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Was vegane Food-Startups erfolgreich macht

Vegane Alternativen zu Fleisch, Milch und Käse haben viel zu bieten. Aber ihre Vermarktung ist schwierig - jedenfalls, wenn man nicht die Werbemillionen eines Konzerns im Rücken hat. Wie können sich Startups im Wettbewerb gegen Platzhirsche behaupten? Ein Gastbeitrag von Katrin Kasper.
Was vegane Food-Startups erfolgreich macht
Dienstag, 9. August 2022VonTeam

Umweltfreundlich, tierfreundlich, lecker: Vegane Alternativen zu Fleisch, Milch und Käse haben dem Konsumenten viel zu bieten. Aber ihre Vermarktung ist schwierig – jedenfalls, wenn man nicht die Werbemillionen eines Konzerns im Rücken hat. Wie können sich Startups im wachsenden Wettbewerb gegen Platzhirsche behaupten? Ein Gastbeitrag von Katrin Kasper.

Der Veggie-Markt wächst rasant: Einer Mintel-Studie zufolge war 2021 schon jedes fünfte hierzulande neu eingeführte Produkt vegan. Deutschland gehört bei den Innovationen zu den Spitzenreitern. Nicht nur kleine Startups, sondern auch Unternehmen der Old Economy bringen immer mehr vegetarische oder vegane Produkte auf den Markt – ob Katjes, Coppenrath oder Deutschlands größte Molkerei, das Deutsche Milchkontor, mit Marken wie Milram und Oldenburger. Rügenwalder Mühle verkauft sogar schon mehr Veggie-Ware als Fleisch und Wurst, andere Fleischkonzerne investieren in Laborfleisch – dessen Markteintritt dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Doch: die Regale in den Läden sind verteilt, für jedes neue Produkt muss ein anderes gehen. Die großen Marken sind in den Supermärkten ohnehin schon gelistet, der Handel kommt mit Eigenmarken, von Edeka mit Vehappy über Rewe mit Bio + Vegan bis zu Lidl mit Food for Future. Die Großkonzerne verfügen über millionenschwere Werbebudgets für TV-Kampagnen zur Primetime, Promi-Testimonials, flächendeckende Außenwerbung nebst intensiver Lobby- und Pressearbeit.

Lebensfreude statt Moralkeule

Die Bedingungen für vegane Food-Startups sind ohnehin hart: Die Tierindustrie profitiert von riesigen Steuergeschenken, externalisierten Kosten und etablierten Strukturen. Pflanzliche Milchalternativen dürfen nicht heißen wie ihre „Vorbilder“, viele gesundheitsbezogene Aussagen sind verboten. Und moralische Argumente machen Kunden ein schlechtes Gewissen – das führt zu Abwehrhaltung. Denn wichtigste Zielgruppe veganer Food-Brands sind längst nicht mehr nur Vegetarier und Veganer, sondern die ungleich größere und stetig wachsende Gruppe der Flexitarier. Aber wie erreicht man Menschen, die ihren Konsum tierischer Produkte reduzieren wollen, aber nicht ganz drauf verzichten? Pflanzliche Zutaten alleine reichen nicht, um diese anspruchsvolle Klientel zu überzeugen – zumal die pflanzlichen Alternativen oft auch noch teurer sind.

Nur mit cleverer Kommunikation und Marketing lassen sich Einstellungen langfristig ändern. Purpose ist auch hier das Zauberwort – und wer könnte mehr Sinn stiften als Startups, die Alternativen zu tierischen Produkten anbieten? Ob Umweltschutz, Tierwohl, Gesundheit oder soziale Gerechtigkeit: die Argumente könnten stichhaltiger kaum sein. Doch damit Menschen ihren gewohnten Konsum ändern, braucht man starke Marken. Gefragt ist dafür eine ehrliche und inklusive Kommunikation: Storytelling statt Werbe-Blabla, humorvoll statt belehrend, unkonventionell statt austauschbar. Und das durchgängig auf allen Kanälen, vom Verpackungsdesign bis zu den sozialen Medien. 

Ernste Themen spielerisch vermitteln

Gesundheit, Genuss, Flexibilität – das sind Werte, mit denen sich immer mehr Konsumenten identifizieren. Vermitteln lassen sie sich mit Hilfe von emotionalen, spannenden oder auch witzigen Geschichten über das Unternehmen und seine Produkte. Sogar komplexe Nachhaltigkeitsthemen lassen sich so runterbrechen und konkretisieren, dass die Verbraucher sich abgeholt fühlen.

