Kurt Müller im VC-Interview

“Man muss vorsichtig mit dem Kapital umgehen”

"Wir investieren in das gesamte Team. Daher möchten wir alle Mitglieder kennen lernen und sehen, wie sie interagieren. 95 % Gesprächsanteil des CEOs während der Rest schweigt ist nicht gut", sagt Kurt Müller von Target Partners.
“Man muss vorsichtig mit dem Kapital umgehen”
Montag, 23. Oktober 2017VonAlexander Hüsing

Target Partners aus München gehört zu den äußerst etablierten Kapitalgebern im Lande. 300 Millionen Euro managt das Team rund um Berthold von Freyberg, Waldemar Jantz, Michael Münnix und Kurt Müller. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht Müller (Foto: Zweiter von links) über Millionenbeträge, Due Diligence-Ergebnisse und Geschäftsideen.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Mich reizt vor allem, Gründer zu unterstützen und bei der Entwicklung ihrer Ideen dabei zu sein. Wenn alles funktioniert freut man sich umso mehr, dass am Ende auch eine gute Rendite für unsere Investoren herauskommt.

Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Zu Beginn der 80er habe ich bei Bain & Company in München gearbeitet und danach das Software-Unternehmen Lotus Development als Deutschland-Geschäftsführer hochgezogen. Gefühlt wollte ich aber immer etwas Eigenes auf die Beine stellen und habe so 1986 mein eigenes Software-Unternehmen Dataware gegründet. Die Seed-Finanzierung habe ich hier bekommen, das Venture Capital kam aus den USA. Damals war in Deutschland noch wenig los in Sachen Gründer-Finanzierung. Ende der 80er bin ich zurück nach Boston und habe als CEO zwölf Jahre das Unternehmen aufgebaut – 1993 sind wir mit Dataware an die Börse gegangen. In einer der Venture Capital-Finanzierungsrunden für Dataware habe ich meinen jetzigen Kollegen Waldemar Jantz kennengelernt. Zusammen mit Berthold von Freyberg gründeten wir 1999 in München die Venture Capital-Gesellschaft Target Partners. Seit 18 Jahren bin ich nun Venture Capitalist. Mit 50 Investments sind wir bei Target Partners mittlerweile, was Early Stage und B2B-Tech-Investments angeht, ein deutschlandweit bekannter VC-Geber.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Nicht wirklich. Man muss natürlich vorsichtig mit dem Kapital umgehen und wissen, wie man die Risiken richtig einschätzt. Ich denke aber eher an die positiven Ergebnisse, die man mit den Millionenbeträgen erzielen kann.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Target Partners investiert in der Frühphase und unterstützt Gründer in den verschiedenen Phasen des Lebenszyklus. Wir sind normalerweise der erste institutionelle Investor und beraten die Gründer von Anfang an. In der Regel sind wir drei bis sieben Jahre an einem Unternehmen beteiligt. Unser Fokus liegt auf Märkten, die bereit sind für Innovationen, radikale Veränderungen und starkes Wachstum. Das sind Technologie-Sektoren wie Mobile, Software as a Service, IoT und moderne Datacenter Technologien. Vorwiegend investieren wir in junge Deep-Tech-Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Startup investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Über den Verlauf der Due Diligence entscheiden vor allem die Daten. Jeden Montag besprechen alle Partner gemeinsam die potentiellen Investments und die laufende Due Diligence-Ergebnisse mit dem Ziel, den Deal abzusagen. Finden wir Woche für Woche kein K.O.-Argument, steigt Mal zu Mal die Chance, dass wir investieren. Am Ende entscheiden alle Partner. Das führt dazu, dass wir in der Schlussphase extrem selten absagen.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Target Partners zeichnet unsere langjährige Erfahrung als Unternehmer und Venture Capitalisten aus. Waldemar Jantz macht seit über 32 Jahren Venture Capital, Berthold von Freyberg seit 20 Jahren, ich seit 18 Jahren und Michael Münnix ist seit sechs Jahren bei uns. Das kommt den Startups zu Gute, da wir ihnen helfen, Fehler zu vermeiden und wir ein großes Netzwerk mitbringen. Wer zu unserer Familie hinzustößt, steht auch in Kontakt mit den weiteren CEOs unserer 26 aktiven Portfolio-Unternehmen sowie unseren Venture Partnern.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Hauptwergzeug ist der persönliche Kontakt und eine offenen Kommunikation. Wir setzen uns regelmäßig mit den Gründern und den Management-Teams zusammen. Board Meetings, Konferenzen und Workshops gehören ebenso dazu wie kurze Telefonate und entspannte Abendessen. Zusätzlichen bekommen wir einen monatlichen Bericht zum Status quo.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?
Das Team. Je ausgereifter die Idee und konkreter das Produkt, umso besser. Aber im Frühstadium sind Geschäftsideen nur so gut wie die Menschen im Team, die sie umsetzen.

