Samuli Sirén im VC-Interview

“Bei der Entscheidung ist ein großes ‘Bauchelement’ dabei”

"Ich habe Lieferheld bei 18 Millionen Euro pre-money abgesagt. Höchstwahrscheinlich ist das eine dumme Entscheidung von mir gewesen - zum Glück kenne ich ganz viele, die es auch abgelehnt haben", sagt Samuli Sirén vom Berliner Geldgeber Redstone Digital.
“Bei der Entscheidung ist ein großes ‘Bauchelement’ dabei”
Montag, 13. März 2017VonAlexander Hüsing

Redstone Digital aus Berlin bringt seit Jahren Start-ups und Investoren zusammen. Der Geldgeber kümmert sich in Namen von Investoren wie Berliner Volksbank Ventures, KPMG Capital und Vogel Ventures um die Auswahl, Anbahnung und den Abschluss von Investments. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht Redstone Digital-Macher Samuli Sirén über Szenarien, Kennzahlen und mentale Aufgaben.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Geld ist ein Mittel zum Zweck – ein Zugang, um in coolen Projekten dabei zu sein. Somit reizt mich das Geld-Investieren an sich nicht, sondern dass damit eine spannende Firma aufgebaut wird. Unser eigenes Geschäftsmodell beruht natürlich darauf, dass wir Geld vermehren wollen. Somit ist das immer auch Teil unserer Perspektive, aber nicht ausschließlich.

Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Ich kann aus meiner Sicht nur sagen, dass ich Ende 90er Jahre selbst die ersten VC-Gelder für mein Start-up sammelte und schon damals daran dachte, dass ich eines Tages ein VC werde möchte. Es hat dann noch mehr als zehn Jahre gedauert, bevor ich das Gefühl hatte, dass ich dafür erfahren genug bin. Der Rest waren dann Zufälle und Opportunitäten, die ich angenommen habe.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Anfangs hat man schon sehr viel Respekt, besonders weil auch das Handwerkliche noch nicht ausgefeilt ist. Wenn man dann aber die „Prüferei“ drauf hat und es ein paar Mal gemacht hat, wird es langsam weniger spannend. Schwer ist es dann, später bei seinen eigenen Kriterien zu bleiben und sich nicht von “Hypes” oder Überbewertungen leiten zu lassen.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Unser Geschäftsmodell ist für Limited Partners einmalig, aber als Investor sind wir sehr vergleichbar mit anderen VCs. Das wirklich Spezielle ist, dass wir mit einzelnen Fonds von Konzernen arbeiten und aus diesen sehr fokussiert investiert wird. Somit sind wir kein strategischer Investor, verlangen also keine Sonderrechte, sondern “normale” VC-Terms. Dazu kommt, dass wir durch unsere Industriepartner über enormes Branchenwissen und das entsprechende Netzwerk verfügen.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Aufgrund unseres Modells sind wir in der Lage, diverse Kontakte zu Konzernen aufzubauen und können auf echtes Fachwissen zurückgreifen. Letztlich ist das Produkt als Investor aber vor allem das investierte Geld. Wir erwarten, dass das Management das Operative im Griff hat. Wir coachen die Beteiligungen und wir helfen bei der Strukturierung der weiteren Runden. Auch in Sachen Strategie, Legal oder HR können wir durchaus mithelfen.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Start-up investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Natürlich analysieren wir Unternehmen sehr detailliert, aber bei der letzten Entscheidung ist ein sehr großes “Bauchelement” dabei.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Wir nutzen keine speziellen Tools – Email und Telefon sind unsere wichtigsten Kanäle, ergänzt um regelmäßige persönliche Treffen mit den Teams. Darüber hinaus steuern wir die Portfolien natürlich über operative und finanzielle Kennzahlen, typischerweise monats- oder quartalsweise.

Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Einer der Grundzüge des VC-Business ist, dass man sich als Investor auf die gut laufenden Beteiligungen fokussiert. Somit müsste man die Unternehmen in Schieflage schnell fallen lassen, dass schaffen wir aber auch nicht direkt. Somit arbeiten wir aktiv mit, um alternative Szenarien abzubilden und geben gelegentlich Brücken-Finanzierungen.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Wenn das Management mental aufgibt, nicht mehr an das eigene Unternehmen oder die Idee glaubt.

Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Die Liste ist viel zu lang. Ich habe Lieferheld bei 18 Millionen Euro pre-money abgesagt. Höchstwahrscheinlich ist das eine dumme Entscheidung von mir gewesen – zum Glück kenne ich ganz viele, die es auch abgelehnt haben.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.