#Interview

“Wenn mehr Kapital in die Region fließt, können die Startups auch wachsen”

"Ich empfinde das Ruhrgebiet nicht als Sorgenkind. Hier ist es so vielfältig, dass jede*r seine oder ihre passenden Partner finden kann", sagt Janna Prager, Initiatorin des Impact Hub Ruhr. "Hier sind unheimlich viele Unternehmen, so viele verschiedene Menschen, das sind gute Voraussetzungen"
“Wenn mehr Kapital in die Region fließt, können die Startups auch wachsen”
Mittwoch, 18. März 2020VonAlexander Hüsing

Immer mehr Menschen im Ruhrgebiet machen ihr eigenes Ding, verfolgen ihren ganz eigenen Traum, gründen Startups und schaffen so die in der Region dringend benötigten Arbeitsplätze. Diese Unternehmen sind die Zukunft des Ruhrgebiets, diese Jungfirmen beweisen, dass das Revier mehr zu bieten hat als seine dreckige Vergangenheit. “Seit 2016 steigen die Aktivitäten in und um die Startup Szene im Ruhrgebiet kontinuierlich an. Das merkt man einerseits daran, dass es immer mehr Initiativen, Veranstaltungen und Wettbewerbe in der Region gibt, aber auch an den Interessierten, die immer mehr werden”, sagt Janna Prager, Initiatorin des Impact Hub Ruhr.

Die Social-Startup-Expertin sieht aber auch noch viel Nachholbedarf in der Region: “So viel die einzelnen Städte auch machen, eine wirkliche übergreifende regionale Förderung gibt es noch nicht so wirklich. Auch ist es schwierig bei den ganzen Angeboten den Überblick zu behalten, das könnte noch besser organisiert werden. Die Zusammenarbeit über Stadtgrenzen hinaus ist oft noch mühselig und auch die Förderungen von Projekten ist schwierig oder es dauert einfach sehr lange, bis man eine Zusage bekommt”. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht die Impact Hub Ruhr-Macherin außerdem über Social Entrepreneurship, Kirchturmdenken und nachhaltige Energiegewinnung.

Im Ruhrgebiet entstehen seit einigen Jahren immer mehr Startups. Wie nimmst Du die Startup-Szene vor Ort derzeit wahr?
Seit 2016 steigen die Aktivitäten in und um die Startup Szene im Ruhrgebiet kontinuierlich an. Das merkt man einerseits daran, dass es immer mehr Initiativen, Veranstaltungen und Wettbewerbe in der Region gibt, aber auch an den Interessierten, die immer mehr werden. Mittlerweile trifft man nicht immer nur die gleichen Menschen auf den Veranstaltungen, sondern es kommen immer neue Interessierte und Gründer*innen hinzu. Das ist eine schöne Entwicklung, denn dadurch wird das Innovationspotenzial hier weiter vorangetrieben und die Leute beschäftigen sich mit neuen Ideen, die sie auch selbst umsetzen möchten. Auch das Thema Social Entrepreneurship wird langsam größer, was uns als Impact Hub natürlich besonders freut. So gibt es mit der Impact Factory einen guten Accelerator, die Wirtschaftsförderung Dortmund ist ebenfalls sehr engagiert und hat eigene Programme dazu und auch die Gründungsinitiativen der Unis nehmen das Thema mehr und mehr mit auf die Agenda.

Was genau zeichnet denn überhaupt die Startup-Szene im Ruhrgebiet aus?
Die Wege sind recht kurz und man kommt schnell mit Institutionen, Behörden, Unternehmen, etc. in Kontakt, die in dem Bereich unterwegs sind. Außerdem ist die Startup-Szene gut vernetzt und man unterstützt sich gegenseitig. Die Gründer*innen hier sind down to earth, packen an und gestalten die Szene aktiv mit.

In der deutschen Startup-Hauptstadt Berlin gibt es mehr als 3.000 Startups, die rund 80.000 Menschen beschäftigen. Ist dies auf lange Sicht auch im Ruhrgebiet möglich?
Klar, warum nicht? In NRW hat die Ruhr-Region die dritt meisten Startups zu bieten, die durchschnittlich 7,1 Mitarbeiter*innen haben. Wenn jetzt noch mehr Kapital in die Region fließt können diese Startups auch wachsen und mehr Mitarbeiter*innen einstellen. Gute Leute gibt’s hier ja genug. Wir haben mehrere Unis und Fachhochschulen, die teilweise auch Exzellenz Unis sind und gerade ihre Startup Center massiv ausbauen. So wird es mit Sicherheit bald noch mehr Startups geben und diese finden dann auch gut ausgebildete Mitarbeiter*innen.

