#Interview

“Mit dem ‘Kopf durch die Wand’ geht es auch, aber mit mehr Kopfschmerzen”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Kommunikation ist das Wichtigste im Recruiting und da werden Klarheit und Transparenz ganz groß bei uns geschrieben", erklärt Tim Krannich von Spreefreunde zum Thema Mitarbeiter:innen-Suche.
“Mit dem ‘Kopf durch die Wand’ geht es auch, aber mit mehr Kopfschmerzen”
Montag, 1. April 2024VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Tim Krannich, Gründer der Berliner Agentur Spreefreunde.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Mein Tag beginnt früh um 5:30 Uhr mit einem Yoga-Sprint, gefolgt von einem ersten Kaffee und einem schnellen Social Media Check um 5:45 Uhr. Nach einer Dusche und dem zweiten Kaffee um 6:00 Uhr widme ich mich den ersten E-Mails und notiere mir Gedanken für den Tag. Um 6:30 Uhr genieße ich die Spielzeit mit meinen Kindern Ella und Elias. Um 7:00 Uhr geht es dann per Carsharing ins Büro – Parkplatz suchen in Berlin ist einfach die Hölle. Der Büroalltag startet mit der detaillierten Vorbereitung der wichtigsten Termine und dem Abarbeiten der drei wichtigsten Aufgaben. Kaffeestand: 3! Um 8:45 Uhr kommt das Team ins Büro, und es gibt Zeit für Stimmungs-Checks und Mitarbeitergespräche bei meinem vierten Kaffee. Die ersten Meetings starten um 9:30 Uhr.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Ich habe das Glück, dass ich über das Jahr eigentlich zwei Standorte zum Leben habe – Mallorca und Berlin. Anderer Ort, anderes Abschalten. Deshalb teile ich mal beides. In Palma, Mallorca, genieße ich die Zeit mit meiner Familie am Strand und in Beachclubs, wo wir bereits ab 15 Uhr mit einem entspannten Essen beginnen. In Berlin fällt mir das Abschalten schwerer, hier nutze ich Sport, wie das Peloton Bike, um wirklich einen echten Cut zu schaffen. Gerne gehe ich auch ins Soho House, treffe mich mit Freunden und meiner Partnerin Janina. Da komme ich schnell auf andere Gedanken.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich hätte mir gewünscht, mich früher und intensiver mit Glaubenssätzen auseinanderzusetzen. Was meine ich da genau mit? Andere Gründerinnen und Gründer haben ähnliches durchgemacht, wichtige Erfahrungen gesammelt und das sind eigentlich Informationen von unschätzbarem Wert. Diesen Austausch hätte ich gerne im Nachhinein mehr gesucht und mich bewusst davon beeinflussen lassen. Mit einer gewissen Kopf-durch-die-Wand-Mentalität geht es auch, aber mit erheblich mehr Kopfschmerzen.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du daraus gelernt?
Zu lange an Freundschaften im Geschäftskontext festzuhalten und nicht konsequent genug zu handeln, war ein großer Fehler. Ich habe gelernt, klarere Standpunkte einzufordern und auf Basis von Ergebnissen konsequent zu handeln. Außerdem war es ein Fehler, nicht sofort in Netzwerke von Investoren zu investieren und zu spät mit Coachings zu beginnen. Rückbetrachtend sehr naiv, zu glauben, als einer von über 8 Milliarden Menschen besser auf sich zu hören, als links und rechts mal nach Ratschlägen zu fragen. Aber das ist doch das Schöne an Fehlern, daraus zu lernen.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Über eine klare Vision und Story, mein Netzwerk und persönliches Recruiting. Die Chemie muss einfach stimmen, gerade in einer engen Zusammenarbeit. Und meiner Meinung nach funktioniert es nur, wenn alle von unserer Story und unserer Vision überzeugt sind. Die muss stehen und klar formuliert sein. Je weniger Spielraum es in der eigenen Positionierung gibt, desto weniger Enttäuschung entsteht auf beiden Seiten. Kommunikation ist das Wichtigste im Recruiting und da werden Klarheit und Transparenz ganz groß bei uns geschrieben.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Nutzt Coaches aus der Branche von Anfang an. Es gibt in jeder Branche auch viele Coaches, die Coaching auch sehr gerne umsonst anbieten. Alle haben einmal angefangen und wissen Bescheid, was es heißt, ins Risiko zu gehen und wie schön es ist, wenn eine Person Erfahrungen mitgibt. Achtet bei der Partnerwahl auf eine Testphase und sorgt für gute Verträge und Absicherungen. Außerdem ist es wichtig, mental fit zu bleiben und auf die Signale des Körpers zu achten. Ausgleich, auch gerne Sport, ist für mich ein ganz wichtiges Instrument, was ich auch erst lernen musste.

Ohne welches externe Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
CEO-Coaching für alle CEOs der Tochtergesellschaften. War wirklich Gold wert. Auch schon im ersten Jahr. Viele warten immer erst auf Probleme und suchen dann nach Hilfe oder Coachings. Für mich ein ganz falscher Ansatz, weil Probleme überhaupt nicht entstehen und ganz im Gegenteil: Ganz neue Synergien und Potenziale in der Zusammenarbeit entstehen. Und zu Tools: Das Sales Tool Pipedrive ist für uns unverzichtbar.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Durch ein gutes Gehalt, ein junges und auf Augenhöhe agierendes Leadership-Team, Transparenz, eine offene Kultur und den einfachen Zugang zu Coachings – das zieht sich durch bei mir, aber zu lernen und wirklich Geld dafür auszugeben, hat lange gedauert – leider. Das sind alles Faktoren, die wir kulturell und materiell beeinflussen können. Ganz wichtig ist natürlich auch ein guter Mix aus spannenden und alltäglichen Projekten. Unser Team besteht hauptsächlich aus Kreativen, da braucht es Abwechslung und Spaß, auch in den Aufträgen. Das ganze Drumherum gibt es natürlich auch von der Feierabend-Party bis zur Weihnachtsfeier und wieder zurück.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Mein wildestes Erlebnis war, als Kinofilm-Produzent zu meiner eigenen Filmpremiere im ausverkauften Zoo Palast zu gehen, umgeben von deutschen Superstars. Als jemand, der in einer WG in Kreuzberg aufgewachsen ist, hätte ich mir das nie träumen lassen. Hätte mir das jemand mit 14 Jahren gesagt, dann gäbe es den Vogel von mir. Aber so ist die Freude natürlich um so größer, wenn du aus dem Nichts mit harter Arbeit und Ehrgeiz deinem 14-Jährigen-Ich sagen kannst: Du hast den Vogel, natürlich laufen wir über den roten Teppich!

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Spreefreunde