Hilfreich sind etwa spielerische Grafiken, die Leichtigkeit und Spaß vermitteln, und eine positive, kreative Sprache. Ein gutes Beispiel ist die Firma Oatly: Mit Sprüchen wie „It’s like milk, but made for humans für ihren Haferdrink weckt sie positive Assoziationen, ganz ohne erhobenen Zeigefinger oder schlechtes Gewissen. Oder die Firma SoFine: Sie bewirbt ihren veganen Fisch mit „garantiert grätenfrei“, MyEy seinen Ei-Ersatz mit „…da lachen ja die Hühner!“. Mit einem humorvollen Augenzwinkern lässt sich der starke Tobak Tierleid besser ertragen.

Storytelling ist keine Märchenstunde

Auch optische Reize sind wichtig, um Markenbotschaften zu vermitteln. Zur visuellen PR gehören schicke Verpackungen, dazu gute Fotos und Rezepte auf der Website, im Blog und in Social Media-Kanälen. Influencer-Kampagnen mit Micro-Bloggern bieten Zugang zu einer zwar kleinen, aber besonders passgenauen Zielgruppe – und sind im Gegensatz zu bekannten Influencern erschwinglich. Ihre Bilder können Produktvorteile glaubwürdig und auf unterhaltsame Weise erklären. Grundsätzlich die Finger lassen sollte man von Perfomance-getriebenen Influencer-Plattformen: sie verwässern nur das Image.

Storytelling ist nämlich keine Märchenstunde: Grundlage der Kommunikation muss immer eine wahrhafte Darstellung sein. Denn Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind das höchste Gut für Lebensmittelhersteller. Überzogene Selbstdarstellungen werden schnell als Schaumschlägerei entlarvt. Und ein Shitstorm kann einem Startup das Genick brechen. Kritik, die sich durch ein aktives Community-Management früh erkennen lässt, begegnet man am besten mit ernährungswissenschaftlichen Fakten und Hintergrundinfos. Aussitzen ist gefährlich. Transparenz trägt dem hohen Informationsbedürfnis vieler Konsumenten Rechnung – und sie ist eine Grundregel erfolgreicher Unternehmenskommunikation.

Wann Profis übernehmen sollten

Nicht zu unterschätzen ist auch der Wert der Pressearbeit: Je häufiger Medien positiv über die vegane Ernährungsweise berichten, desto normaler wird sie in unserer Wahrnehmung. Wir Menschen sind soziale Wesen und machen gerne, was andere machen. Und wenn von Berufs wegen neutrale Journalisten vegane Produkte empfehlen, ist das wesentlich glaubwürdiger als jede Werbung. 

Pressearbeit, Online-PR und Social Media sind natürlich sehr zeitintensiv – vor allem, wenn man sich nicht gut auskennt. Solange man als Gründer oder Gründerin noch viel Zeit hat, spricht nichts dagegen, sich ein Profil auf Facebook und Instagram anzulegen und selbst zu bespielen. Für Design-Jobs wie Logos und Websites zieht man besser einen Profi hinzu, denn der DIY-Style wirkt schnell schredderig. Und auch Pressearbeit ist deutlich effizienter, wenn erfahrene Leute sie machen: Es gibt journalistische Standards, deren Einhaltung die Chancen auf Veröffentlichungen deutlich erhöht – und die verhindert, verbrannte Erde zu hinterlassen.

Spätestens, wenn andere geschäftliche Aufgaben leiden – sei es im Vertrieb, bei der Personalführung oder in der Produktion – sind Profis gefragt, die übernehmen, interne oder externe. Zu einem guten Businessplan gehört immer auch ein Budget für PR und Marketing. Gut investiert, amortisiert sich das schnell. Und es hilft Gründern dabei, nicht auszubrennen – gerade bei purpose-getriebenen Menschen eine große Gefahr.

Über die Autorin
Katrin Kasper macht seit 25 Jahren PR – die letzten zehn Jahre überwiegend für vegane Marken wie Oatly, Biovegan, iChoc und SoFine. Ihre Karriere begann die studierte Politikwissenschaftlerin bei Ericsson in Düsseldorf, anschließend ging sie als Projektmanagerin für Kellogg zur Webagentur Artundweise in Bremen. 2001 gründete sie ihre Agentur KASPER Kommunikation in Hamburg. Sie unterstützt Unternehmen mit Pressearbeit, Content Marketing und Influencer Relations – vom Startup bis zum DAX-Konzern.

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Foto (oben): Shutterstock