Offener Brief

“Anti-Angel-Gesetz würde Startup-Szene im Keim ersticken”

Christoph Gerlinger, der Macher der German Startups Group, kämpft nun auch öffentlich gegen das Anti-Angel-Gesetz. In einem offenen Brief fordert er den hessischen Finanzministers Thomas Schäfer (CDU) auf, seinen Bundesratsvorstoß erneut zu prüfen und "zurück zu ziehen".
“Anti-Angel-Gesetz würde Startup-Szene im Keim ersticken”
Donnerstag, 4. Dezember 2014VonAlexander Hüsing

Und noch ein offener Brief in Sachen Anti-Angel-Gesetz – diesmal von Christoph Gerlinger, dem Macher der German Startups Group. Zum Hintergrund: Das Anti-Angel-Gesetz steht vor der Rückkehr – siehe dazu auch “Was weiß Hessens Finanzminister über Start-up-Finanzierung? Nichts!“. Zuletzt forderte der Bundesverband Deutsche Start-ups den hessischen Finanzministers Thomas Schäfer (CDU) auf, seine Pläne für das Anti-Angel-Gesetz nicht weiter zu verfolgen – siehe “Offener Brief an den hessischen Finanzminister Schäfer“. Nun aber der offene Brief von Gerlinger:

Lieber Herr Dr. Schäfer,

wir sind nach Marktforschung der viertaktivste Venture Capital Anbieter in Deutschland.

Sie haben am 16.10.2014 eine Bundesratsinitiative vorgestellt, in der Sie u.a. die Einführung der Steuerpflicht von Veräußerungsgewinnen bei Streubesitzanteilen an Kapitalgesellschaften vorschlagen. Mit diesem erneuten Vorstoß zur Einschränkung des §8b KStG stellen Sie zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit die Finanzierung innovativer wachstumsorientierter Unternehmensgründungen durch Business Angel und andere Frühphaseninvestoren grundlegend in Frage. Dieses „Anti-Angel Gesetz“ würde die im internationalen Vergleich aufholende und für künftige Innovationskraft und Wohlstand so wichtige, florierende deutsche Startup-Szene im Keim ersticken.

Es geht auch keineswegs darum, ein Steuerprivileg abzuschaffen, sondern eine von der SPD eingeführte Regel zur Vermeidung von – völlig ungerechtfertigter, verzerrender und Verkrustungen manifestierender – Doppelbesteuerung von Veräußerungsgewinnen in Schachtelbeteiligungen zu verhindern. Diese Doppelbesteuerungsvermeidungsvorschrift hat die zurückliegende Entflechtung der deutschen Großkonzerne erst ermöglicht und damit Dynamik und substantiellen Wohlstand geschaffen. Während wir von Politikern auf Bundesebene wegen ihrer Einstufung der Startup-Szene – als erfolgskritisch für die Wirtschafts- und damit Wohlstandsentwicklung unseres Landes – immer wieder gefragt werden, welche zusätzlichen politischen Rahmenbedingungen geeignet wären, die deutsche Startup-Szene weiter zu fördern, würde die Umsetzung Ihres Vorstoßes durch faktische Doppelbesteuerung Investitionen in <10%-ige Anteile von Startups gegenüber anderen Kapitalanlagen steuerlich deutlich benachteiligen (Besteuerungsquote bis zur Ausschüttung an die hinter den Investitionsvehikeln stehenden, natürlichen Personen >50%, bisher 30%) und so Startups den Nährboden der Finanzierung entziehen.

Ihre Ihrem Vorstoß zugrunde gelegte Annahme, dass Business Angel idR. mit mehr als 10% oder gar 25% an Startups beteiligt seien, ist nachweislich unzutreffend und zeugt von grober Unkenntnis – siehe dazu auch die Ihnen kommunizierten jüngsten Untersuchungen des Bundesverbands Deutsche Startups e.V.

Die von der SPD eingeführte, erwiesenermaßen sehr erfolgreiche, Steuervorschrift zu ändern, würde man im politischen Spektrum nur der Linken zutrauen, nicht einmal der SPD, keinesfalls der CDU, und schon gar Ihrem hessischen Landesverband (ich bin in Königstein aufgewachsen und lebe in Frankfurt). Das wäre ein folgenschwerer Irrweg für das Land, seine Unternehmen und Wirtschaftskraft, seine Startup-Szene, unser Bundesland und angesichts des zu erwartenden Widerstands der deutschen Startups- und Unternehmen und verfassungsrechtlicher Bedenken möglicherweise auch für Ihre Partei und Ihr Ministerium.

Schon allein die immer wieder aufkeimende und erst recht eine fortdauernde Unsicherheit in dieser Frage verzögert Investitionen von Business Angels oder verhindert sie ganz.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie Ihren Bundesratsvorstoß erneut prüfen könnten und zu dem Ergebnis kämen, ihn zurück zu ziehen. Für ein persönliches Gespräch stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung”.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.