Jörg Frohberg im Interview

“Die eigene Frau und Kinder bleiben fürs Leben”

"Ein Start-up ist immer eine Art Ehe auf Zeit. Ein Start-up kann scheitern. Familie ist aber nie zu Ende. Die eigene Frau und Kinder bleiben fürs Leben und so sollte man es auch in seinem Leben priorisieren", sagt Jörg Frohberg, Mitgründer von merolt und vierfacher Familienvater.
“Die eigene Frau und Kinder bleiben fürs Leben”
Mittwoch, 22. März 2017VonAlexander Hüsing

Jörg Frohberg ist nicht nur Mitgründer von merolt, einen Hoteldienst für Geschäftsreisende, sondern auch vierfacher Familienvater. Während es aber haufenweise Artikel und Berichte darüber gibt, wie Gründerinnen ihren Gründeralltag mit Kind und Kegel managen, gibt es kaum Gründer, die offen über ihre Doppelrolle als Vater und Gründer reden. “Es wird, insbesondere von einem Gründer, erwartet, dass man immer verfügbar ist, immer performt und alles bedingungslos dem Start-up unterordnet. Die meisten verstecken daher ihre familiäre Rolle, um in der öffentlichen Wahrnehmung oder bei Investoren nicht als “uncommitted” zu gelten”, sagt Frohberg im Interview mit deutsche-startups.de.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Dein Start-up erklären?
Ganz einfach. Wir ersetzen die geistige Verbindung von Geschäftsreise gleich nervenaufreibend mit der Gleichung Geschäftsreise gleich sorgenfrei. Das heißt, wo aktuell mit der Planung, Buchung, Durchführung und Abrechnung einer Geschäftsreise eine riesige Menge nerviger händischer Schritte verbunden sind, setzen wir Stück für Stück einen einzigen ganz einfachen Arbeitsschritt. Alles dampft zu einer unkomplizierten und angenehmen Reise ohne lange Vor- oder Nachbereitung zusammen.

Wie hat sich Euer Konzept, Eurer Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren verändert?
Am Anfang haben wir mit den einzelnen Leistungsträgern – Hotels etc. – selbst verhandelt und uns alleinig auf den Preis konzentriert. Es hat eine Weile gedauert, bis wir verstanden haben, dass es auf den Preis gar nicht so sehr ankommt. Was die Leute in den Wahnsinn treibt, ist das ganze Drumherum. Das Abstimmen, wann es wie wo hin gehen soll? Welche Optionen und Varianten es gibt. Wie das alles zu buchen ist und nach welchen Richtlinien. Wo die ganzen Unterlagen sind und wie man da hin kommt, wo man hin muss und – mit am schlimmsten – wie man den dabei entstandenen Wust an Belegen und dergleichen auch noch richtig abrechnet – wobei hier “richtig“” im Sinne der deutschen Finanzbehörden zu verstehen ist.

Du bist nicht nur Gründer, sondern auch vierfacher Familienvater. Wie bekommst Du den Spagat zwischen Familienleben und Gründeralltag hin?
Am liebsten würde ich nicht von Spagat sprechen, sondern von zwei tollen Seiten einer Medaille. Aber klar, es gibt Tage, da ist es ein klarer Spagat, denn auch meine Frau ist als Wissenschaftlerin häufig voll eingeplant. Schwierig wird es vor allem immer dann, wenn bei uns beiden Geschäftsreisen auf die gleichen Tage fallen. Als erstes geht es also um ein maximal gutes Organisiertsein. Wir haben dazu verschiedene Stufen und Instrumente entwickelt bzw. adaptiert, um hier im ganz klassischen Projektmanagementsinn “ontop of things” zu sein. Das ist nicht immer einfach, klappt in der Regel aber recht gut.

Wo klappt es nicht so gut?
Schwieriger ist es im Kopf Startup und Familie unter einen Hut zu bringen. Gerade wenn einmal wieder eine Finanzierungsrunde oder ein wichtiges Release anstehen, sind die Gedanken nicht klar zu Hause. Und das ist sicherlich das Unklügste, was man machen kann. Wir haben eine klare Regel: Wenn einer von uns zuhause ist, dann ist er – oder sie – ganz zuhause und wenn er auf Arbeit ist, dann gilt nur Arbeit. Wenn die Kinder aber im Bett sind, geht es aber natürlich auch zuhause mit der Arbeit weiter. Das ist im Gründeralltag notwendig.

