Alexander Steinhart von Offtime

“Es ist Zeit, dass wir über unsere Vernetzung selbst bestimmen”

Wer viel und lange am Rechner sitzt, braucht Zeit zum Abschalten. Helfen will hierbei offtime, das es mit Softwarelösungen Menschen leichter machen will, zur Ruhe zu kommen. Im Gründer-Kurzinterview über das Anti-Stress-Gesetzt, Kooperationen mit der Swisscom und den Aus-Knopf am Handy.
“Es ist Zeit, dass wir über unsere Vernetzung selbst bestimmen”
Dienstag, 3. Februar 2015VonChristina Cassala

Gerade, wer viel und lange am Rechner sitzt und digital immer erreichbar ist, braucht Zeit zum Abschalten. Helfen will hier Offtime, ein Start-up, das den Diskurs zum Thema stetiger Vernetzung eröffnet und es mit Softwarelösungen Menschen leichter machen will, einfach mal zur Ruhe zu kommen und eine gesunde Balance zwischen On- und Offline-Welt herstellen will. Im Gründer-Kurzinterview über das Anti-Stress-Gesetzt, Kooperationen mit der Swisscom und den den “Aus”-Knopf.

Welche Idee steckt hinter Ihrem Start-up?
Einfach abschalten und eine bessere Unterstützung in der digitalen Welt. Im digitalen Alltag ist es schwer, sich nicht zu verlieren. Wir verbringen mehr Zeit mit Bildschirmen als mit wirklichen Menschen.

Es ist Zeit, dass wir über unsere Vernetzung selbst bestimmen. Unsere Offtime App unterstützt Menschen besser abzuschalten, dank App-Blocking, Kommunikationsfilter und Einblicken in die eigene Smartphone-Nutzung. Und eine Evaluation durch die Humboldt Universität zu Berlin zeigt: Leute, die Offtime eine Woche nutzen, verändern ihre Smartphonegewohnheiten und sind im Vergleich zur Vorwoche signifikant motivierter bei der Arbeit, generell entspannter und können besser abschalten.

Wie sehr bzw. in welchen Punkten hat sich ihr Konzept von der ersten Idee bis zur Gründung verändert?
Die ersten Prototypen haben wir bereits 2013 entworfen. Damals gab es wenig klare Linien, ein riesiges potentielles Set an Features und manche Dinge, die wir damals nur vage angedacht haben, gehören heute fest zu unserer App dazu – wie der gesamte Analyse-Teil von Offtime, mit dem man seine Smartphone-Nutzung erfassen kann.

Da wir mit allen Funktionen immer an der Grenze des Unmöglichen arbeiten, musste wir in der technischen Umsetzung jedoch immer wieder bestehende Ideen und Konzepte über den Haufen werfen. Unsere Vision mussten wir nicht groß anpassen, sondern diese motiviert uns weiter Tag für Tag. Uns geht es nach wie vor darum, auch im Alltag selbstbestimmte Zwischenräume zu ermöglichen: eben Auszeiten von der dauernden Vernetzung und Gemütsruhe.

Wer sind Ihre Mitbewerber und wie grenzen Sie sich von ihnen ab?
Als größte Mitbewerber sehen wir den “Aus”-Knopf, Flugmodus sowie die zahlreichen Arten des Ruhemodus und Do Not Disturb. Solche Apps und Funktionen blockieren allerdings nur eingehende Störungen und unterstützen den Nutzer weder mit Tools, um der eigenen Ablenkung Herr zu werden, noch mit einer Übersicht über den eigenen Smartphone-Gebrauch.

Wir setzen auf neueste Erkenntnisse aus psychologischen Studien in unserem Bemühen, Wohlbefinden und Produktivität beiderseits in der vernetzten Welt zu steigern. Dieses wissenschaftliche Fundament unserer eigenen Arbeit ermöglicht es uns, das Thema ‘Hyperkonnektivität’ aktiv einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und gleichzeitig Lösungswege für neue Probleme aufzuzeigen.

Was ist der entscheidendste Faktor, damit Ihr Start-up den Durchbruch schafft?
Offtime braucht vor allem Investoren und Business Angel, die sehr gute Kontakte und Erfahrungen in der Medienbranche, im Geschäftskundenvertrieb oder im Gesundheitsbereich haben und gleichzeitig die Gesamtvision sehen und offtime nicht nur als technische Lösung betrachten.

Wie wollen Sie Geld verdienen und wann schreiben sie schwarze Zahlen?
Offtime finanziert sich über eine Freemium Model, künftig werden aber bestimmte In-App-Premium-Features und andere Spin-Off-Apps käuflich zu erwerben sein. Vor kurzem haben wir Offtime zusammen mit der Swisscom in einer exklusiven Version für den Schweizer Markt gelauncht. Als nächsten Schritt gehen wir Unternehmen an, die unsere Lösung für ihre Mitarbeiter zur Verfügung stellen sollen.

Das viel Diskutierte Anti-Stress-Gesetzt wird irgendwann kommen, doch aber auch so müssen Unternehmen etwas tun, um ihre Mitarbeiter in der vernetzten Welt produktiv und gesund zu halten und die jetzige Generation an Studienabgängern fordern sowieso flexible Arbeitszeiten und auch ihre Auszeiten. Im Jahr 2016 könnten wir schwarze Zahle schreiben.

Welche Märkte wollen Sie mittel- und langfristig erobern?
Wir wollen mit Offtime über private Endkunden hinaus gehen und setzen dafür auf die Weiterentwicklung unserer Software als erweiterte Businesslösung für Unternehmen, die ihre Kosten aus stressbedingten Krankheitsausfällen und Effektivitätseinbußen reduzieren und Motivation und Produktivität ihrer Mitarbeiter erhöhen wollen.

Des Weiteren lässt sich unsere entwickelte Kerntechnologie auch mit relativ wenig Aufwand für weitere Märkte anpassen: ganze Generation von Kindern bekommen nun ein Smartphone und die Eltern wollen ein effektives Tool das sie im Umgang damit unterstützt. Unser Hauptfokus wird dabei im ersten Schritt Deutschland und dann der englischsprachige Raum sein.

Welche Meilensteine wollen Sie in den kommenden zwölf Monaten auf jeden Fall erreichen?
Wir arbeiten nach Steve Blank’s ‘Customer Development’. In den nächsten Monaten werden wir alle Bereiche der ‘Customer Validation’ abschließen, um dann zu wachsen.

Im Fokus: Weitere Interviews mit jungen Gründern gibt es im Special Gründerinterviews

Zur Person:
Alexander Steinhart ist Mitgründer von Offtime. Er wuchs auf mit einem großen Interesse an neuen Technologien und einer noch größeren Leidenschaft für sozialen Wandel. Er studierte Psychologie und Kuturwissenschaften in Maastricht, Brighton und Belfast sowie Design Thinking in Potsdam.

Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.