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“Bootstrapping ist kein Sprint, sondern ein Marathon”

Wer das Millionenspiel mit Investor:innen nicht mitmachen möchte, setzt auf Bootstrapping. "Die harte Begrenzung des Budgets hat uns gezwungen, den Fokus zu behalten", sagt Marlena Hien von Bears with Benefits. "Dank Bootstrapping konnten wir flexibel und frei in unseren Entscheidungen agieren", sagt Jenny von Podewils von Leapsome.
“Bootstrapping ist kein Sprint, sondern ein Marathon”
Montag, 30. Januar 2023VonTeam

Regelmäßig bitten wir junge und gestandene Gründerinnen und Gründer, die ihr Unternehmen ohne Investorengelder aufbauen und somit auf Bootstrapping setzen, zum Interview. Eine Frage, die wir dabei häufig stellen: Wie war der Start ohne fremdes Geld – was geht recht einfach, was ist als Bootstrapping-Startup recht schwierig? Hier 13 Antworten auf diese spannende Frage.

Wir haben davon profitiert, dass sich Kajetans und meine Kompetenzen sehr gut ergänzen, insbesondere meine Erfahrung im Vertrieb und Kajetans Coding-Expertise sowie Erfahrung in der Entwicklung von Produkten. Dadurch konnten wir mit einem kleinen Gründerteam ein Produkt bauen, verkaufen und erste Umsätze generieren. Bis heute profitieren wir übrigens von unserer selbst finanzierten Gründungs- und Wachstumsgeschichte. Einerseits mussten wir das Produkt radikal an die Bedürfnisse der Kunden ausrichten, damit diese es nutzen und dafür auch gewillt sind, Gebühren zu bezahlen. Andererseits mussten wir alle internen Prozesse sehr kapitaleffizient gestalten, um aus den eigenen Umsätze unser Wachstum finanzieren zu können. Zudem konnten wir dank Bootstrapping flexibel und frei in unseren Entscheidungen agieren. Angesichts der aktuellen Stimmungslage an den VC-Märkten sind wir umso glücklicher ein kapitaleffizientes Unternehmen mit echtem Wachstum in Form von  steigenden Umsätzen aufgebaut zu haben.
Jenny von Podewils, Leapsome 

Unser Start war 2007, seitdem hat sich sicher einiges am Markt verändert. Rückblickend würde ich sagen, dass der Bootstrapping-Spirit doch ein anderer ist. Als Gründer:in hat man mehr das Gefühl, mit ein paar Gleichgesinnten etwas richtig Cooles zu bauen – ohne zu großem Druck von außen. Jeder Euro ist viel wert, weil es ja das eigene Geld ist. Darum denkt man auch über jede Ausgabe lange nach und fokussiert stark. Das hat natürlich auch Nachteile: Du bewegst dich langsamer, sparst vielleicht anfangs etwas mehr beim Hiring, und hast natürlich auch viel weniger Marketing-Budget als die vorhandene und ggf. besser finanzierte Konkurrenz.
Michael Hollauf, Meister

Als Gründer ohne fremdes Geld haben wir anfangs alles selbst gemacht. Das ist natürlich anstrengend, weil es an alle Ecken und Enden etwas zu tun gibt. Gleichzeitig mussten wir uns absolut fokussieren und schnell ausprobieren. Sobald wir Umsätze hatten, konnten wir das Team aufbauen, aber eben nur Schritt für Schritt, finanziert aus dem Cashflow. Fremdfinanziert kann man das sicher etwas beschleunigen. Dennoch würden wir nicht sagen, der eine oder der andere Weg ist der bessere. Für uns war es so einfach der passende Weg. Heute sind wir an einem Punkt, an dem wir ganz selbstbewusst sagen können, wir können schnell aus dem Cashflow wachsen, ohne dass wir eine externe Finanzierung brauchen. Das kann in einem Jahr anders aussehen, aktuell aber steht unser Unternehmen sehr solide da.
Diana Knodel, fobizz 

Wir hatten das Quäntchen Glück, schon erste Kunden kurz nach der Gründung zu gewinnen. Damals waren mein Mitgründer Stefan Melbinger und ich noch angestellt im Konzern. Wir hatten ein festes Gehalt – das hat einiges erleichtert. Doch erst als wir den Fokus vollständig auf unser Startup gerichtet haben, konnten wir richtig durchstarten: Mein Mitgründer Stefan hat sich auf die Software-Entwicklung und alle anderen technologischen Challenges konzentriert, ich habe den Vertrieb und die Kundenbetreuung übernommen. Wir konnten zu dieser Zeit „einfach mal machen“ und Dinge ausprobieren – das war großartig. Niemand hat uns reingeredet. Doch haben uns mitunter auch die Kapazitäten gefehlt, das mit der nötigen Power anzugehen. Durch das Fehlen von Fremdkapital kamen Strategieentwicklung, Sales und Marketing nur verlangsamt voran. Zeitweise hatten wir zu befürchten, dass andere schneller sein könnten als wir und das Feld schon abgrasen, bevor wir es bestellen. Wir mussten uns zusätzlich noch um alles Operative kümmern – damit war es manchmal schwierig, den Blick auf die Zukunft zu richten und mit klarem Fokus zu skalieren. Inzwischen ist das zum Glück ganz anders: Wir sind trotz anfänglich moderater Geschwindigkeit ein Marktführer für Matching-Lösungen. Und wir haben ein tolles Team, das alle täglichen Aufgaben routiniert meistert und neue, kreative Ideen einbringt.
Christoph Drebes, Mystery Minds

