Poachee: Unzufriedene Arbeitnehmer lassen sich durch Headhunter anonym abwerben

Der neue Personalbeschaffungs-Dienst poachee (www.poachee.com) aus Berlin bietet die anonyme Möglichkeit, sich von einem neuen Arbeitgeber finden zu lassen und sich so zu verbessern. Der Dienst macht sich dabei zunutze, dass anscheinend viele […]
Poachee: Unzufriedene Arbeitnehmer lassen sich durch Headhunter anonym abwerben
Donnerstag, 18. Oktober 2012VonThorsten Panknin

Der neue Personalbeschaffungs-Dienst poachee (www.poachee.com) aus Berlin bietet die anonyme Möglichkeit, sich von einem neuen Arbeitgeber finden zu lassen und sich so zu verbessern. Der Dienst macht sich dabei zunutze, dass anscheinend viele Arbeitnehmer mit ihrem aktuellen Job unzufrieden sind. Recruiter und Headhunter finden bei poachee einen Pool an Abwerbewilligen, die sie gezielt ansprechen können. Oberste Priorität hat dabei die Anonymität, damit Profil und Ansprache “unter dem sozialen Radar” stattfinden – weder der jetzige Chef, noch das eigene Umfeld sollen etwas mitbekommen.

Personalbeschaffung – wie in einer Partnerbörse

Poachee aus Berlin ist seit Ende September in der offenen Beta und bringt “passive Stellensucher”, also Abwerbewillige, mit Recruitern und Headhuntern zusammen und das mit weniger Aufwand als bei anderen Portalen. Der für Arbeitnehmer kostenlose Dienst ermöglicht das Einstellen von anonymen Profilen ohne Lebenslauf in wenigen Minuten. Recruiter suchen in diesem Pool und kontaktieren dann den potenziellen neuen Mitarbeiter, der einer neuen Herausforderung gegenüber nicht abgeneigt ist. Florian Röllig, der Gründer und Geschäftsführer der Firma, zum Prinzip des Dienstes: “Poachee funktioniert in etwa wie eine Partnerbörse. Wir matchen Talente mit attraktiven Stellengesuchen.”

Das englische Wort “Poacher” bedeutet “Abwerber” oder “Wilderer” und das beschreibt den Dienst sehr gut: Headhunter “wildern” bei Firmen und nehmen Kontakt zu abwerbewilligen Arbeitnehmern – “Poachees” – auf. Poachee ist global konzipiert und funktioniert über die deutschen Landesgrenzen hinweg mit einer englischsprachigen Website-Version. Anonymität ist in diesem Bereich der Personalbeschaffung von besonderer Wichtigkeit, damit weder der jetzige Chef noch das persönliche Umfeld etwas mitbekommen. Es gibt keine Lebensläufe, Angestellte machen lediglich Angaben zur jetzigen Bezahlung, den eigenen Fähigkeiten, dem angestrebten Mindestgehalt, gewünschten Branchen sowie der gewünschten Position.

Poachee Screenshot Profilseite

Auch das poachee-Team wurde abgeworben

Röllig erläutert die Gründungsidee: “Aus eigener Erfahrung im Aufbau von Technologieunternehmen weiß ich, wie kniffelig es ist, “richtig” gute Leute anzustellen. Sie haben nämlich meistens einen Job und denken nicht aktiv an einen Wechsel. Als ich dann Anfang 2012 im Deloitte Shift Index las, dass bis zu 80% mit Ihrem gegenwärtigen Job unzufrieden sind und davon nur ein Bruchteil aktiv auf der Suche nach Veränderung ist, war die Entscheidung gefestigt und das heutige poachee-Team wurde abgeworben.”

Poachee ist bislang komplett eigenfinanziert, Röllig erwartet im Laufe des kommenden Jahres Umsätze, wenn die ersten Poachees abgeworben werden. Der Dienst ist für Abwerbewillige komplett kostenlos, Recruiter zahlen während der Beta-Phase bis ins erste Quartal 2013 weder für die Suche noch für die Kontaktaufnahme. Später wird es ein Freemium-Modell geben, das Recruitern ermöglicht, in einem Monat 2 Kontakte ohne weitere Kosten anzubahnen. Sind weitere Anfragen gewünscht, kostet das eine monatliche Mitgliedschaft oder es wird pro Kontaktaufnahme bezahlt. Exakte Preise stehen noch nicht fest, sie werden im Laufe der Beta festgelegt.

Ironie des Schicksals – Recruiter sind Zielkunden und Konkurrenten zugleich

Sie sind, neben den Abwerbewilligen, die andere Zielkundengruppe, die mit poachee einfach und zentral Potenziale finden kann – ironischerweise sind sie gleichzeitig auch Mitbewerber des Dienstes. Plattformen wie XING (www.xing.com) oder LinkedIn (www.linkedin.com) sieht Röllig, nach eigener Aussage, als weitere Konkurrenz an, weil man sich als “passiver Jobsucher dort für Headhunter exponieren” kann.

Erfolg hängt auch bei poachee von der Masse der Abwerbewilligen ab, da sie die zahlenden Recruiter ins System locken. Für Arbeitnehmer, die nichts gegen einen besseren Job hätten, scheint poachee ein praktischer Dienst zu sein, der es ihnen ermöglicht, nach geringem Aufwand die Hände in den Schoß zu legen und auf den neuen Traumjob zu warten.

Thorsten Panknin

Kommt beruflich aus den Bereichen der Mediengestaltung und der Betreuung demenziell erkrankter Menschen. Seit Ende 2012 ist er freier Journalist mit dem Schwerpunkt Start-ups, interessiert sich aber auch für E-Reading und Open Source.