Henning Kosmack im Interview

“Es gibt in München etwas weniger Wechsel-Hype”

"In Berlin gibt es stets ein bis zwei Unternehmen, die gerade super angesagt sind, weil sie einen schicken Promi-Investor haben. Das muss dann nicht immer nachhaltig sein, aber so entsteht natürlich eine sehr hohe Fluktuation, gerade bei guten Leuten", sagt Henning Kosmack von MegaZebra.
“Es gibt in München etwas weniger Wechsel-Hype”
Dienstag, 22. September 2015VonAlexander Hüsing

Die bayerische Hauptstadt ist immer eine Reise wert – auch für alle, die sich für Start-ups interessieren – hier entlang zu unserem Themenschwerpunkt München. In München gibt es nicht nur eine lebendige Gründerszene, die sich gerne untereinander austauscht, sondern auch viele bekannte und große Start-ups – siehe auch unseren Start-up-Lotsen für München. “München ist das Eldorado für Start-ups“, schrieb Garan Goodman, Managing Director Wayra Deutschland, kürzlich sogar. Wir reden mit heute Henning Kosmack, Mitgründer von MegaZebra, über München.

Reden wir über München. Wenn es um Start-ups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für München als Start-up-Standort?
Es spricht vieles für München, was auch der Grund ist, warum wir hier gestartet sind und immer noch alles aus München heraus machen. Ich sage immer: Berlin is the Capital, Munich has the capital. Klar, das ist etwas plakativ, und es ist auch so, dass immer mehr VCs sich auch in Berlin ansiedeln, aber in München ist immer noch so viel Geld, was zum einen für Finanzierungsrunde nützlich ist, aber auch später im Prozess. Hier sitzen großen Firmen, die als Partner fungieren können oder als Käufer. Aber, was essentiell ist für ein erfolgreiches Unternehmen, ist natürlich auch Human Capital.

Ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt denn anders als in Berlin?
In kaum einer anderen Stadt gibt es so viele talentierte und gut ausgebildete Leute wie hier. Die kommen entweder aus den großen Firmen, aus Unternehmensberatungen, oder sind direkt aus dem Ausland hierher gekommen. Durch die niedrige Arbeitslosenquote in München sind Visas für nicht-EU-Bürger sehr leicht zu kriegen. Das ist ein extremer Wettbewerbsvorteil. Wir haben schon oft erlebt, dass andere Spielefirmen aus Berlin an der gleichen Person dran waren, wie wir, aber Berlin hätte der Person kein Visum ausgestellt.

Programmierer, die immer alle suchen, findet man in München aber auch nicht leichter, oder?
Wie gesagt, wir haben sehr gute Erfahrungen damit, Entwickler für unsere Teams zu finden. Bei Leuten, die bereits in München gewohnt haben, da liegt es oft an dem Mix, den wir hier haben. Wir haben keine großen Hierarchien und aufgeblasene Teams mit viel Politik, sondern lieber weniger, aber dafür richtig gute Leute. Hinzu kommt, dass wir natürlich mit Produkten in der Unterhaltungsbranche vielleicht spannendere Sachen machen als ein BMW oder ein weiteres E-Commerce-Unternehmen. Bei Programmierern aus dem Ausland, oder Rest von Deutschland, da haben wir bisher eigentlich immer schnell offene Postionen füllen können. Die meisten haben eh schon viel über München als Stadt gehört.

Aber zurück zum Standort München. Was zeichnet München noch aus?
Die Lebensqualität. Klar, darunter verstehen viele etwas anderes, aber für mich bedeutet das, in einer Großstadt zu sein, die aber trotzdem von der Fläche überschaubar ist. Fast jeder kommt mit dem Fahrrad in die Arbeit, wir haben ein Büro direkt im Zentrum. Nach der Arbeit kann man schnell in den Biergarten oder in der Mittagspause in die Isar hopsen. Am Wochenende ist man aber auch schnell draussen. Man kann in die Berge, zu den Seen, nach Österreich, Italien oder in die Schweiz. Gerade, wenn man viel von sich in die Firma steckt, dann ist es zumindest für mich gut, dass für die Zeit, wo ich nicht arbeite, ich hier ein Umfeld habe, wo ich gut meine Freizeit verbringen kann. Und das ohne lange Wege. Wenn man dann doch mal weiter weg muss, dass hat München Direktflüge zu fast allen relevanten Orten.

