#Interview

“Viel wichtiger, dass man alles perfekt macht, ist, dass man erstmal anfängt!”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Ich liebe den Gründeralltag, man lernt jeden Tag etwas Neues, entwickelt sich ständig weiter und kann zu dem noch ein Unternehmen nach seinen Werten aufbauen. Klar gibt es Hürden, aber die sind es sowas von wert!", ist sich Larissa Schmidt, Gründerin vom Fashion Label saint sass, sicher.
“Viel wichtiger, dass man alles perfekt macht, ist, dass man erstmal anfängt!”
Freitag, 26. August 2022VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antworten Vivien Wysocki und Larissa Schmid, die beiden Gründerinnen des Berliner Fashion Startups saint sass für Mode mit Statements.

Wie startest ihr in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Wysocki: Sehr basic! Ich bin jedenfalls nicht eine der wahnsinnigen Gründerinnen, die um 5 Uhr morgens aufstehen und bis 7 Uhr alles erledigt haben (lacht). Ich genieße morgens erstmal das Frühstück mit meinem Verlobten und informiere mich über das Weltgeschehen oder höre mir coole Business Podcasts an. Ich fahre fast täglich ins Büro, wo wir mit unserem Team an einem großen Tisch sitzen. Wir machen vormittags eine stille “deep work” Phase, nach dem Mittag fangen dann die Calls und Teambesprechungen an.
Schmid: Ich bin in Gegensatz zu Vivien leider ein kleiner Routinen Freak. Aktuell ist meine Morgen Routine an das Konzept von 5 am Club angelehnt. Heißt ich starte mit einer kurzen Sport Session und einer kalten Dusche in den Tag, gefolgt von einer 10-minütige Meditation. Beim Frühstücken und Anziehen höre ich dann am liebsten einen Podcast wie Fast & Curios von Lea-Sophie Cramer und Verena Pausder, On Purpose von Jay Shetty oder Snocksulting. Ich muss aber ehrlich zugeben, dass das jetzt auch nicht immer klappt.

Wie schaltet ihr nach der Arbeit ab?
Wysocki: Ich arbeite so viel am und mit dem Handy, dass es mich schon alleine dadurch erholt, es wegzulegen und sich den kurzweiligen Reizen zu entziehen! Und ansonsten ist es ein guter Mix aus Freunde sehen, auf Veranstaltungen gehen oder auch mal für mich alleine zu sein, damit ich “ungerichtete” Momente haben: also meine Gedanken ohne Agenda einfach mal laufen lassen.
Schmid: Ich bin ganz ehrlich, abschalten fällt mir persönlich super schwer, am besten klappt das tatsächlich, wenn ich mein Handy verbanne und keine Benachrichtigungen oder Mails bekommen. Das heißt: abends am liebsten Dinner mit Friends OHNE Handy.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättet ihr gerne vor der Gründung gewusst?
Wysocki: Zwei Punkte: Viel wichtiger, dass man alles perfekt macht, ist, dass man erstmal anfängt! Ganz nach dem Motto: Better done, than perfect! Zweiter Punkt: Eine gute Beziehung zu deinen Geschäftspartnern bzw. deinen Co-Foundern ist essentiell. Man heiratet quasi beruflich.
Schmid: Alles. Dann hätte ich mich schon viel früher getraut zu gründen. Nein ohne Witz: ich liebe den Gründeralltag, man lernt jeden Tag etwas Neues, entwickelt sich ständig weiter und kann zu dem noch ein Unternehmen nach seinen Werten aufbauen. Klar gibt es Hürden, aber die sind es sowas von wert!

Was waren die größten Hürden, die ihr auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Wysocki: Falschen Perfektionismus! Als Gründer:in muss man schnell sein, anfangen, testen und im zweiten Schritt optimieren. Man muss sehr gut in dem werden, was man tut, aber wenn es einen daran hindert, anzufangen, dann ist das definitiv ein falscher Perfektionismus. Den musste ich erstmal ablegen lernen.
Schmid: Meine größte Hürde war es, die Angst vor dem Scheitern abzulegen. Wir sind oft viel sehr damit beschäftigt, was andere von uns denken könnten und was passiert, wenn etwas nicht klappt. Ich habe bisher drei Start-ups mitgegründet und zwei davon sind “gescheitert”. Ohne diese Erfahrungen wäre ich aber heute niemals da, wo ich jetzt bin. Am Ende sind es die Sachen, die wir nicht gemacht haben, die wir bereuen.