: Wer von Anfang an profitabel arbeiten muss, muss auch täglich den “Proof of Concept” bestehen und das ab dem ersten Tag. Das ist natürlich nicht immer einfach. Besonders am Anfang fehlt das Geld an allen Ecken: Produkt, Marketing, Design – am liebsten will man ja alles gleichzeitig angehen. Hier hat uns unser Agentur-Hintergrund natürlich sehr geholfen – wir beide waren zuvor zehn Jahre lang in einer Kommunikations- und Digitalagentur tätig -, da wir vieles intuitiv richtig gemacht haben und ohne externe Unterstützung umsetzen konnten. Die harte Begrenzung des Budgets beim Bootstrapping hat uns gezwungen, den Fokus zu behalten, denn man stellt sich immer die Frage: Bringt mir diese Investition mehr Umsatz? Stimmt der Return? Brauche ich diesen Mitarbeiter wirklich? Wir haben zum Beispiel anfangs komplett auf Marketingbudget verzichtet und nur den organischen Traffic auf Amazon genutzt. Durch die permanente Optimierung von Keywords und unseres Listings haben Menschen, die nach unserer Produktgruppe gesucht haben, Bears with Benefits gefunden und sich für unser Produkt entschieden. Die Gewinne haben wir dann komplett reinvestiert. Als großen Vorteil des Bootstrappings sehen wir, dass wir uns voll auf unser Produkt und die Firma konzentrieren konnten – es wurde kein Fokus durch zeitintensives Fundraising oder das Reporten an Investoren verloren. Wir müssen nur eine einzige Partei beeindrucken: unsere Kunden.
Marlena Hien, Bears with Benefits

Das Gründungsteam hatte zuvor bereits in einem Startup eine erfolgreiche App entwickelt und brachte alles mit, um unser Produkt schnell realisieren zu können. Somit kamen wir recht kostengünstig zum MVP und auch bald zu einem Umsatz, von dem wir leben konnten. In den ersten Jahren gab es dennoch einige sinnvolle Möglichkeiten zum Marketing, die wir aus finanziellen Gründen nicht wahrnehmen konnten. Wir waren auch sehr darauf angewiesen, dass uns unsere Kunden weiterempfehlen. Besonders die Vorträge von unseren Pilotkunden über die Erfahrungen mit unserem Produkt hatten auf uns aufmerksam gemacht.
Christian Kiefer, Mobile Learning Labs

Ganz klar ist das Budget anfangs sehr begrenzt. Eine sorgfältige Vorbereitung und Planung ist daher das A und O. Wir haben zu Beginn viel probiert und Dinge, die nicht funktioniert haben, wieder verworfen. Ganz konkret im Bereich Online-Marketing. Zu Beginn haben wir ganz klassisch aus dem Home Office gearbeitet und jeden Cent reinvestiert. Dann kam der Umzug in den Co-Working Space und irgendwann reichte der Überschuss für ein kleines Bürozimmer und die ersten drei Festangestellten – dies war Mitte 2019. Bis dahin habe ich mein Gehalt in einem Teilzeitjob verdient und nebenher das Business organisiert und sieben Tage die Woche Support gemacht. Das war anstrengend, hat aber riesigen Spaß gemacht, weil ich jeden Tag mit Menschen gesprochen habe, denen unsere Produkte geholfen haben.
Lars Reimann, mySheepi

Die größte Herausforderung stellte sich mir tatsächlich erst, als ich wusste, dass ich bei der ProSieben Erfinder-Show “Das Ding Des Jahres” auftreten darf. Ich wollte diese Chance nutzen. Es war klar, dass meine Lagerbestände nicht ausreichen würden, um die Anzahl an Bestellungen nach der Show auch nur ansatzweise zu bewältigen. Also musste ich das erste mal für meine Idee einen Kredit aufnehmen, um mehr Produkte vorzuproduzieren. Tatsächlich habe ich weniger verkauft als erwartet, aber auch dies hat mir gezeigt: Ich darf mich niemals von einzelnen Kanälen wie TV oder Facebook abhängig machen.
Enis Ayari, bumpli

