Susanne Sternagel von monofaktur im Porträt

Diese Designerin und Gründerin hat keine Angst vor Zahlen

Susanne Sternagel beriet jahrelang Unternehmen. Und fragte sich immer häufiger, ob ihre Tipps zum Erfolg führten. Also startete sie selbst ein Projekt: Das Einrichtungs-Startup monofaktur. Für Sternagel selbst ist vor allem eines wichtig: Sie hat heute mehr Freizeit als früher.
Diese Designerin und Gründerin hat keine Angst vor Zahlen
Mittwoch, 3. September 2014VonYvonne Ortmann

Folgt man Susanne Sternagels Lebenslauf, merkt man eines schnell: Die 44-Jährige ist unglaublich vielseitig. Heute kümmert sie sich als Geschäftsführerin des Wohn- und Einrichtungs-Shops monofaktur um Design und Produktentwicklung. Studiert hat sie vor über 25 Jahren Mathe und Naturwissenschaften. Auch eine abgebrochene Heilpraktikerausbildung und Jahre in der Erwachsenenbildung liegen hinter ihr, bis sie sich Ende der Neunziger zum gerade entwickelten Beruf der Mediengestalterin ausbilden ließ.

Eigenes Start-up als „Proof of concept“

Vom Mathe-Ass zur kreativen Gestalterin? Sternagel sieht es nüchtern: „Ich gehöre zu den wenigen Designern, die keine Angst vor Zahlen haben – ein echter Vorteil.” Viele Jahre fährt sie als Geschäftsführerin einer Hannoveraner Online-Agentur quer durch Deutschland und berät Großkunden, bis sie zwei Dinge nicht mehr loslassen: Da ist zum einen die Frage, was eigentlich im Anschluss an ihre Beratungen passiert und woran es liegt, wenn Projekte trotzdem scheitern. Das andere ist die wachsende Unlust auf 14-Stunden-Tage.

Sternagel will ein eigenes Projekt aufziehen. Schnell ist klar, dass es aus dem gerade erwachenden Bereich „Mass Customization“ kommen soll. Das Thema steckt noch in den Kinderschuhen, viele sind skeptisch, aber MyMuesli macht bereits vor, dass es klappen kann. Der Plan ist, das Prinzip auf den gesamten Bereich Inneneinrichtung zu übertragen: Personalisierte Möbelfolien, individuelle Tapeten, gestaltbare Kunst- und Akustikprodukte.

Am Anfang ist monofaktur noch ein Nebenbei-Projekt, auch die beiden Mitgründer kommen aus der Online-Agentur. Zwei Jahre später überschlagen sich dann die Ereignisse: Mit einem der Mitgründer gibt es Meinungsverschiedenheiten, er steigt aus. Den anderen Mitgründer heiratet sie. Dann verlässt Sternagel die Agentur und kauft alle Firmenanteile auf, um sich komplett auf monofaktur zu konzentrieren. „Diese Zeit in 2011 war die größte Herausforderung in den fünf Jahren“, lacht sie rückblickend.

„Männer wollen anders geführt werden als Frauen“

Das Team gründet eine eigene Werkstatt samt Showroom in Müden, einem winzigen Dorf bei Hannover, gegenüber einem netten Hofcafe. Nun werden nicht mehr alle Aufträge über externe Dienstleister abgewickelt, sondern vieles selbst produziert. Die monofaktur setzt verstärkt auf hochwertige Materialien und spezialisiert sich auf die Bereiche Filz und Akustik: „Es gab für Filz einfach kaum Anbieter in Deutschland, da haben wir es selbst in die Hand genommen. Tapeten machen mittlerweile hingegen viele.“

Trotz durchschnittlicher Umsätze von rund 30.000 Euro im Monat hält Sternagel das Team bisher klein. Und zwar aus Überzeugung: „Ich will meine Kraft nicht für Unternehmensführung einsetzen, sondern für die Produktentwicklung“, erklärt die Gründerin. „Wir setzen lieber auf neue Partner und Netzwerke als auf viele Mitarbeiter.“

Sternagel2_monofaktur

Die Arbeit im kleinen Team hingegen macht ihr großen Spaß. Momentan hat sie nur Frauen um sich herum – und natürlich ihren Mann, der jedoch Mitgründer ist und die IT betreut. „Ein reines Frauen-Team um mich zu haben ist sehr angenehm. So muss ich nicht ständig umschalten – Männer wollen nämlich anders geführt werden als Frauen.“ Manchmal leidet sie unter ihrer feinen Antenne, die es für die Umwelt leicht, für sie selbst aber schwierig macht. Sie hat gelernt, damit umzugehen und es als Vorteil anzusehen. Allen soll es gut gehen im Unternehmen.

Probleme knacken, dann umsetzen

Sternagels erster Wunsch, selbst mal ein Projekt als Proof-of-Concept hochzuziehen, ist in Erfüllung gegangen. Der zweite nach mehr Freizeit auch? „In der Agentur habe ich oft 13 oder 14 Stunden am Tag gearbeitet, heute maximal acht. An manchen Wochentagen arbeite ich auch mal gar nicht.“ Für sie vor allem eine Frage der Erfahrung und der eigenen Wertschätzung. In jungen Jahren wolle man viel Anerkennung von anderen und viel erreichen. Heute weiß sie: Es bringt niemandem etwas, wenn man sich hetzt und dann Fehler macht oder unproduktiv ist. Da müssen Kunden auch mal zwei oder drei Tage auf eine Antwort warten, sehr anstrengende Kunden werden schon mal abgelehnt. Dass sie sich diesen Luxus heute leisten kann, macht sie froh.

Mit dieser über die Jahre gewonnenen Ruhe geht die Mutter eines 21-jährigen Sohnes, die generell auf Business-Kleidung verzichtet, an die meisten Dinge heran. Aktuell will sie Werkstatt und Showroom vergrößern und sich an die Logistik- und Versandprobleme für maßgefertigte Möbel machen, da sie in diesem Bereich viele Ideen hat. Bisher ist die Lösung noch nicht da, aber Sternagel kann warten: „Ich setze Dinge erst dann um, wenn ich weiß, dass das Problem geknackt ist – alles andere gefährdet nur den Markennamen. Man muss geduldig sein können.“

Passend zum Thema: “Gründerinnen, bitte verabschiedet euch vom Spiegel!

Yvonne Ortmann

Seit Mai 2009 schreibt Yvonne für deutsche-startups.de Gründerportraits, Start-up-Geschichten und mehr – ihre besondere Begeisterung gilt Geschäftsideen mit gesellschaftlich-sozialer Relevanz. Sie tummelt sich auch im Ausland – immer auf der Suche nach spannenden Gründerpersönlichkeiten und Geschäftsideen.