#Interview

Ein Startup, das auf dem Rhein surft

"Wir wollen es möglich machen, auch Zuhause diese Art von Lebensstil zu leben, den man zuvor nur aus dem Urlaub oder den Surferstädten kannte. Unserer Meinung nach ist das Lebensgefühl der Traveller und Surfer nicht an einen fernen Ort gebunden", sagt Ben Ickenroth.
Ein Startup, das auf dem Rhein surft
Dienstag, 28. Juli 2020VonAlexander Hüsing

Das junge Kölner Startup surft. bringt “Surf-Lifestyle” an den Rhein. “All das, was unser Surferleben am Meer so außergewöhnlich gemacht hat, machen wir nun hier in Deutschland, mit vielen alten und neuen Freunden. Anscheinend kommt es gar nicht darauf an, wo man ist, sondern was man tut und mit wem man es tut!”, sagt Mitgründer Ben Ickenroth. Im Interview mit deutsche-startups.de stellt er das Konzept von surft. einmal ganz genau vor.

Wie würdest Du Deiner Großmutter surft. erklären?
Hey Omi, ich wohne jetzt wieder in Deutschland! Ja, das Meer und die Sonne fehlen mir schon, aber hier ist halt mein Zuhause. Mach dir keine Sorgen, wir haben uns da etwas überlegt. Wir surfen jetzt einfach auf dem Rhein, anstatt am Meer und fahren am Wochenende Stand-Up Paddlen in der Eifel, anstatt runter zum Strand. Generell, wollten wir nicht sowieso weniger fliegen? All das, was unser Surferleben am Meer so außergewöhnlich gemacht hat, machen wir nun hier in Deutschland, mit vielen alten und neuen Freunden. Anscheinend kommt es gar nicht darauf an, wo man ist, sondern was man tut und mit wem man es tut!

Welches Problem genau wollt Ihr mit surft. lösen?
Wir wollen es möglich machen, auch Zuhause in Deutschland diese Art von Lebensstil zu leben, den man zuvor nur aus dem Urlaub oder den Surferstädten der Welt kannte. Unserer Meinung nach ist das Lebensgefühl der Traveller und Surfer nicht an einen fernen Ort gebunden, sondern entsteht durch das, was man tut und mit wem man es tut. Wir wollen, dass der Montag der beste Tag der Woche sein kann und dass du in deinem Alltag Abenteuer erleben kannst, ohne dass du dafür 24 Stunden nach Bali fliegen musst. Wir erreichen das durch unsere Sports, Lifestyle und Travel Community mit eigenem kleinen Modelabel. Wenn man an einem Mittwoch nach der Arbeit eine Runde auf dem Rhein surfen geht, hinter einer künstlichen Welle am Boot und dann mit nassen Haaren nach Hause kommt, dann ist das ein Weg, sich dieses besondere Lebensgefühl in seinen Alltag zu holen.

Jede Woche entstehen dutzende neue Startups, warum wird ausgerechnet surft. ein Erfolg?
Zuerst einmal wahrscheinlich genau deshalb, weil wir uns um den Erfolg bei der Gründung überhaupt gar keine Gedanken gemacht haben. Wir haben ganz privat für uns selbst überlegt, wie wir uns das Leben in einer deutschen Großstadt erfüllender und aufregender gestalten können. Aus gelegentlichen Ausflügen und einer WhatsApp Gruppe wurde eine Firma, wurde eine Finanzierung, wurde ein StartUp, was nun jede Woche hunderte Menschen bewegt. Wir haben gemerkt, dass wir nicht die einzigen sind, die zwar Geld verdienen und genug Freizeit haben, aber nicht so recht damit zufrieden sind, wie der Arbeits- und Lebensalltag in Deutschland oftmals aussieht. Die positive Rückmeldung und das organische Wachstum basiert augenscheinlich auf den Industrietrends und den Zeichen der Zeit. Weniger Fliegen, lokaler Denken, nachhaltig Leben und bewusst Reisen, sowie eine Work-Life Balance in der Selbsterfüllung durch Sport, Reisen und zwischenmenschliche Beziehungen erreicht wird, wird durch alle Alterschichten immer wichtiger. Wir denken, dass der Kurzurlaub in Asien, genau wie bis 20:00 auf der Arbeit hängen in den kommenden Jahren immer weniger werden wird und dass sich der Markt dahingehend entwickelt, seine Freizeit individualisierter und regionaler zu gestalten. Corona wird auch hier das Denken nachhaltig verändern.

Wer sind eure Konkurrenten?
Es gibt die selben “Old Economy” Wettbewerber, die es schon immer gibt: Fußballvereine, Sportveranstalter, Pauschalreiseanbieter und Eventveranstalter. Aber wir sehen im Markt niemanden, der den Surf und seine Strahlkraft als Katalysator für ein Lebensgefühl nutzt, was in Deutschland eigentlich gar nicht existiert. Unser Fokus auf die Community, eine Gemeinschaft, die einen gemeinsamen Lifestyle teilt, in der Freundschaften entstehen und durch regelmäßige Treffen in unserer Infrastruktur gehalten werden gibt uns die nötige Retention unserer Kunden, um auch langfristig gegenüber den oben genannten Wettbewerbern bestehen zu können. Vielleicht gibt es auch keine direkten Konkurrenten, weil das Konzept zu schräg und noch zu nischig ist. In dieser Nische fühlen wir uns derzeit aber sehr wohl und wir glauben daran, dass neben unserem Startpunkt Köln in Zukunft auch viele weitere deutsche Städte vom Surf Lifestyle ergriffen werden.