Nicht einfach, aber ohne Druck von außen, mit voller Entscheidungskontrolle und starker Kostendisziplin von Anfang an. Schwierig ist es natürlich vor allem wegen des eingeschränkten Kapitalvolumens und damit einher gehenden Wachstumsrestriktionen. Einen weiteren Vor- und gleichzeitig Nachteil, je nach Phase und Bedeutung, stellt die Tatsache dar, dass vieles in Eigenregie gemacht werden muss. Inzwischen wurden bereits einige Sachen, wie Buchhaltungs- und Steuerprozesse, ausgelagert. Auch bei der Entwicklung und Umsetzung von Marketingkampagnen arbeiten wir inzwischen vermehrt mit Externen zusammen. Mit dem Wachstum wachsen aber auch die Aufgaben sowie die Themenbereiche. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einigen Themen externe Unterstützung unabdingbar wird. Weder zeitlich, noch fachlich, kann ich alleine alles abdecken. Um die technische Umsetzung bzw. Entwicklung der Plattform kümmern sich von Anfang an IT-Profis. Bei rechtlichen Angelegenheiten verlassen wir uns von Anfang an auf unseren externen Berater. Ich muss aber unterstreichen, dass das Wort §Extern§ eher einen rechtlichen Charakter hat. Alle sind Teammitglieder und die Kooperation läuft wunderbar. Was zum Beispiel auch schwierig ist, die Zeiten, wie aktuell, ohne externer Unterstützung zu überbrücken. Wir hätten gerne auch viel mehr aus unserer Agenda umgesetzt. Einige Punkte werden aber höchstwahrscheinlich nun ein wenig länger dauern. Wir bewerten aber unsere Finanzierungsstrategie immer wieder neue und halten uns alle Optionen offen.
Rasim Heydarov, PianoMe

Die Vorteile waren für uns vor allem, dass wir uns komplett auf die Execution und unser Produkt konzentrieren konnten. Wir haben gerade in den Anfangsjahren keine Zeit mit „Financial Engineering“ und der Suche nach Investoren verschwendet. Stattdessen haben wir angepackt, sind nach sehr kurzer Zeit an den Markt gegangen und haben mit Kunden gemeinsam gelernt sowie die Produkte weiterentwickelt. Das Thema Skalierung kam bei uns erst relativ spät, nämlich als wir gemerkt haben, wie der Markt genau funktioniert und wie man in der Breite neue Kunden gewinnen kann. Aus Gesellschaftersicht kommt natürlich noch hinzu, dass es bis zuletzt keine Verwässerung für uns Gründer gab. Aber natürlich gab es auch diverse Nachteile. Als Bootstrapping-Startup ist es natürlich schwieriger in die einschlägigen Startup-Medien beispielsweise zu kommen aufgrund von fehlenden Investmentrunden. Wir haben auch die eine oder andere unnötige Schleife mehr gedreht, was durch das Wissen und die Erfahrung von Business Angels oder VCs hätte sicherlich vermieden werden können.
Jan Marius Marquardt, Coyo

Wenn man eine Agentur gründet, hat man den Vorteil, dass man seine Arbeit direkt monetarisieren kann. So kann man die Wachstumsgeschwindigkeit relativ gut selbst steuern, da man keinen Druck von Investoren hat. Wenn man jedoch vom ersten Tag an eine eigene Softwarelösung entwickeln möchte, geht dies mit einer Fremdfinanzierung natürlich schneller, da man dann etwas entscheidungsfreudiger die nötigen Ressourcen bereitstellen und die entsprechenden Mitarbeiter einstellen würde. Insgesamt ist man beim Bootstrapping nämlich bei vielen Entscheidungen eventuell auch zu vorsichtig. Ein Beispiel: Unser Office war wie erwähnt bisher nach jeweils 1,5 Jahren eigentlich schon wieder zu klein für uns. Wenn man mit externem Geld bereits früher etwas mehr finanziellen Spielraum hat, kann man sicherlich direkt etwas offensiver planen und sich die Kosten und den Aufwand für Umzüge später dann womöglich sparen.
Hannes Detjen, Remazing

Am Anfang war es recht einfach, weil wir zu zweit waren. Markus und ich mussten lediglich sicherstellen, dass wir uns selbst finanzieren können. Ich hatte damals den Gründerzuschuss beantragt, nebenbei Workshops gegeben und ein bisschen Geld gespart. Markus hatte ein Einkommen durch sein erstes gegründetes Start-up. Da wir mit bettercoach direkt Umsätze generiert haben, konnten wir unsere Kosten decken. Schwieriger wurde es mit dem Wachstum und der Einstellung neuer MitarbeiterInnen. Unsere große Herausforderung ist, dass die Entscheidungszyklen bei den großen Unternehmen sehr lange dauern, teilweise bis zu 18 Monaten. Hierfür haben wir dann Brückenfinanzierungen über Kredite in Anspruch genommen.
Rouven Faasch,, bettercoach

Es ist relativ easy, die Firma zu gründen. Das Setup mit Einträgen in die nötigen Register, Firmenanmeldung und so weiter. Schwierig war und ist es dagegen, den Fokus zu behalten und durchzuhalten. Bootstrapping ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Das braucht viel Geduld und die Bereitschaft, weniger Geld zu verdienen. Da kann die Motivation schon mal in den Keller gehen. Und der Druck ist freilich ein ganz anderer, wenn du dein Startup selbst finanzierst.
Thomas Reppa, CoffeeCup

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Foto (oben): Shutterstock