Was waren die größten Fehler, die ihr bisher gemacht habt – und was habt ihr aus diesen gelernt?
Schmid: Wir haben gerade am Anfang aus Cash-Flow Gründen sehr wenig Spielraum bei der bestellten Warenmenge eingerechnet. Das hatte zur Folge, dass wir nie unsere versprochenen Lieferzeiten einhalten konnten, da unsere Produzenten fast immer Verzögerungen bei der Warenanlieferung hatten. Wir haben dann jeden betroffenen Kunden angeschrieben und uns persönlich entschuldigt. Das ganze natürlich zusätzlich zum Weihnachtsgeschäft und während der Finanzierungsrunde, das hat Vivien und mich auf jeden Fall einige schlaflose Nächte gekostet.
Wysocki: Ja genau. Das war ein riesengroßes Thema. Unsere Kundinnen waren zum Glück sehr nachsichtig, weil wir es ihnen transparent erklären konnten… und weil das einfach tolle Kundinnen sind. Aber nochmal möchten wir ihnen das nicht zumuten. Ansonsten bestehen die größten Fehler eher im Kleinen: nicht richtig zu delegieren, zum Beispiel. Wenn man das nicht gut macht, kostet das Zeit und ist ineffzient. Auch das müssen wir täglich als frisch gebackene Führungskräfte lernen und werden Tag für Tag besser darin.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Schmid: Bis jetzt sind wir ziemlich gut damit gefahren ein starkes Branding aufzubauen und darüber coole Bewerbungen zu bekommen. Uns fällt es vor allem leicht in den Bereichen Branding, Produkt, Social Media, Influencer super Bewerbungen zu kommen, aber gerade bei den Themen wie Performance Marketing oder Finance fällt es uns schwerer.
Wysocki: Ja, hier brauchen wir tatsächlich selbst noch den ein oder anderen Tipp! Ansosnten können wir gerade kleinen Teams empfehlen, über Praktikantenstellen Ausschau nach tollen Mitarbeitern zu halten, weil sich unentdeckte Talente schon oft im Praktikum zeigen.

Welchen Tipp habt ihr für andere Gründer:innen?
Schmid: Keine Angst vor dem Scheitern zu haben und erstmal einfach machen. Generell sind Vivien und ich damit bis jetzt sehr gut gefahren, auch wenn wir keine Ahnung von manchen Dingen hatten, haben wir uns einfach voll reingestürzt und uns on the go die nötigen Skills selbst angeeignet oder uns externe Hilfe dazu geholt!
Wysocki: Ja, das hätte ich auch so gesagt, und zum letzten Punkt: einfach mal andere um Rat fragen, wenn man nicht weiterkommt. Es gibt sehr viele erfahrene Menschen, die gerne helfen. Und es ist sogar ein Kompliment! Denn um Rat bitten heißt nichts anderes als: ich lege Wert auf deine Meinung und schätze deine Kompetenz.

Ohne welches externes Tool würde euer Startup quasi nicht mehr existieren?
Wysocki: Social Media! Okay, das ist ein totaler no brainer (lacht). Dann sagen wir mal: Canva. Damit mache ich gefühlt alles, was mit Branding zu tun hat.
Schmid: Excel. Kann man eine Hassliebe für Excel Tabellen haben?

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Schmid: Auch Zeit außerhalb des Arbeitsalltags verbringen. Zum Beispiel gehen wir nächste Woche auf Workcation nach Mallorca mit dem kompletten Team, da freu ich mich total darauf! Generell ist uns unser Team und, dass jeder mit einem Lächeln in die Arbeit kommt, extrem wichtig.
Wysocki: Genau, Zeit zusammen außerhalb von Arbeit ist wichtig und schweißt zusammen! Man verbringt so viel Lebenszeit zusammen, wir alle wünschen uns ein tolles Teamumfeld und für uns hat das eine große Priorität.

Was war euer bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Schmid: Generell haben Vivien und ich ein Faible für Last-Minute Aktionen, zum Beispiel haben wir unser Peace Kollektion, die wir im Zuge des Ukraine Kriegs gelauncht haben.
Wysocki: Ja, die PEACE Kollektion haben wir innerhalb von vier Tagen und drei schlaflosen Nächten auf die Beine gestellt! Die Erlöse haben wir gespendet, da ist richtig was zusammengekommen, was uns als Start-up sehr stolz gemacht hat.

Foto (oben): saint sass