#Interview

“Gründen ist, als hätte man immer Hausaufgaben auf”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Man unterschätzt, wie geduldig man als Gründer:in sein muss. Irgendwann fängt man an zu akzeptieren, dass vieles nicht so funktioniert, wie man es sich auf dem Reißbrett ausgedacht hat", resümiert Magnus Schückes von Elona Health.
“Gründen ist, als hätte man immer Hausaufgaben auf”
Freitag, 7. Juli 2023VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Magnus Schückes Gründer von Elona Health. Das Startup aus Düsseldorf entwickelt Software für Psychotherapeut:innen und deren Patient:innen.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Der Morgen ist der strukturierteste Teil meines Tages und leider auch der klischeehafteste. Ich bin absolut kein Fan von Business-Gurus, die der Meinung sind, man müsse nur früh genug aufstehen, um erfolgreich zu sein. Aber für mich ist der Morgen die Zeit am Tag, in der ich am produktivsten sein kann, weil die wenigsten um diese Uhrzeit wach sind. Mit einem Smoothie und grünem Tee beginne ich meinen Arbeitstag zwischen 6 und 7 Uhr. Die Liebe zum Kaffee ist irgendwie an mir vorbeigegangen, daher gibt es für mich einen etwas milderen Koffein-Boost. Ab 10 Uhr beginnen dann in der Regel die ersten Update-Calls und Meetings. Ab dann herrscht Chaos.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Abschalten fällt mir auch nach Jahren noch sehr schwer. Gründen ist, als hätte man immer Hausaufgaben auf, weil es immer etwas zu tun gibt. Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, mindestens einmal am Tag an die frische Luft zu gehen, Sport zu treiben oder mich mit Freunden zu treffen. Oftmals sitze ich aber abends wieder am Computer und plane den nächsten Tag.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Man unterschätzt, wie resilient und geduldig man als Gründer:in sein muss. Irgendwann fängt man an zu akzeptieren, dass vieles nicht so funktioniert, wie man es sich auf dem Reißbrett ausgedacht hat und man einen zweiten oder dritten Anlauf braucht. Mit etwas Glück und Geschick klappt es dann irgendwann. Die Lernkurve ist dabei extrem steil. Trotzdem sollte man immer einen ordentlichen Puffer einplanen – sowohl zeitlich als auch mental. Wenn man geduldig genug ist, die Zahl der Fehler reduziert und nicht out of cash läuft, wird am Ende alles gut.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Als Startup im Gesundheitssektor muss man viel Zeit mitbringen. Zulassungsbescheide, Warten auf Ethikkommissionen, Verhandlungen mit Krankenkassen – hier tickt die Uhr einfach langsamer und die Branche ist weniger schnelllebig. Das verstehen nicht immer alle Geldgeber:innen, sodass von außen viel Druck entstehen kann, dem man standhalten muss. Hier die richtigen Investor:innen zu finden, war definitiv eine Mammutaufgabe.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Ich habe auf jeden Fall gelernt, Erfolge auch als solche zu feiern. Wenn man die erste erfolgreiche Finanzierungsrunde nicht feiert, feiert man auch die Seed und Series A nicht. Wenn man die ersten 10.000 Euro Umsatz nicht feiert, feiert man auch die erste Million Euro Umsatz nicht. Meistens redet man sich ein, keinen Grund zum Feiern zu haben, weil die nächste Herausforderung schon vor der Tür steht. Die wird es immer geben. Am Ende muss man auf die Zeit zurückblicken und auch trotz 80-Stunden-Woche sagen können: “Es war eine geile Zeit.”

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Wir haben das große Glück, in einer Branche und an einem Thema zu arbeiten, die für viele Menschen sehr attraktiv sind. Deshalb mangelt es uns in der Regel nicht an Bewerbungen von tollen Kandidat:innen. Die Kunst besteht letztlich darin, herauszufinden, ob der Funke überspringt und ob es gelingt, eine kulturelle Homogenität bei gleichzeitiger Heterogenität der Erfahrungen aufzubauen. Das ist aber einzig und alleine Aufgabe des Gründungsteams.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Gerade in der Anfangszeit haben wir kaum eine Gelegenheit ausgelassen, uns bei Acceleratoren, Wettbewerben und Pitches zu bewerben – mit sehr unterschiedlichen
Ergebnissen. Während man bei einigen Wettbewerben voll abräumt, geht man bei anderen leer aus. Das ist manchmal frustrierend, zumal solche Bewerbungen immer mit viel Arbeit verbunden sind und für junge Startups einen wichtigen Schub bedeuten können. Die Quintessenz: Überlege dir genau, worein du deine Energie und Ressourcen stecken willst. Lohnt sich die Teilnahme? Gibt es ein Netzwerk, Preisgelder, Expertise? Und vor allem: Ist eine Teilnahme mit einem verantwortlichen Umgang der eigenen Zeit vereinbar? Schließlich ist die Zeit der Gründer:innen das Wertvollste, was ihr habt.

Ohne welches externes Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Als Hersteller von Medizinprodukten haben wir sehr hohe regulatorische Anforderungen was die Dokumentation betrifft. Hier sind Confluence und Jira – mit den passenden Plugins und richtig eingesetzt – schon eine enorme Hilfe. Ohne welches Tool wir aber wirklich nicht mehr existieren würden und sicherlich etwas ungewöhnlich und einzigartig ist: Climedo. Dabei handelt es sich um ein Münchener Start-up, die ein Clinical Data Management System zur Verfügung stellen. Das nutzen wir regelmäßig zur regulatorisch- und datenschutzkonformen Erhebung von klinischen Studien.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Die Zusammensetzung des Teams und der freundschaftliche Umgang miteinander sind der Grundstein dafür, dass jeder auch bei kritischen Themen das Gefühl hat, gehört zu werden und seine Meinung sagen zu können. Als Rheinländer:innen sind wir aber auch per se mit einer guten Grundstimmung ausgestattet. Spätestens wenn bei unseren regelmäßigen Teamevents die Karnevalsmusik aus den Boxen dröhnt, sind sowieso alle Sorgen vergessen.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Die Zusage eines Investors in einer 30-sekündigen Sprachnachricht, ohne jemals mit ihm gesprochen zu haben. Sowas nennt man wohl blindes Vertrauen. Und wir könnten nicht glücklicher sein, ihn neben einer großartigen Gruppe von Angels an Bord zu haben.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Elona Health