#Interview

“Keine Investitionen aufzunehmen war die absolut richtige Entscheidung”

Das gebootstrappte Unternehmen BuchhaltungsButler legte zuletzt einen Exit an Visma hin. Der Weg dahin war nicht immer einfach. "Es ist schon eine längere Durststrecke, aber ich würde diesen Weg wieder gehen", sagt Gründer Maximilian Zielosko.
“Keine Investitionen aufzunehmen war die absolut richtige Entscheidung”
Dienstag, 28. Februar 2023VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup BuchhaltungsButler, 2015 von Konrad Nerger und Maximilian Zielosko gegründet, möchte den Prozess der Finanzbuchhaltung automatisieren. Kürzlich übernahm der norwegische Softwarekonzern Visma das zuvor gebootstrappte Unternehmen. “Wir bleiben eigenständig mit unserer Brand und unserem Team, aber greifen nun auf ein riesiges Netzwerk aus Experten zurück. Von diesem Wissen wird BuchhaltungsButler stark profitieren. Das merken wir bereits in den ersten Wochen”, sagt Gründer Maximilian Zielosko.

An einem Verkauf hatten die Hauptstädter zuvor gar nicht gedacht! “Wir hatten eigentlich in diesem Jahr noch gar nicht damit gerechnet, dass es zu einer Akquisition kommen könnte. Als Visma uns kontaktiert hatte, war es dann aber plötzlich soweit – es ist einfach ein perfekter Fit gewesen”, sagt Zielosko. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Buchhaltungsbutler-Macher außerdem über Bootstrapping, Marketing und Marktführerschaft.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Buchhaltungsbutler erklären?
Gute Frage (lacht) – wir entwickeln ein Computerprogramm, das die Buchhaltung fast ganz automatisch erledigt. Kleine Unternehmen können damit ihre Buchhaltung ohne Buchhalter ganz einfach selbst erledigen und es dauert nicht länger, als die Buchhaltung für den Steuerberater vorzubereiten. Unternehmen sparen dadurch Geld und weil Steuerberater eh überlastet sind, machen wir alle glücklich: Unternehmen und Steuerberater, denn die können ja immer noch den lukrativen Abschluss machen.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Wir haben tatsächlich als reines Pre-Accounting System angefangen. Belege erkennen, zur Zahlung sortieren und diese Daten zusammen mit einem Buchungsvorschlag strukturiert zum Import in eine Steuersoftware ausgeben. Hiervon ausgehend haben wir uns aber recht schnell zu einer ganzheitlichen Buchhaltungssoftware entwickelt, in der ich auch eine Bilanz sehen kann. Über diese Entwicklung bin ich sehr froh, denn gleichzeitig mit uns hat auch Candis gestartet, mit einer sehr ähnlichen Idee aber viel mehr Ressourcen. Sie sind lange dabei geblieben, haben vor nicht allzu langer Zeit einen Pivot gemacht und machen heute Rechnungsfreigabe-Prozesse. Der Markt für reine Pre-Accounting Systeme ist also sehr schwierig.

Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Unsere Kunden zahlen eine monatliche Gebühr für die Nutzung unserer Software. Dazu verdienen wir auch Geld über White-Labeling: Wir sind meines Wissens der einzige Anbieter in Deutschland, der Buchhaltungstechnologie als volle White-Label-Lösung anbietet.

Wie ist überhaupt die Idee zu Buchhaltungsbutler entstanden?
Der Anstoß für ein gemeinsames Projekt kam von meinem Mitgründer Konrad; die Idee, die Buchhaltung zu automatisieren kam von mir. Die Idee haben wir dann über die Jahre mal mehr und mal weniger verflucht, denn es ist eine unglaublich komplexe Thematik. Mittlerweile sind wir aber sehr glücklich mit dem Erreichten und sehr dankbar, dass unser Team an unsere Vision geglaubt hat.

Wie hat sich Buchhaltungsbutler seit der Gründung entwickelt?
Wir haben aktuell mehrere tausend Kunden und mehrere Millionen ARR. Unser Team besteht aktuell aus 30 Leuten.

Kürzlich wurde BuchhaltungsButler von Visma übernommen. Wie kam es zu diesem Exit?
Wir hatten eigentlich in diesem Jahr noch gar nicht damit gerechnet, dass es zu einer Akquisition kommen könnte. Als Visma uns kontaktiert hatte, war es dann aber plötzlich soweit – es ist einfach ein perfekter Fit gewesen.

Wie genau geht es nach dem Exit nun weiter?
Wir bleiben eigenständig mit unserer Brand und unserem Team, aber greifen nun auf ein riesiges Netzwerk aus Experten zurück. Visma ist in vielen Ländern Europas Marktführer im Bereich Financial Management Software und hat über 170 SaaS Firmen unter seinem Dach. Von diesem Wissen wird BuchhaltungsButler stark profitieren. Das merken wir bereits in den ersten Wochen.

Ihr habt BuchhaltungsButler in den vergangenen Jahren ohne Investor:innen aufgebaut. Was rätst du anderen Gründer:innen, die sich für Bootstrapping entscheiden?
Es ist schon eine längere Durststrecke, aber ich würde diesen Weg wieder gehen. Wenn Du ein Business hast, welches kein Marktplatzmodell in einem “Winner takes it all”-Markt ist, was wohl für die meisten Businesses der Fall sein sollte, spricht aus meiner Sicht erst einmal viel für Bootstrapping oder alternative Finanzierungsmöglichkeiten, von denen es erstaunlich viele gibt. Mit Venture Capital ist der Weg vorprogrammiert – es muss ein Exit her, denn so funktioniert Venture Capital. Aber für ein Unternehmen gibt es ja viele andere Möglichkeiten und einen Exit verbaue ich mir nicht, nur weil ich kein Venture Capital aufgenommen habe. Alle anderen Möglichkeiten, wie zum Beispiel ein profitables Unternehmen langfristig zu führen, aber schon. Ich würde diesen Weg daher wieder gehen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir haben zum Glück keine größeren falschen Entscheidungen, was das Produkt anbelangt, getroffen. Ich wünsche mir, wir hätten aber etwas früher erkannt, dass im Zweifel nicht das beste Produkt, sondern die Firma mit dem besten Marketing gewinnt. Marketing haben wir lange unterschätzt.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Ich bin insbesondere sehr glücklich über unsere Finanzierungssituation. Keine Investitionen aufzunehmen, obwohl wir mehrfach Angebote hatten, war die absolut richtige Entscheidung.

Wo steht Buchhaltungsbutler in einem Jahr?
In einem Jahr sind die Weichen für den Angriff auf die Marktführerschaft in Deutschland gestellt!

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Foto (oben): Buchhaltungsbutler

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.