Gastbeitrag von Amber Riedl

Growing Pains: So verändert sich ein Start-up in 3 Jahren

Wenn man ein Startup gründet, steht man vor der Aufgabe, eine sehr kleine Gruppe von Leuten einen maximalen Umfang an Arbeit erledigen zu lassen - und natürlich selbst überall mit anzupacken. Die Personen, die von Anfang an dabei sind, sind in der Regel besonders kreativ, motiviert, engagiert. Das schweißt zusammen.
Growing Pains: So verändert sich ein Start-up in 3 Jahren
Freitag, 16. September 2016VonTeam

Vor drei Jahren haben Axel Heinz und ich die Online-Handarbeitsschule Makerist gegründet. Aus einer guten Idee heraus, einer Marktlücke, viel Recherche, Engagement und Mut. Unsere Reise ist noch lange nicht zu Ende und doch sind drei Jahre für ein Start-up eine Menge. Die Zeit vergeht so schnell und ist so intensiv, dass man sie fast wie “Hundejahre”, also mal sieben, rechnen könnte. Für Axel und mich bedeuten drei Jahre, dass wir es eigentlich geschafft haben. Wir sind längst noch kein gigantisches Unternehmen, aber doch erwachsen. Und mit Wachstum gehen sie einher: die Wachstumsschmerzen.

Wenn man ein Startup gründet, steht man vor der Aufgabe, eine sehr kleine Gruppe von Leuten einen maximalen Umfang an Arbeit erledigen zu lassen – und natürlich selbst überall mit anzupacken. Die Personen, die von Anfang an dabei sind, sind in der Regel besonders kreativ, motiviert, engagiert. Das schweißt zusammen. Jeder einzelne arbeitet an 100 Baustellen, ist super schnell, beweglich, flexibel, belastbar. Genau das ist zu Beginn gefragt: flink und besser als andere auf Chancen am Markt reagieren zu können. So war das Totschlagargument “Ist halt Startup-Style” im Zusammenhang mit dem Einsatz für fachfremde Bereiche bei uns so allgegenwärtig, dass es heute als interner Firmenspruch unsere Kaffeetassen ziert. Den Running Gag gibt es immer noch. Doch er wird seltener genutzt: Wenn sich wieder einmal Prioritäten ändern oder Mitarbeiter eine Zero-Budget-Lösung für Probleme finden müssen.

Wenn die Firma wächst, wird die Sache schwieriger: Jetzt muss eine größere Anzahl von Mitarbeitern motiviert werden, einen Mammutberg an Arbeit zu bewältigen – und sich dabei gegenseitig auch noch optimal auf dem Laufenden zu halten. Die Herausforderung dabei ist, den Spirit und Stil vom Start beizubehalten, den richtigen Leuten die richtige Stelle zu geben und alle auf die gleichen Ziele zu polen, obwohl jedes Team zusätzlich seine eigenen Meilensteine im Auge behalten muss.

Doch selbst wenn man ein Ziel hat, gibt es immer verschiedene Wege dahin. Wird man größer, wachsen die Ziele entsprechend mit und um an sie heran zu kommen, braucht man immer öfter einen durchdachten, sehr gezielten Weg. Für mich bedeutete das: mehr Kompetenz aneignen und mein Netzwerk nutzen. Zu Beginn macht man ein bisschen von allem, und das meist ausreichend gut. Doch es kommt der Moment, an dem wir Gründer uns Personen aussuchen und einstellen müssen, die in ihrer Branche versierter sind als wir selbst, um die Firma nicht mehr nur gut, sondern großartig zu machen. Für das Unternehmen ist das natürlich toll, für das eigene Ego aber nicht immer so leicht.

So muss man sich als Gründer immer wieder anpassen. Man muss loslassen lernen und nicht nur delegieren können, sondern mit einem lachenden und einem weinenden Auge immer mehr Staffelstäbe abgeben. Man muss sich aus dem Tagesgeschäft zurück ziehen, um den Überblick über das große Ganze zu behalten und strategisch reagieren zu können. Weil man zu diesem Zeitpunkt meist noch längst nicht alle Leute beisammen hat, die man benötigt, muss man trotzdem hin und wieder ins Operative eintauchen. Die Balance zu finden ist eine echte Herausforderung. Wieviel Operatives kann man übernehmen und trotzdem genug Zeit für Management und Top-Level-Themen finden? Mehr Leadership und weniger Alltagsarbeit, daran muss man sich erst einmal gewöhnen.

Am Anfang waren wir gerade einmal 3 Personen; nach 3 Jahren sind wir 35. Das darf man wahrscheinlich überhaupt nicht erzählen, aber es ist mir schon passiert, dass jemand Neues im Büro saß und ich weder wusste, wie die Person heißt, noch warum sie da war. Doch das gibt es auch umgekehrt: Der schmerzhafte Moment kommt, in dem man sich zum ersten Mal von Mitarbeitern trennen muss, die von Anfang an dabei oder allgemein besonders viel im Unternehmen bewirkt haben. Im Start-up-Sprech nennt man das “Churn” und der ist laut Gimlet Medias Podcast “Startup” natürlich üblich, wenn man wächst. Nicht alle Mitarbeiter, mit denen gestartet wurde, sind später auch diejenigen, die sich hervorragend spezialisieren und die Firma zu einer acht- oder neunstelligen Bewertung bringen werden. Trotz, dass ein Abschied nach mehreren Jahren in der Szene gang und gäbe ist, wird er sich immer seltsam anfühlen. Und doch ist er auch immer eine Chance zur Weiterentwicklung.

Schon verrückt: Man gründet ein Startup meist wegen einer Idee, aber kaum jemand denkt an die vielen HR-Themen, mit denen man sich letztlich auseinandersetzen muss und die sich maßgeblich auf die Gesamtstimmung auswirken. Welche Stelle benötigt man wirklich als nächstes? Wie viele Ressourcen will man den verschiedenen Abteilungen geben? Man muss schauen, dass sich eine Org-Chart nicht in eine Disorg-Chart verwandelt. Diese Art von HR und Budgetplanung definiert den Weg für das Startup längerfristig, und das alles perfekt zu durchdenken, ist eine echte Übung in Sachen Priorisierung und Kommunikation.

Ich versuche stets darauf zu achten, dass wir bei Makerist den gemeinsamen Fokus nicht aus den Augen verlieren – und das wird bei stetem Wachstum und vielen guten Ideen für viele Bereiche immer eine Herausforderung bleiben. Es ist okay, die #GrowingPains ab und an zu reflektieren und hier und da ein wenig Nostalgie zuzulassen. Wichtig ist, sie dann auch wieder ruhen und hinter sich zu lassen. Denn nur, was sich ändert, bleibt bestehen!

Zur Autorin
Amber Riedl ist Gründerin der Online-Handarbeitsschule Makerist.

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Foto (oben): Shutterstock