Kannst Du auch mal abschalten?
Für mich ist aber wichtig, dass das nicht selbstverständlich wird. Gerade Wochenenden sind, wie ich es bereits als Unternehmensberater gehandhabt habe, heilig. Da bleibt die Arbeit, außer es brennt irgendwo, definitiv draußen. Und man muss mit der Familie Punkte und Erlebnisse schaffen, aus denen klar hervor geht, dass die Familie an erster Stelle steht und das Startup danach kommt. Das sehe ich jedenfalls so, mag sein, dass andere das anders sehen. Aber ein Start-up ist immer eine Art Ehe auf Zeit. Ein Start-up kann scheitern. Ein Start-up kann sich wandeln. Ein Start-up kann oder will vielleicht gekauft werden. Damit ist das Thema – auch wenn es ein nächstes Start-up geben kann – irgendwann zu Ende. Man klappt den Laptop zu und beschäftigt sich damit nie wieder. Familie ist aber nie zu Ende. Die eigene Frau und Kinder bleiben fürs Leben und so sollte man es auch in seinem Leben priorisieren.

Generell sprechen nur wenige Gründer über ihre Doppelrolle als Gründer und Vater – woran mag das liegen?
Das stimmt. Es wird, insbesondere von einem Gründer, erwartet, dass man immer verfügbar ist, immer performt und alles bedingungslos dem Start-up unterordnet. Die meisten verstecken daher ihre familiäre Rolle, um in der öffentlichen Wahrnehmung oder bei Investoren nicht als “uncommitted” zu gelten. Ich finde, das genaue Gegenteil ist der Fall. Wer ein, zwei oder mehr Kinder hat, ist zumeist ein sehr ernsthafter Mensch, zumindest jemand der im Leben schon gereift ist. Das heißt wenn so jemand ein Unternehmen gründet, dann macht er das nicht aus Lust und Laune, sondern hat sich dabei etwas gedacht. Er oder sie hat einen Plan und sich zumeist die Sache mit der Gründung gut überlegt, denn mit einer Familie sind klare und teils enorme finanzielle Verpflichtungen verbunden. Da gründet man nicht einfach mal aus Spaß, um mal zu sehen, was passiert und beim ersten Widerstand wieder aufgibt.

Einfach ist es aber nicht immer, oder?
Mit merolt und meinen vorigen Start-ups sind wir bereits durch einige harte Zeiten gegangen. Wenn man sich bei so etwas nicht vorher schon einmal überlegt hat, wie man zum Leben steht, was man wirklich will, kann das schnell nach hinten los gehen – und dann haben Mitarbeiter, Investoren etc. die A-Karte gezogen. Wer Familie hat, ist da viel beständiger und qua Kindergroßziehen schon einiges gewohnt, was Schlafentzug, komplexe Sachverhalte, Führung oder Streit angeht. Das sind alles Assetts, die ein Gründer ohne Familie erst über Jahre hart in anderen Situationen selbst erwerben muss. Wer sich auch nur ein bisschen mit seinen Kindern beschäftigt hat – bringt das alles schon „on the fly“ mit.

Sind Väter und Mütter somit die besseren Gründer, die besseren Chefs?
Ich denke grundsätzlich gibt es viele Faktoren, die dazu beitragen, was einen guten oder schlechten Chef ausmacht. Sicherlich ist die Erfahrung Kinder zu erziehen, unheimlich hilfreich, da man Situationen durchlebt und dazu Erfahrung sammelt, die auch in einem Team vorkommen können, etwa Meinungsverschiedenheiten, Neid, Ablehnung bis hin zu Streit uvm. Aber es gibt viele weitere Aspekte, die eine gute Führungskraft ausmachen. Das lässt sich nicht einfach auf den Unterschied Eltern oder Nicht-Eltern runterbrechen. Und es hängt davon ab, ob der- oder diejenige, die tatsächlich führen, auch zuhause mit anpacken. Wenn man jeden Tag nach 21 Uhr nach Hause kommt, wird man erstens nicht viel mitkriegen und zweitens wenig diesbezüglich lernen.

