Frank Barth im Interview

“Der Pivot wurde durch die Nutzer getrieben”

"Vertraue den Zahlen, nicht deinem Herz. Das erste Startup oder Produkt ist immer auch etwas Emotionales, trotzdem sollte man bei Zeiten erkennen, wenn der erste Ansatz nicht funktioniert und schnell reagieren", sagt Frank Barth, Mitgründer des TV-Streaminganbieters Couchfunk.
“Der Pivot wurde durch die Nutzer getrieben”
Donnerstag, 8. Dezember 2016VonAlexander Hüsing

In unserem Themenschwerpunkt Pivot geht es um Start-ups, die ihren Kurs geändert haben. Grundsätzlich hat sich ein strategischer Kurswechsel bei vielen Startups bewährt. Statt ein totes Pferd zu reiten, ist ein Pivot immer die bessere Entscheidung. Im Pivot-Interview mit deutsche-startups.de spricht Frank Barth, Mitgründer des TV-Streaminganbieters Couchfunk, über Bedürfnisse, Veränderungen und Zahlen.

Couchfunk wurde in den vergangenen Jahren von einem Social-TV-Anbieter zum TV-Streaminganbieter. Warum habt ihr Euer Geschäftsmodell geändert?
Wir sind 2011 mit dem Ansatz gestartet, dass man Social Media und TV per App verknüpfen sollte. Auch wenn der Social TV-Ansatz viel zu stark von den Formaten im Fernsehen abhängig war, konnten wir innerhalb der Apps sehen, welche Funktionen dennoch gut bei den Nutzern ankamen. Zum damaligen Punkt war – retrospektiv – bereits absehbar, dass die User-Akquisition für das neue Wort “Social TV” zu schwierig ist. Die Funktion, die bei den Nutzern ankam und auch von allen verstanden wurde, war letztlich der TV-Programm-Guide – EPG.

Was war die Konsequenz daraus?
Wir haben uns getraut dieses Produkt als Stand-Alone-Version zu veröffentlichen. Es war spannend zu beobachten, wie gut dieser Teil des Produktes im Markt ankam und letztendlich auch eine schöne Bestätigung, dass man nicht völlig am falschen Produkt gearbeitet hat, sondern entsprechend härter auf bekannte Bedürfnisse optimieren musste. Der zweite Pivot, hin zu Live-TV per Internet – OTT -, wurde durch die Nutzernachfrage getrieben.

Wie genau sah dies aus?
Uns haben viele Leute geschrieben, dass sie auch gerne die Programme innerhalb der App anschauen wollen. Als sich für uns tatsächlich die Möglichkeit auftat, Live-TV in die Apps zu integrieren, haben wir diese genutzt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das noch nicht die letzte Veränderung war, die wir mit TV.de vor uns haben.

Was war die größte Herausforderung, was die größte Schwierigkeit bei diesem Wandel?
Wir hatten damit nie ein Problem, aber ich kann mir vorstellen, dass es für viele Gründer schwierig ist, die Ursprungsvision Ihres Produkts aufzugeben. Natürlich musst Du auch dein Team und die Investoren auf diesen Weg mitnehmen, was natürlich einen hohen Zeitaufwand mit sich bringt, sich aber letztendlich für alle auszahlt, wenn der Pivot gelingt.

Wie haben etwa Eure Investoren auf Euren Pivot reagiert?
Hier kann ich nur positives Berichten. Letztlich wollen alle, dass die Firma erfolg hat. Dementsprechend ziehen hier auch alle an einem Strang, wenn absehbar ist, dass der Pivot sinnvoll ist.

Wie genau habt ihr das Team in den Wandel einbezogen?
Wir haben uns Gedanken gemacht, wie der jeweilige Wandel zur Firma passt und welche neuen Möglichkeiten sich für uns dadurch ergeben. Zu jedem Wandel gab es dann natürlich eine Evaluation, sowohl von wirtschaftlicher Seite, als auch auf Umsetzungsseite. Spätestens ab diesem Zeitpunkt haben wir konkrete Ideen auch ins Team getragen. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, an so einem kritischen Punkt Mitarbeiter vor vollendete Tatsachen zu stellen, ohne genau zu wissen, welche Aufwände der Pivot mit sich bringt.

Hat sich der Wandel insgesamt gelohnt?
Uns gibt es noch, das alleine ist doch schon Lohn genug. Spaß beiseite, es wird einem leider nichts geschenkt, aber aus Firmensicht kann ich sagen, dass sich bisher fast jeder neue Schritt nach der Ursprungsidee ausgezahlt hat.

Welchen Tipp gibst du anderen Gründern, die vor einem Pivot stehen?
Das ist natürlich super individuell für jeden Gründer, aber ich möchte gerne etwas aus den Erfahrungen mitgeben, die ich selber machen durfte. Vertraue den Zahlen, nicht deinem Herz. Das erste Startup oder Produkt ist immer auch etwas Emotionales, trotzdem sollte man bei Zeiten erkennen, wenn der erste Ansatz nicht funktioniert und schnell reagieren. Auch wenn es weh tut, trenne dich lieber zeitig von Mitarbeitern, die den Pivot nicht 100% mittragen wollen, oder die danach in der Firma nicht zu 100 % benötigt werden. Wenn das erste Produkt nicht sofort funktioniert, fühlt sich das auch ein bisschen wie eine Niederlage an. Dieses Gefühl sollte man schnellstmöglich ablegen und nach vorne schauen.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.