Internet-Maut durch die Hintertür

Telekom liebt Start-ups nur, wenn sie zahlen

Telekom-Chef Timotheus Höttges will bei Start-ups abkassieren, wenn sie künftig eine "gute Übertragungsqualität" haben möchten. "Nach unseren Vorstellungen bezahlen sie dafür im Rahmen einer Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent", schreibt er und nennt das Ganze einen "fairen Beitrag".
Telekom liebt Start-ups nur, wenn sie zahlen
Donnerstag, 29. Oktober 2015VonAlexander Hüsing

Netzneutralität ist ein schwieriges Thema. Ein Thema, dass leider auch kaum jemanden interessiert. Sollte es aber, denn die Telekom, die zuletzt nicht immer startup-freundlich gehandelt hat, sieht in der Verordnung der Europäischen Union zur Netzneutralität eine Lizenz zum Abkassieren. Vor allem bei Start-ups will der Konzern, der selbst in Start-up investiert, abkassieren. Denn künftig wird es möglich sein, Daten zu unterscheiden und dabei sogenannte Spezialdienste, ein sehr dehnbarer Begriff, schneller durch die Leitungen zu schicken.

Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, spricht in einem Beitrag im hauseigenen Blog nun ziemlich genau an, worum es ihm dabei geht: “Das Internet ist vielfältig und bringt Dienste hervor, an die bis vor kurzem noch niemand gedacht hat. Das fängt bei Videokonferenzen und Online-Gaming an und geht über Telemedizin, die automatisierte Verkehrssteuerung und selbststeuernde Autos bis zu vernetzten Produktionsprozessen der Industrie. Gemeinsam haben diese Dienste, dass sie andere, teilweise höhere Qualitätsanforderungen haben als das einfache Surfen oder die E-Mail, die auch ein paar Millisekunden später ankommen kann. Eine Videokonferenz sollte beispielsweise auch zu Stoßzeiten im Netz nicht ins Stocken geraten. Deshalb muss die Möglichkeit bestehen, dass die Daten empfindlicher Dienste im Stau Vorfahrt bekommen”.

Am Stau vorbei kommt man künftig aber nur, wenn man zahlt, der Telekom Geld in den Rachen wirft. “Gegner von Spezialdiensten behaupten, kleine Anbieter könnten sich diese nicht leisten. Das Gegenteil ist richtig: Gerade Start-Ups brauchen Spezialdienste, um mit den großen Internetanbietern überhaupt mithalten zu können. Google und Co. können sich weltweite Serverparks leisten, damit die Inhalte näher zu den Kunden bringen und die Qualität ihrer Dienste so verbessern. Das können sich Kleine nicht leisten. Wollen sie Dienste auf den Markt bringen, bei denen eine gute Übertragungsqualität garantiert sein muss, brauchen gerade sie Spezialdienste”, schreibt Höttges weiter.

Wie genau die Start-up-Zukunft bei der Telekom aussieht, steht in diesen Sätzen: “Nach unseren Vorstellungen bezahlen sie dafür im Rahmen einer Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent. Das wäre ein fairer Beitrag für die Nutzung der Infrastruktur. Und es sorgt für mehr Wettbewerb im Netz”. Das Wort “fair” in diesem Zusammenhang überhaupt zu benutzen ist schon dreist. Dass dadurch dann aber “mehr Wettbewerb im Netz” entsteht, ist quasi eine Ohrfeige ins Gesicht von jedem Gründer. “Gute Übertragungsqualität” nur noch Unternehmen zu gewährleisten, die zahlen, ist Erpressung, dass muss man in dieser Deutlichkeit schreiben. Die Telekom, noch immer zu 31,7 % in Staatsbesitz, bedroht damit den Start-up-Standort Deutschland!

Passend zum Thema: “So lebt die Telekom das Streitthema Coop-petition

Foto: Denial of the holiday Valentine’s Day: crossed heart with the words: Bullshit! from Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.