Was sonst macht den besonderen Reiz der Start-up-Szene in München aus?
Die Startup-Szene ist vielleicht etwas nüchterner hier. Wahrscheinlich weniger Partys und Networking Events, eher sehr fokussiertes Arbeiten. Das ist natürlich in München auch extrem wichtig, denn hier muss man schon bei einer Gründung sehr schnell daran denken, womit man wie Geld verdient. Auch ist die Szene hier überschaubarer und man kennt sich sehr gut. Ich denke, diese beiden Punkte führen auch dazu, dass es etwas weniger Neid gibt. Teilweise habe ich das anderswo schon stark erlebt. Vielleicht wissen aber hier eigentlich alle, dass Startups-Gründen kein Zuckerschlecken ist, sondern erst einmal Verzicht bedeutet bei vielen Sachen. Und, auch für mein Lieblingsthema “Team”: es gibt in München etwas weniger Wechsel-Hype.

Sind Mitarbeiter in München etwa loyaler als in Berlin?
In Berlin, zumindest von außen betrachtet, gibt es stets ein bis zwei Unternehmen, die gerade super angesagt sind, weil sie einen schicken Promi-Investor haben oder das geilste Loft. Das muss dann nicht immer nachhaltig sein, aber so entsteht natürlich eine sehr hohe Fluktuation, gerade bei guten Leuten. In München ist es etwas stabiler, sprich, man kann starke Teams bauen, die auch über einen sehr lange Zeitraum gemeinsam wachsen. Last, but not least: Wir haben das Oktoberfest und den FC Bayern München!

Und, hat ein potenzieller Bewerber schon einmal einen Tisch im einem Festzelt auf dem Oktoberfest gefordert, oder gar eine Jahreskarte für den FC Bayern?
Gefordert noch nicht, Gottseidank, denn eine Jahreskarte kriegt man eigentlich gar nicht mehr, es sei denn der Opa war schon Bayern-Fan. Aber es gab schon öfters den Fall, dass Leute beispielsweise schneller nach Deutschland gekommen sind, um noch zum Oktoberfest hier zu sein oder die Stadt schon lieben, weil sie hier schon zum Feiern waren. Das hilft durchaus, auch fürs Team-Building.

Was ist in München einfacher als in Berlin – und umgekehrt?
Einfacher in Berlin, tippe ich mal, ist es ein, Hype zu kreieren um sein Start-up herum, was natürlich für VC-Runden und Recruiting gut sein kann. Auch ist es leichter, Leute aus Berlin einzustellen. Was in München gefühlt leichter ist, ist gute Leute aus aller Welt einzustellen, auch aus ganz Deutschland. Kleine Ausnahme ist allerdings Berlin, von da will irgendwie keiner nach München. München sind aber, wie gesagt, auch viele Firmen ansässig, deutsche und ausländische. Da kommt man schon sehr schnell zu wichtigen Kontakten, wenn man sie braucht.

Was fehlt in München noch?
In München fehlt noch etwas die Aufmerksamkeit von außen, dass es hier auch eine gute, funktionierende Start-up-Szene gibt. Die verhält sich vielleicht anders, aber es gibt sie. Teilweise etwas unter dem Radar und keiner käme jetzt auf die Idee, dass hier Silicon Isar zu nennen, aber auch hier entstehen ständig neue Firmen, die tolle Teams haben und an guten Ideen arbeiten.

Passend zum Thema: “Start-ups und bayerische Lebensart – In München ‘entstehen unter Druck Diamanten’” und Start-up-Lotse für München

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.