#Interview

“Erfolg bringt automatisch viele Herausforderungen mit sich”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Der erste Blick am Morgen geht bei mir aufs Handy: ich checke die ersten Kennzahlen. Dann kommen – mit einer Tasse Kaffee in der Hand – die täglichen Meetings und Standups", sagt Ramin Mohammadi, Gründer von Teppana.
“Erfolg bringt automatisch viele Herausforderungen mit sich”
Mittwoch, 17. August 2022VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Ramin Mohammadi, Gründer von Teppana. Das Hamburger Startup setzt auf Teppiche.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Der erste Blick am Morgen geht bei mir aufs Handy: ich checke die ersten Kennzahlen. Dann kommen – mit einer Tasse Kaffee in der Hand – die täglichen Meetings und Standups. Ich starte um 8 Uhr mit der hauseigenen Produktion, denn die Mitarbeiter:innen fangen dort sehr früh an. Damit alle immer up to date sind, erzählt jeder, was er oder sie am vorigen Tag gemacht hat und wo heute der Fokus liegt. Wir sprechen über Low- und Highlights. Danach sind bei mir im Kalender immer zwei Stunden Fokuszeit geblockt. Denn morgens bin ich am produktivsten.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Mir ist das Abschalten in der Anfangszeit enorm schwer gefallen und ich arbeite immer noch daran, besser abschalten zu können. Ich kann alle Daten jederzeit über mein Handy abrufen – und das habe ich anfangs selbst im Kino oder Restaurant gemacht. Erst als ich gemerkt habe, dass die Dauerbelastung mir und auch meiner Produktivität nicht gut tut, habe ich dem ständigen Im-Kopf-bei-der-Arbeit-Sein einen Riegel vorgeschoben. Jetzt gehe ich jeden Tag nach der Arbeit joggen und verbringe viel Zeit mit Freunden und Familie. Das hilft mir enorm, auf andere Gedanken zu kommen und ich freue mich so noch mehr auf den nächsten Arbeitstag.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor dem Startup-Leben gewusst?
Dass Erfolg automatisch viele Herausforderungen mit sich bringt. Diese Herausforderungen sind am Anfang noch gar nicht sichtbar, sondern wachsen quasi mit. Schnelles Wachstum bedeutet auch ein gewisses, unvermeidbares Chaos. Genau das macht das Startup-Leben zwar aus, aber es kann wirklich belastend sein, wenn du nicht darauf eingestellt bist. Deshalb mein Tipp: Lieber von vornherein den Grundstein für Wachstum legen. Saubere, automatisierte Prozesse können am Anfang unnötig erscheinen, sie ermöglichen dir später aber viel mehr Freiheit, dich auf wichtige Wachstumshebel zu konzentrieren.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Um schnell zu wachsen, habe ich als Gründer zu voreilig Entscheidungen getroffen, die sich dann für mich als „falsch” entpuppt haben – zum Beispiel bezüglich größerer Investitionen. Ich hatte am Anfang noch keine Ahnung von hauseigener Produktion und hätte mir da vor bestimmten Kaufentscheidungen mehr Tipps von Experten einholen sollen. Zu dem Zeitpunkt habe ich mir einen Zeitdruck eingeredet, der gar nicht da war. In Wirklichkeit war es mein Ego und der Wille, noch schneller zu wachsen. Genauso war es beim Recruiting. Da habe ich anfangs zu voreilig Personen eingestellt, ohne zu hinterfragen, ob die überhaupt zu meinem Unternehmen passen. Ich hätte mir für größere Entscheidungen einfach mehr Zeit nehmen sollen – in der Ruhe liegt ja bekanntlich die Kraft.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Am Besten arbeitet man mit Recruiting-Experten zusammen. Dafür hatten wir als Startup, ohne externe Finanzierungshilfe, aber nicht die Ressourcen. Ich habe damals die gleichen Kanäle genutzt, die ich für mein Produktmarketing verwendet habe. Einige Facebook-Ads später hatte ich dann meine ersten Mitarbeiter:innen, die heute noch bei uns sind. Wichtig finde ich, dass man die Bühne auch nutzt, um klar zu kommunizieren, was man als junges Startup bietet – und was andere, größere Firmen niemals bieten können.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Vor allem wenn du ohne Hilfe von außen gründest, bist du als Gründer oder Gründerin die wertvollste Ressource. So blöd das klingt: Deine eigene Zeit kostet keinen Euro. Ich habe am Anfang alles, was ging, selbst gemacht: von den Teppich-Designs über Performance-Marketing bis Kundenservice. Oft reicht heutzutage eine Youtube-Suche, um mit Themen starten zu können, von denen du vorher keinerlei Ahnung hattest. Ich war aber auch sehr froh, als dann neue Mitarbeiter:innen kamen, die ich schnell einarbeiten konnte. Bei Themen, bei denen ich selbst mit Youtube nicht weiter wusste, habe ich am Anfang auf das eigene Netzwerk gesetzt. Das hatte ich mir über Jahre aufgebaut und das war ganz besonders in diesen Momenten Gold wert.

Ohne welches externes Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Bei uns läuft viel über den Google Workspace. Genauso relevant sind Slack, Asana und Co. Aber am Ende des Tages ist jedes Tool nur hilfreich, wenn es für den richtigen Zweck eingesetzt wird. Da achten wir sehr drauf und diskutieren intern immer wieder über den richtigen Einsatz aller Tools.

Wie sorgst Du in deinem Team für gute Stimmung?
Das Wichtigste ist bei uns die Flexibilität, die jede und jeder bei uns im Team auslebt. Bei uns wird in Eigenverantwortung gehandelt, jede Meinung wird ernst genommen und die geleistete Arbeit jeder Einzelnen wird wertgeschätzt. Auch wenn wir unterschiedliche Arbeitsbereiche haben, ziehen wir alle an einem Strang. Das sind die Arbeitsvoraussetzungen, die bei uns nachhaltig für gute Stimmung sorgen. Klar, wir haben auch immer wieder Teamevents und die sind cool. Aus meiner Sicht ist das Entscheidende aber, was während der Arbeitszeit im Alltag passiert – sprich in 99 % der Zeit und nicht in den fünf Stunden eines einmaligen Events.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Die Anfangszeit war als Ganzes betrachtet eines wildes Erlebnis. Damals haben wir noch nicht selbst produziert, sondern haben mit wenig Startkapital im Ausland gefertigt. Bevor die Ware da war, waren wir schon ausverkauft und Nachschub musste her. Zu Corona-Zeiten war das keine einfache Aufgabe und es hat extrem viele Nerven gekostet, den Shop am Laufen zu halten und die Kunden nicht durch zu lange Lieferzeiten abzuschrecken. Irgendwie hat es aber alles geklappt und heute produzieren wir ja vor Ort in Hamburg, was einiges einfacher und kalkulierbarer macht.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Teppana