Wo steht surft. in einem Jahr?
Wir haben letzten Monat, fünf Monate nach der Gründung, den operationellen Break-Even erreicht und stellen gerade den ersten Mitarbeiter ein – Ziele, die eigentlich erst für 12 Monate geplant waren. Daher schauen wir gerade ganz entspannt in die Zukunft, wollen uns aber auch nicht übernehmen und unsere eigene “Work” Life Balance im Blick behalten. In einem Jahr werden wir den stationären Handel unserer Bekleidungsmarke SaltyConcepts um ein weiteres Ladenlokal erweitert haben, wir werden 2-3 neue Mitarbeiter in Vollzeit haben, die sich allein darum kümmern sich besondere Reisen und Events auszudenken, die es vorher noch nicht gab und wir werden wahrscheinlich mit dem Gedanken spielen, langsam in Richtung Ruhrpott zu expandieren. Unser Ziel ist es einfach, möglichst vielen Menschen einen erfüllenden und aufregenden Alltag zu ermöglichen, ohne dabei unsere Philosophie zu verkaufen oder nicht mehr real zu bleiben. Jede mögliche Expansion wird daher aus eigenen Mitteln finanziert werden.

Reden wir zudem noch über den Standort Köln. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für Köln als Startup-Standort?
Die Kölner sind bekannt für ihren Pragmatismus. Vielleicht ist es gerade diese Unaufgeregtheit, die Köln als Standort attraktiv machen. Auch hier wird einiges an Geld bewegt und große Player aus der Medien- und Eventbranche sitzen hier als Kunden und Partner. Alles findet aber mit weniger Show statt. Die Sparkasse hält hier ein hervorragendes Gründerzentrum und die Infrastruktur aus Coworkings, Accelerators und VC wächst mit jedem Jahr.

Was genau macht den Reiz der Startup-Szene in Köln aus?
Aus meinen früheren Beteiligungen kenne ich die StartUp Szene in Hamburg und Berlin. Als gebürtiger Kölner und Karnevalist hatte ich aber quasi nie eine Wahl, eines Tages zurück in meine Heimatstadt zu ziehen. Ich mag die bodenständige Art der “Szene” hier in Köln. Alleine sie so zu nennen, scheint schon beinahe falsch. Von der Finanzierung über Konzeption, Netzwerk und den Demo Days: Es gibt weniger Gin Tuesday und mehr “mach halt erstmal, dann reden wir”.

Was ist in Köln einfacher als im Rest der Republik?
Für StartUps mit eher klassischen Geschäftsmodellen, die harte Metrics vorweisen können und realistisch irgendwann Geld verdienen können, sehe ich in Köln meiner Meinung nach einen hervorragenden Standort, an dem Geld, Ideen, Drive und Lebensart zusammenkommen. Dadurch, dass die Szene kleiner und familiärer ist, kennt jeder einen, der einen kennt, der einen kennt. Kooperationen und Investments lassen sich über Kontakte beim Kölsch knüpfen, ohne dass große Pitches, gezwungenes Network oder unpersönliche Massenakquise notwendig ist.

Was fehlt in Köln noch?
In Köln fehlt es an weitreichender, branchenübergreifender Akzeptanz und Wertschätzung für Gründergeist und entrepreneurial spirit. Banken, Institutionen, Dienstleister und vor allem die Politik muss verstehen, dass man als StartUp eben nicht vier Monate auf einen Antrag warten kann und das, wenn man neuartige Angebote konzipiert eben nicht alles mit Sicherheit vorhergesagt werden kann. Da sind andere Städte einfach viel weiter. Mit dem Gründerstipendium hat das Land NRW allerdings schon reagiert und einen einfachen und unbürokratischen Weg für early stage Finanzierung geschaffen. Mehr davon!

Zum Schluss hast Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Köln?
Erstens: Mehr Accelerator und Incubator! Nach dem Vorbild von Fond of und Xdeck: Wenn ihr was erreicht habt, gebt etwas zurück und pusht dabei junge Gründer, eure Marke und verdient auch noch Geld damit. Zweitens: Mehr Commitment der offiziellen Stellen. Es liegt richtig viel Geld auf der Straße, wovon niemand etwas weiß, weil die Dinge nur halbgar angegangen werden. Vertraut darauf, dass sich Investments in Firmengründungen und Innovation auf lange Sicht lohnen! Drittens: Ein gescheites HotPot-Restaurant. Es kann nicht sein, dass wir dafür immer noch nach Düsseldorf fahren müssen!

Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness

In unserem Themenschwerpunkt Köln berichten wir gezielt über die Digitalaktivitäten in der Rheinmetropole. Mit circa 400 Startups, über 60 Coworking Spaces, Acceleratoren und Inkubatoren sowie attraktiven Investoren, zahlreichen Veranstaltungen und Netzwerken bieten Köln und das Umland ein spannendes Ökosystem für Gründerinnen und Gründer. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderungs-GmbH#Koelnbusiness auf LinkedInFacebook und Instagram.

KoelnBusiness

Foto (oben): surft.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.