#Interview

“Auch wir müssen auf Flexibilität setzen”

Wie lief es 2022 bei der Bloomwell Group? "Wir haben die erste deutsche Cannabis-Marke für Lifestyle und Community gestartet. Zudem haben wir Forschungskooperationen initiiert, um mehr Evidenz zu generieren. Wir sind extrem stolz auf unser Jahr 2022", sagt Gründer Niklas Kouparanis.
“Auch wir müssen auf Flexibilität setzen”
Mittwoch, 18. Januar 2023VonAlexander Hüsing

Unter dem Dach der Bloomwell Group aus Frankfurt am Main, die vom Farmako-Macher Niklas Kouparanis, Anna-Sophia Kouparanis, Samuel Menghistu und Julian Wichmann gegründet wurde, tummeln sich Cannabis-Marken wie Algea Care, Breezy und Ilios-Sante. Der amerikanische Kapitalgeber Measure 8 Venture Partners und M4 Capital investieren zuletzt 10 Millionen US-Dollar in die Jungfirma.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Gründer Niklas Kouparanis einmal ausführlich über das kürzlich abgelaufene Jahr.

2022 ist gerade rum. Was war das Highlight im vergangenen Jahr bei Euch?
Die Bundesregierung hat sich daran gemacht Cannabis als Genussmittel zu regulieren. Wir haben von Anfang an davor gewarnt, dass dies eine regulatorische Mammutaufgabe wird. Höhepunkt waren dabei sicher die Expert-Hearings, die der neue Drogenbeauftragte Burkhard Blienert initiiert hat. Mehr als 200 Expert:innen kamen im Rahmen dieses Konsultationsprozesses zu Wort. Auch wir waren Teil des Hearings und haben unsere Gedanken aktiv eingebracht. Für uns ist es ein ganz wesentlicher Schritt, dass die Legalisierung gemeinsam mit der Gesellschaft gestemmt wird. Dann wurde im Oktober das Eckpunktepapier vorgestellt. Sicherlich ein Höhepunkt, aber wir wissen nun, dass dieses Papier für ein grünes Licht durch die EU-Kommission nicht ausreichen wird. Karl Lauterbach sollte sich daher schleunigst an das Ausarbeiten des Gesetzes machen und für den Fall der Fälle einen Plan B in petto haben. Für unser eigenes Unternehmen zählten mehr als 50.000 Behandlungen über Algea Care, Europas größter Telmedizin-Plattform für medizinisches Cannabis und der Start unseres Online-Marktplatzes für Cannabis-Apotheken zu den absoluten Höhepunkten. Grüne Brise ist deutschlandweit der erste Marktplatz dieser Art. Unvergesslich auch unsere Teilnahme an einer der größten nordamerikanischen Konferenzen in Las Vegas im November: Wer dort vor Ort war, konnte einen Vorgeschmack bekommen, was in den kommenden Jahren auf uns zukommt.

Es herrscht derzeit Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Was ist Deine Sicht auf diese Eiszeit?
Auch in der europäischen Cannabis-Industrie gab es weniger Finanzierungsrunden als zuvor. Ich bin zweigespalten: Einerseits tut uns in unserer Industrie ein Fokus auf umsatzstarke Geschäftsmodelle, die echten Mehrwert generieren teilweise auch gut, andererseits werden wir viel Kapital benötigen, um die Infrastruktur für den dann größten Cannabis-Binnenmarkt weltweit aufzubauen – grünes Licht durch die EU vorausgesetzt. Ganz persönlich bin ich der Meinung, dass wir in Deutschland ohnehin zu risikoavers sind, uns öfter an mutig an wirklich neue Dinge ran trauen sollten. Ich hoffe, dass die Rezession uns im Wettbewerb um echte Innovationen, die per Definition auch mal scheitern können, nicht noch weiter zurückwirft. Die Bundesregierung und die EU müssen die Förderung von Startups gerade jetzt stärken!

Wie lief 2022 wirtschaftlich für Euch – habt ihr alle eure Ziele erreicht?
Wir haben mit unser Tochterfirma Breezy Brands die erste deutsche Cannabis-Marke für Lifestyle und Community gestartet, um der Cannabis-Kultur jetzt schon ein zuhause zugeben. Wir haben Deutschlands ersten Marktplatz für Cannabis-Apotheken gestartet – in einem regulatorisch extrem anspruchsvollen Umfeld und über unseren Telemedizin-Anbieter Algea Care hatten wir über 50.000 Cannabis-Behandlungen. Zudem haben wir Forschungskooperationen initiiert, um mehr Evidenz zu generieren. Wir sind extrem stolz auf unser Jahr 2022.

Was lief 2022 bei Euch nicht rund?
Auch wir müssen angesichts der makroökonomischen Lage auf Flexibilität setzen. Zumal in unserer jungen Cannabis-Industrie niemand wirklich weiß, wann und wie Cannabis als Genussmittel hierzulande legalisiert wird. Diese Szenarien-Planung ist anspruchsvoll, uns 2022 aber sehr gut gelungen. So haben wir unsere Prozesse und Strategie an das Marktumfeld angepasst und sind durch unsere breite Aufstellung in der Lage, auf Veränderungen zu reagieren. Zudem waren auch 2022 die regulatorischen Hürden hoch, da Cannabis als Betäubungsmittel eingestuft ist. Wir hoffen sehr auf eine zeitnahe Reklassifizierung.

Welches Projekt steht bei Euch für 2023 ganz oben auf der Agenda?
Zunächst einmal starten wir eine Series-A-Runde. Zudem haben wir alle Puzzleteile zusammen, um weiter stark zu skalieren und gehen davon aus, dass 2023 unser mit Abstand erfolgreichstes Jahr wird. Wie alle blicken wir auch gebannt auf die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel in Deutschland. Wir wollen uns mit der Bloomwell Group darauf vorbereiten, Konsument:innen von Tag eins an zuverlässig und bundesweit mit qualitativ hochertigem Cannabis zu versorgen. Im medizinischen Bereich werden wir weiter alles daran setzen, in einem hoch regulierten Umfeld den Zugang zur cannabinoidbasierten Therapie und ärztlicher Expertise weiter zu vereinfachen.

Tipp: Mehr Rück- und Ausblicke findet ihr in unserem Jahresrückblick.

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Foto (oben): Tourlane

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.