Wie sieht das ideale Gründerteam aus bzw. gibt es überhaupt das ideale Gründerteam?
Es ist immer gut, wenn die Mitglieder des Gründerteams aus unterschiedlichen Bereichen kommen – sich ergänzende Interessen und Know-hows bringen einige Vorteile. Das Team sollte aber vor allem von seiner Idee überzeugt sein, ein gemeinsames Ziel haben und Großes verwirklichen wollen. Es sollte auch offen für konstruktive Diskussionen und Debatten sein.

Nicht jedes Startup läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Es kommt natürlich vor, dass im Laufe einer Beteiligung die eingeschlagene Geschäftsrichtung nicht funktioniert. Viele Gründer merken selbst, wenn es nicht so läuft, wie geplant. Dann kommt ein Vorschlag zur Änderung des Geschäftsmodells auch meistens von ihnen. Solche „Pivots“ haben wir schon bei mehreren unserer Startups erfolgreich begleitet. Das passiert und ist nicht immer Grund zur Sorge.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Startup die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Eine generelle Antwort auf diese Frage ist schwer zu geben. Wir geben nicht so leicht auf, müssen aber manchmal der Realität ins Augen blicken. Es gibt Fälle, in denen der Markt sich nicht wie erwartet entwickelt oder der Wettbewerb stärker ist, als gedacht, und kein Pivot möglich ist. In anderen Fällen bricht einfach das Team auseinander und ein Ersatz ist nicht in Sicht. Wenn alle Optionen erschöpft sind, müssen auch wir manchmal die Reißleine ziehen.

Wie wichtig und bindend ist ein Businessplan?
Ein Businessplan ist wichtig für den Investoren-Pitch und um eine Grundstruktur für die Entwicklung zu haben. Er sollte als Leitfaden dienen. Aber aus Erfahrung läuft selten alles nach Plan und man muss vor allem in der Frühphase immer wieder Dinge anpassen. Im vertraglichen Sinne ist der Plan normalerweise nicht bindend.

Wie spricht man als Gründer am besten einen Investor an?
Der erste Kontakt zwischen Jungunternehmer und potenziellem Kapitalgeber ist in der Regel eine Kurz-Präsentation, die den Appetit des Venture Capitalisten auf die Geschäftsidee anregen soll. Im Bestfall in Kombination mit einer Empfehlung aus dem Netzwerk des Venture Capitalisten. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit sich persönlich kennenzulernen. Gründer sollten zeigen können, wie groß ihr Unternehmen werden kann, welches Potenzial es hat. Wie groß ist der Markt? Ist das Geschäftsmodel plausibel mit schnellen Wachstumschancen? Kann die künftige Position im Markt gegen Wettbewerb verteidigt werden? Besteht die Chance auf gute Exit Möglichkeiten zu hohen Bewertungen in fünf bis sieben Jahren? Je ausgereifter die Idee ist und je konkreter Gründer ihr Unternehmen, Team, Technologie, Produkt, Markt und Wettbewerb darstellen können, desto einfacher gestaltet sich die Diskussion mit potenziellen Investoren.

Was sollten Gründer vor Investoren niemals sagen oder machen?
Wir investieren in das gesamte Team. Daher möchten wir alle Mitglieder kennen lernen und sehen, wie sie interagieren. 95 % Gesprächsanteil des CEOs während der Rest schweigt ist nicht gut. In diesem Stadium sind Geschäftsideen nur so gut wie das Team, das sie umsetzt. Ohne Team-Geist kommt es selten zum Investment.

Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
360 Treasury Systems, Avast, MySQL, und trivago um ein Paar zu nennen. Man kann leider nicht immer richtig liegen.

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.