicht die gleichen alten Gebührenmodelle von Reisebüros anbieten – mit komplizierten Preistabellen was beispielsweise die telefonische Umbuchung eines Domestic-Flugs kostet vs. Online-Buchung einer Bahn-Fahrt. Daher zahlen unsere Kunden für die Nutzung von Lanes & Planes eine monatliche Fixgebühr für die Plattform, plus eine variable Gebühr auf gebuchte Reisen.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Lanes & Planes inzwischen?
Wir sind letztes Jahr um 700 % an Umsatz gewachsen. Heute nutzt eine mittlere dreistellige Anzahl von Unternehmen Lanes & Planes. Besonders stolz bin ich, dass wir auch in der Coronakrise weitere Neukunden gewinnen konnten, sodass wir mittlerweile fast wieder auf dem gleichen Buchungsniveau liegen wie vor Corona.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir pflegten zu Beginn ein “eskalierendes Commitment”, das heißt wir hielten zu lange an Entscheidungen fest, obwohl diese ineffektiv oder falsch waren. Dazu zählen wenig effektive Marketingkampagnen, aber auch die Einstellung von Mitarbeitern, die sich auch nach Monaten nicht gewinnbringend im Unternehmen einsetzten. Hier sind wir mittlerweile sehr viel konsequenter geworden, indem wir vorher Eskalationskriterien zu vordefinierten Zeitpunkten festlegen. Heute legen wir Wert darauf, diese auch dann einzuhalten, wenn die Konsequenz unangenehm ist – zum Beispiel bei der Entlassung von Mitarbeitern.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Die konsequente Einhaltung unserer Vision, nie über Headcount zu skalieren, sondern unserem eigenen Mission-Statement der Digitalisierung treu zu bleiben und alle Backoffice-Prozesse zu automatisieren oder zumindest zum größten Teil zu automatisieren. Das mag sich jetzt nach einem No-Brainer anhören, aber wir haben viele Start-ups in der Skalierung erlebt, die zu spät in ihrem Wachstum dann interne Prozesse doch über manuelle Arbeitsschritte einfangen mussten – mit Leuten, die nicht schnell genug rekrutiert und eingelernt werden konnten. Damit sank sowohl die Qualität als auch die Kundenzufriedenheit, was letztendlich das Wachstum massiv gefährdete. Vielmehr setzen wir geschulte Leute nur dort ein, wo sie echten Kundenwert stiften, wie bei der Implementierung oder bei Problemen auf der Reise. Da möchte man mit einem Menschen sprechen, aber nicht für die Ticketausstellung eines Flugs von München nach Berlin. Gerade dieser hohe Automatisierungsgrad hat uns auch nun massiv in der Coronakrise geholfen, da wir kaum Überkapazitäten hatten und damit sehr schlank auf der Kostenseite.

Wo steht Lanes & Planes in einem Jahr?
Wie sich die Coronakrise weiterentwickeln wird, kann natürlich niemand genau vorhersagen. Aber wir können klar erkennen, was für ein starker Katalysator die Coronakrise für die Digitalisierung darstellt. Damit mag das Gesamtvolumen an Geschäftsreisen zwar noch einige Jahre brauchen, bis es wieder das gleiche Niveau wie 2019 erreichen wird, aber die Wettbewerbslandschaft – vor allem was traditionelle Firmendienst-Reisebüros betrifft -, verändert sich gerade so massiv, dass unser Total Addressable Market unter dem Strich sogar größer wird. Das merken wir gerade bei unseren Neukunden: Champions von Morgen nutzen die Krise für strukturelle Veränderungen, vor allem bei der Digitalisierung von Geschäftsprozessen!

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Foto (oben): Lanes & Planes

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.