"Fintechisierung"

ING Diba kauft Lendico! Was soll der Jubel?

Die Großbank ING Diba übernimmt Lendico! Und die Finanzpresse jubelt den Deal zum Signal für die Branche, ING Diba zum Trendsetter hoch. Warum? Eine Bank kauft ein Startup, das nie richtig abgehoben ist, weil es wohl scharf auf die Technik ist. Eher eine Verzweiflungstat!
ING Diba kauft Lendico! Was soll der Jubel?
Dienstag, 20. Februar 2018VonAlexander Hüsing

Die gesamte Finanzpresse ist in Aufruhr! ING Diba kauft – wie berichtet – den Online-Kreditmarktplatz Lendico. Finanz-Szene.de jazzt den Exit des Sorgenkindes aus dem Hause Rocket Internet zum “einschneidenden” Ereignis für die deutsche Bankenbranche hoch. ING Diba signalisiere mit der Übernahme, “dass sie so konsequent wie keine andere große deutsche Bank die ‘Fintechisierung’ des eigenen Geschäftsmodells anstrebt”. Das Handelsblatt sieht ING Diba auf dem Weg zum Trendsetter. Für boerse.ARD.de könnte der Deal “Signalwirkung in der Branche haben”.

Lendico, ein Ableger von Rocket Internet, ging 2013 an den Start. Anfangs positionierte sich das Startup als “Marktplatz für Kredite von Mensch zu Mensch”. “Lendico wurde von Beginn an als die digitale Alternative zu Banken entwickelt“, sagte Mitgründer Dominik Steinkühler damals. “Mit Lendico greifen wir dauerhaft die Stellung der Banken an. Unser Marktplatz ist ein neuer Weg zum Kredit und eine neue Anlageklasse.” Als Vorbild diente damals Lending Club.

Wie alle Rocket-Startups expandierte das Gründerteam das Konzept rasch quer durch Europa. Aus Spanien, Polen und Südafrika zog sich Lendico dann im März 2015 wieder zurück. Als Kernmärkte wurden damals Österreich, die Niederlande und vor allem Deutschland ausgerufen. Laut Website ist das FinTech derzeit außerdem noch in Brasilien aktiv. 20 Millionen Euro pumpten Investoren wie Rocket Internet, Access Industries, Holtzbrinck Ventures und der Hedgefonds Arrowgrass 2015 in Lendico. Damals setzte man im Hause Rocket Internet noch voll und ganz auf FinTech. Wie viel Geld insgesamt in Lendico geflossen ist, bleibt offen. Vermutlich aber gab es zum Start bereits eine zweistellige Millionensumme.

Auch das Konzept von Lendico wandelte sich in den vergangenen Jahren massiv. Lendico fokussiert sich längst nicht mehr auf Verbraucherkredite, sondern auf Darlehen für kleine und mittlere Unternehmen. Ein deutlich lukrativeres Segment als Privatkredite. Anfang 2017 machte dann eine geplatzte Finanzierungsrunde rund um Lendico die Runde. Die spanische Bank BBVA verhandelte damals offenbar mit dem Kreditvermittler. Der Deal kam dann aber doch nicht zustande. Anfang Mai 2017 hieß es dann, dass der britische Hedgefonds Arrowgrass vor einer kompletten Übernahme des Kreditmarktplatzes stehe. Diese wurde aber wohl nicht vollzogen. Oder aber es war damals nur eine Mehrheitsübernahme gemeint.

“ING-Diba übernimmt die ECommerce Holding II, deren Hauptbesitz Lendico ist” – berichtet die WirtschaftsWoche zum Deal. Weiter heißt es im Artikel: “An der Gesellschaft halten sowohl Arrowgrass als auch Rocket Internet Anteile, wobei der Hedgefonds die Mehrheit besitze, sagte eine ING-Diba-Sprecherin”. Der Kaufpreis ist nicht bekannt. Zuletzt, also 2016 – bewertete Rocket Internet seinen Anteil an Lendico (damals rund 50 %) mit rund 140 Millionen Euro.

Von ING Diba gibt es bisher nur eine magere Stellungnahme in Sachen Lendico. “Wir sehen im Bereich digital SME sehr viel Wachstumspotential für uns“, sagt ING Diba-Manager Nick Jue. “Mit dem Erwerb gewinnen wir die Zielgruppe der kleinen und mittleren Unternehmen hinzu. Wir sind überzeugt, dass Lendico mit seinem digitalen, sehr effizientem Geschäftsmodell unserer Unternehmensstrategie sehr gut entspricht und wir zusammen stärker wachsen können.”

Einen wirklich spannenden Grund für die Übernahme liefert boerse.ARD.de: “Für die Direktbank ist offensichtlich vor allem die Technologie von Lendico interessant. Mit der Übernahme spart sich das Institut die teure Entwicklung einer eigenen Anwendung”. Dann hätte die Übernahme aber nur bedingt eine “Signalwirkung” für die Branche. Eine Bank kauft ein Startup, das nie richtig abgehoben ist, weil es scharf auf die Technik ist. Dann wäre die Übernahme eine Verzweiflungstat in einem Zukunftssegment. Ein FinTech wird die ING Diba so noch lange nicht. Zumal offen bleibt, was mit Lendico nach der Übernahme wird: Ein Startup mit eigenen Entscheidungsträgern an der Spitze oder nur ein Anhängsel der ING Diba?

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.