#Entlassungen

Startup-Eiszeit: Profitabilität statt Wachstum

In der deutschen Startup-Szene wird wieder verstärkt auf die Kosten geschaut. Profitabilität statt Wachstum um jeden Preis ist nun das Ziel! Auch in den vergangenen Monaten haben sich deswegen wieder zahlreiche große Startups von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getrennt.
Startup-Eiszeit: Profitabilität statt Wachstum
Dienstag, 13. Juni 2023VonAlexander Hüsing

Es sind weiter schwierige Zeiten für Gründerinnen und Gründer. Richtig fette Investments gibt’s abgesehen von großen Ausnahmen wie etwa Enpal, GetYourGuide und Wefox weiter nur sehr wenige. Zudem investieren die großen US-Geldgeber derzeit so gut wie überhaupt nicht mehr in Deutschland. Aber auch in Frühphasen kommen Gründerinnen und Gründer bei Venture Capitalisten derzeit deutlich seltener zum Zuge.

Und dann sind da noch die zahlreichen Scaleups, die in diesem oder im kommenden Jahr auf Geldsuche gehen wollten. Was angesichts der derzeitigen Investmentflaute mehr als gewagt erscheint. Kurzum: Es ist derzeit in allen Startup-Phasen schwierig. Zumindest aber komplett anders als vor rund zwölf Monaten. Wie problematisch die Lage in Sachen Bewertungen ist, zeigt diese Zahl: 84 % aller europäischen Investoren sind der Meinung, dass Europas Einhörner überbewertet sind.

Zahlreiche Startups müssen wegen all dieser Herausforderungen weiter auf die Kostenbremse treten. Die Entlassungswelle in der deutschen Startup-Szene ist leider noch nicht vorbei. Auch weil die bestehenden Investorinnen und Investoren weiter zu Kosteneinsparungen mahnen. Die Zeit bis zum nächsten Investment kann weiter deutlich länger dauern als bei der letzten Investmentrunden geplant. Zudem entwickeln sich einige Segmente aufgrund der hohen Inflation der vergangenen Monate deutlich anders als vor einiger Zeit gedacht.

In der aktuellen Phase, in der es auch darum geht, nach innen und außen profitables Wachstum zu zeigen, überprüfen zudem viele Unternehmen die Produktivität und Qualität ihrer Teams. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz oder durch den Einsatz von weitreichenden Automatisierungstools lässt sich vielleicht mit weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Produktivität und letztendlich auch die Profitabilität steigern. So gelingt es vielleicht einigen Teams mit weniger Mitarbeitenden gleich viel Umsatz zu erwirtschaften.

Einen kleinen Lichtblick dagegen liefert eine aktuelle Bitkom-Umfrage: “In der Krise haben Startups Personal abgebaut – und denken jetzt wieder an Wachstum”. Im Schnitt beschäftigen Startups laut Umfrage derzeit 14 Beschäftigte. Vor einem Jahr waren es noch 20. Zugleich deute sich aber eine Trendwende an: “So haben aktuell 6 von 10 Startups (60 % ) offene Stellen, im Schnitt haben sie dabei 4 zu besetzende Positionen.” So richtig Aufbruchstimmung verbreiten diese Zahlen aber leider auch nicht.

Nun aber werfen wir noch einmal einen Blick auf die vielen Unternehmen, die sich zuletzt von Mitarbeiterinne und Mitarbeiter getrennt haben.

Staffbase 
Das Chemnitzer Unicorn Staffbase, das 2014 gegründet wurde, trennte sich Anfang Juni von 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In den vergangenen Jahren setzte das Unternehmen für Mitarbeiter-Apps in Sachen Wachstum vor allem auf Übernahmen und baute dabei seine Belegschaft immer weiter aus. Nach eigenen Angaben beschäftigte das Unternehmen an 13 Standorten zuletzt “mehr als 800 Mitarbeitende”. Nun möchte sich das Unicorn auf die “Standorte Berlin und Sachsen” konzentrieren. Mehr über Staffbase

CoachHub
Das Berliner EdTech-Startup CoachHub trennte sich Anfang Juni abermals von 10 % seiner Belegschaft. Das Unternehmen verwies dabei auf “einige strukturelle Veränderungen”, um “eine nachhaltige Geschäftsentwicklung zu gewährleisten”. Erst im Januar trennte sich das Unternehmen ebenfalls von 10 % seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zwischen 850 und 1.000 Mitarbeiter:innen arbeiteten damals für das Unternehmen. Das Berliner EdTech verbindet Führungskräfte und Mitarbeiter:innen von Unternehmen mit Coaches. Mehr über CoachHub

Taxfix
Das Berliner Steuer-Startup Taxfix trennte sich Anfang Juni  von 20 % bzw. 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Unicorn übernahm erst kürzlich  seinen Wettbewerber Steuerbot. Das TaxTech verwies dabei auf eine auf ein “schnelles Wachstum ausgerichtete Kostenbasis; insbesondere im Personal- und Marketingbereich”. Der Aufbau von Taxfix kostete bis Ende 2021 bereits beachtliche 95,6 Millionen. Das Unternehmen sammelte aber auch schon 335 Millionen US-Dollar ein. Mehr über Taxfix

McMakler
Das Berliner Makler-Startup McMakler trennte sich nach Juli und Oktober des vergangenen Jahres im Juni 2023 erneut von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diesmal war von 8 % der Belegschaft bzw. 60 Mitarbeitenden die Rede. Angestellte des Unternehmens berichten unterdessen von bis zu 100 Mitarbeitenden, die McMakler verlassen müssen. Im vergangenen Jahr mussten bereits rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Mehr über McMakler

OneFootball
Das Berliner Fußball-Grownup OneFootball trennte sich im Februar von Mitarbeitenden. “Today I am truly sorry to have to announce that we have reached a point where we need to take further measures in order to secure the future of what we have built as a team. This means that we are reducing the size of our global workforce from 470 to 320”, schrieb Gründer Lucas von Cranach in einem Statement. Wobei sich das Unternehmen bereits im Dezember von 62 Mitarbeiter:innen trennteMehr über OneFootball

Tier Mobility
Das Berliner Mobility-Unicorn Tier Mobility trennte sich Ende Januar von weiteren 100 Mitarbeiter:innen. Das Tier Mobility-Team spricht dabei von 7 % der Belegschaft. Bereits im August 2022 hatte das umtriebige Unternehmen 180 Mitarbeitende entlassen. Damals waren 16 % der Belegschaft betroffen. Die Jungfirma sammelte in den vergangenen Jahren bereits rund 650 Millionen US-Dollar ein – unter anderem von SoftBank, Mubadala Capital und Northzone. Mehr über Tier Mobility

Clue
Das Berliner Startup Clue, eine Zyklus- und Fruchtbarkeits-App, trennte sich im Januar von rund 25 % seiner Belegschaft. Rund 100 Mitarbeiter:innen arbeiteten zuletzt für Clue. “Unexpected things happens in a startup; we take risks as leaders without having complete data. So, as many other leaders have had to do right now, we have reduced the team size at Clue with a quarter to secure financial endurance”, schreibt Gründerin Ida Tin bei LinkedinMehr über Clue

In den vergangenen Monaten gab es zudem auch bei Circus, N26, Anyline, Runtastic, Moonfare, Zalando, heycar, Delivery Hero Entlassungen.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.