Viele junge Unternehmen scheren sich junge Mütter bzw. Väter einzustellen. Vermutlich weil die Unternehmen Angst haben, dass es zu vielen Fehlzeiten kommt. Wie sieht dies bei Euch aus?
Wir haben eine Quote von 46 % Eltern im Team. Ich denke, das ist eher über dem Durchschnitt. Mit Fehlzeiten hatten bzw. haben wir keine Probleme. Bei uns kniet sich jeder rein, ganz unabhängig davon ob er Kinder hat oder nicht. Klar, wenn ein Kind krank ist und keine Alternative für eine Betreuung in der Zeit da ist, bleibt der- oder diejenige zu hause. Aber dann wird halt abends oder am nächsten Tag nochmal extra angepackt, um die Aufgaben zu schaffen. Ich denke, dass Eltern im Team zu haben, einerseits zur Diversität – Abbildung der gesellschaftlichen Realität – beiträgt und andererseits es meistens reife Persönlichkeiten sind, die positiv die Kultur im Unternehmen beeinflussen. So wird mancher Streit relativ schnell vernünftig beigelegt oder er entsteht erst gar nicht. Generell sehe ich aber bei Vätern und Müttern nichts Erwähnenswertes. Kinder haben gehört für mich einfach dazu. Das ist eine gesellschaftliche Normalität. Unternehmen, die keine Eltern einstellen, wäre wie ein Land wo nur Männer oder nur Frauen wohnen. Es würde nicht funktionieren.

Blick’ bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren bei merolt so richtig schief gegangen?
Erst einmal, die erste Iteration von merolt. Das war ein voller Reinfall. Von dem haben wir aber unheimlich viel gelernt und von der in dieser Zeit aufgebauten Expertise und Kontakten zehren wir noch heute. Und ansonsten natürlich die eine oder andere naive Vorstellung, wie das oder jenes zu funktionieren hat oder funktionieren könnte. Das gilt für’s Geschäftsmodell, technische Umsetzbarkeit, aber auch das Leben in der Familie, das heißt Aufteilung von Aufgaben, Absprachen. Es sind viele kleine Dinge, die manchmal so richtig in die Hose gehen, aber daraus bildet man den eigenen Erfahrungsschatz, aus den man schöpfen kann – das macht das Leben aus. Das nimmt man überall hin mit und kann es direkt einsetzen und anwenden.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Mit dem Gründen und der Familie. Ich habe meine Frau schon früh kennengelernt und wir wussten, wir gehören zusammen. Von daher gab es nicht die Frage, ob Kinder, sondern nur, wie viele und wann. Wir wollten nie nur ein Kind haben. Da entsteht kein richtiges Team oder Wir-Gefühl. Mit drei oder vier Kindern, entsteht eine ganz eigene Welt, die unheimlich voll ist, da sie von mehreren Menschen gefüttert wird. Das ist nicht anders als in einem Unternehmen. Ein Unternehmen mit einem Mitarbeiter ist kein Unternehmen. Das ist ein Selbstständiger oder Freelancer. Genau so haben wir es mit unserer Familie gesehen. Das müssen schon ein paar mehr sein, damit es richtig Spaß macht und das an Familie zum Tragen kommt, was das tolle ist. Da sind nicht nur zwei oder drei Einzelpersonen, die unter einem Dach wohnen, sondern eine einzigartige Mischung und Atmosphäre, die von allen getragen wird. Mir macht es unheimlich Spaß und es bereitet mir tiefes Glück, wenn ich mit meiner Familie unterwegs bin. Dann weiß ich, warum ich auf dieser Welt bin und genieße die Gespräche, aber auch die Auseinandersetzungen. Und eine bzw. mehrere Unternehmen zu gründen, war genau die richtige Entscheidung. Auch wenn ich bereits als angestellter Arbeitnehmer unterwegs war, gibt es keine Stelle auf der Welt, wo man so schnell, so viel lernen kann. Was ich in meinen Jahren als Gründer gelernt habe und an persönlichem Wachstum durchlaufen habe, kann man meines Erachtens in keinem Angestelltenverhältnis der Welt erfahren. Das gibt es einfach nirgends – das sind wahrhaft exponentiell steile Lernkurven in jeder Hinsicht. Und die Kontakte und Industrieeinsichten sind natürlich auch unbezahlbar.

Wo steht merolt in einem Jahr?
Wir werden in einem Jahr unsere Kundenbasis mindestens verzehnfacht haben und sind auf dem Stück Geschäftsreisen endlich sorgenfrei zu machen, ein riesen Stück weiter. Das sind einerseits technische Schritte, die zu einer Automatisierung bisher manueller Handlungen beitragen und andererseits eine Abrundung des Offerings in vielerlei Hinsicht von Flug über Reisekostenabrechnung bis hin zu Team Offsites. Das heißt wir bieten einen einheitlichen und einfachen Weg an, alle Hürden, die einem bei Geschäftsreisen im Wege stehen mit Leichtigkeit zu nehmen – ja sogar einfach von der Bahn wegzusprengen.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.