Das Ruhrgebiet ist generell wirtschaftlich gesehen eher ein Sorgenkind. Ist das jetzt ein guter oder ein schlechter Nährboden für Startups?
Ich empfinde das Ruhrgebiet nicht als Sorgenkind. Hier ist es so vielfältig, dass jede*r seine oder ihre passenden Partner oder Projekte finden kann. Hier sind unheimlich viele Unternehmen, so viele verschiedene Menschen, das sind gute Voraussetzungen, finde ich. Wenn man dann noch über das Ruhrgebiet hinausguckt und sich auch deutschlandweit und europaweit vernetzt, hat man als Gründer*in hier einen sehr guten Nährboden.

Im Ruhrgebiet gibt es viele große Unternehmen und Konzerne. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil für junge Unternehmen?
Da momentan alle nach Innovation schreien, ist es wahrscheinlich ein Vorteil. Denn die jungen, agilen Startups haben direkt mehrere Abnehmer für ihre innovativen Produkte oder Dienstleistungen vor Ort. Auch für Startups, die sich zum Beispiel mit nachhaltiger Energiegewinnung befassen oder der Mobilität der Zukunft ist das Ruhrgebiet der perfekte Ort.

Was läuft insgesamt gesehen im Ruhrgebiet in Sachen Startups und Gründertum schon gut?
Wie schon gesagt, sind die kurzen Wege und das Netzwerk unter den Gründer*innen sehr gut. Es gibt sehr viele Veranstaltungen und Workshops, die man als Gründer*in meist kostenlos besuchen kann und so gerade am Anfang viel Wissen mitnehmen kann. Darüber hinaus setzen sich die einzelnen Städte und Wirtschaftsförderungen ziemlich gut für Startups ein und unterstützen mit Beratungen, Veranstaltungen, Wettbewerben und vielem mehr.

Was dagegen läuft noch nicht optimal?
So viel die einzelnen Städte auch machen, eine wirkliche übergreifende regionale Förderung gibt es noch nicht so wirklich. Auch ist es schwierig bei den ganzen Angeboten den Überblick zu behalten, das könnte noch besser organisiert werden. Die Zusammenarbeit über Stadtgrenzen hinaus ist oft noch mühselig und auch die Förderungen von Projekten ist schwierig oder es dauert einfach sehr lange, bis man eine Zusage bekommt. Zudem würde ich mir wünschen, dass die großen Player in der Szene die Bewegungen, die in der Startup Szene aus Eigeninitiative entstehen mehr unterstützen, auch finanziell. Es gibt so viele tolle Meetups und Events, die mit viel Engagement und Zeiteinsatz der Macher*innen organisiert werden, das müsste viel mehr honoriert werden.

Wo siehst Du die Startup- und Digital-Szene im Ruhrgebiet in fünf Jahren oder gar in zehn Jahren?
Ich denke, dass das Ruhrgebiet gerade für GreenTech- und SmartCity-Themen sehr spannend ist und sich in der Richtung in den nächsten Jahren noch mehr tun wird. Wir haben hier auch die Möglichkeit die Szene, da sie noch relativ jung ist, mitzugestalten. Zum Beispiel könnte sich das Ruhrgebiet nachhaltige Digitalisierung auf die Fahne schreiben und in diesem Gebiet eine Vorreiterrolle übernehmen. Das Bundesministerium für Forschung und Bildung hat zum Beispiel kürzlich einen Aktionsplan zum Thema „Natürlich.Digital.Nachhaltig“ herausgebracht, genau da sollten wir ansetzen. Mit den zahlreichen Unis, FHs aber auch spezialisierten KMUs haben wir so viele Möglichkeiten hier, die müssen nur vereint und genutzt werden. Wenn das Ruhrgebiet mit seinen vielen Städten, Institutionen und Unternehmen auf Kollaboration anstatt Kirchturmdenken setzt, sehe ich die Region in den nächsten Jahren ganz weit vorne.

Themenschwerpunkt Ruhrgebiet

#Ruhrgebiet: Gemeinsam mit dem ruhr:HUB berichtet deutsche-startups.de regelmäßig über die Startup-Szene im Ruhrgebiet. Mit hunderten Startups, zahlreichen Gründerzentren und -initativen, diversen Investoren sowie dutzenden Startup-Events bietet das Ruhrgebiet ein spannendes Ökosystem für Digital-Gründer – mehr im Startup Guide Ruhrgebiet. Das Buch “Wann endlich grasen Einhörner an der Emscher” wiederum erzählt die spannendsten Startup- und Grown-Geschichten aus dem Ruhrgebiet.

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): Gründerallianz Ruhr

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.