#Interview

“Ein Unternehmen zu starten oder zu finanzieren, ist nie einfach”

Das junge FinTech Ride sammelte bereits 5 Millionen ein. "Die ersten Angel-Investoren kamen aus unserem engeren Umfeld. So war ich Stipendiatin der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, über die ich Jens Lapinski kannte, und auch mein ehemaliger Chef von Goldman Sachs hat investiert", sagt Gründerin Christine Kiefer.
“Ein Unternehmen zu starten oder zu finanzieren, ist nie einfach”
Montag, 9. Mai 2022VonAlexander Hüsing

Das Berliner FinTech Ride, das von Christine Kiefer (BillPay, Pair Finance) und Felix Schulte gegründet wurde, möchte “Finanzprodukte und die Vermögensstrukturierung demokratisieren”. Ride sieht sich dabei das “das erste Fintech, das sich auf die echte Rendite, nach Steuern und Kosten, konzentriert”. Der amerikanische Geldgeber Social Starts und Business Angels wie Norbert Neef sowie das Family Office von Raoul Heraeus investierten bereits 1,5 Millionen Euro in Ride. Insgesamt sammelte das Startup bereits 5 Millionen ein.

“Ein Unternehmen zu starten oder zu finanzieren, ist nie einfach”, sagt Unternehmerin und Seriengründerin Kiefer. “Ich würde mich selbst als gute Netzwerkerin beschreiben, was in der Start-up-Szene und generell im Berufsleben immer von Vorteil ist. Darum kann ich Gründern nur ans Herz legen, sich ein solides Netzwerk aufzubauen, um sich auszutauschen”, sagt die Ride-Macherin. Im Interview mit deutsche-startups.de stellt sie ihr Unternehmen einmal ganz ausführlich vor.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Ride erklären?
Oma, hohe Steuern hindern Anleger daran, Vermögen aufzubauen. Wir ermöglichen ihnen durch das Gründen einer Firma Steuern zu sparen. Dadurch, dass sie Steuern sparen, haben sie wiederum mehr Geld zum Investieren. So können sie schneller Vermögen aufbauen und finanziell unabhängig werden. Wir reduzieren den gesamten Verwaltungsaufwand für Anleger und Steuerberater. Das machen wir mit unserer eigenen Software. Das spart Kosten und Zeit. So haben unsere Kunden und unsere Partner mehr Kapazitäten. Außerdem sind wir bei unseren Preisen transparent: Kunden wissen bei uns ganz genau, welche Preise unsere Dienstleistungen haben.

Welches Problem genau wollt Ihr mit Ride lösen?
Unser Ziel ist es, bessere Lösungen bereitzustellen, mit denen Anleger effizienter Vermögen aufbauen und strukturieren können. Solche Lösungen sind eigentlich Vermögenden mit einem Portfolio ab 5 Millionen Euro vorbehalten. Das möchten wir bei Ride ändern und machen unsere Services Kunden mit einem Portfoliovolumen ab 100.000 Euro zugänglich. Beispielsweise: Statt 26,375 % Steuern auf Veräußerungsgewinne von Aktien zu bezahlen, zahlen Anleger in einer Kapitalgesellschaft lediglich 1,54 % Steuern.
Wir begründen mit Ride eine neue Kategorie des Investierens: den „low-tax investing“-Ansatz.

Wie wollt Ihr Geld verdienen, also wie genau funktioniert Euer Geschäftsmodell?
Ride bietet die Gründung und die ganzheitliche Verwaltung von GmbHs als softwarebasierte Services an. Das erledigen wir mit zwei Produkten: Einerseits dem Gründungs-Service, bei dem alle Prozesse zur GmbH-Gründung digitalisiert und weitestgehend automatisiert sind. Dafür zahlen Kunden eine einmalige Gebühr. Für die Verwaltung greifen wir andererseits auf unseren Admin-Service zurück. Unser dritter Service ist die sogenannte Wertpapierverbuchung, kurz WePa genannt. Die Gebühren für den Wertpapierverbuchungs- und den Admin-Service werden einmal im Quartal fällig. Wir haben eine Software entwickelt, mit der Wertpapiere automatisch verbucht werden. Anschließend erstellen unsere Partner-Steuerberater den Jahresabschluss im Einklang mit steuer- und handelsrechtlichen Vorschriften. Durch die automatisierte Wertpapierverbuchung reduzieren wir den Arbeitsaufwand und die Kosten um ein Vielfaches. Außerdem bieten wir diese Software externen Steuerberatern an, um auch ihnen die Buchhaltung zu erleichtern.

Wie ist die Idee zu Ride entstanden?
Wer Vermögen aufbaut, baut zum einen Sicherheit und zum anderen Freiheit auf. Das haben mein Mitgründer Felix Schulte und ich immer für sehr wichtig gehalten. Vermögensaufbau ist allerdings gar nicht so einfach, weil die finanzielle Bildung in Deutschland zu kurz kommt. Es genügt ein Blick in aktuelle Umfragen: Da liest man oft, dass privat gar nicht vorgesorgt wird. Wenn Freunde allerdings ein Depot haben und sich über ihre Buchgewinne freuen, möchte ich am liebsten sagen: „Vergesst nicht, dass davon noch 26,375 % Kapitalertragsteuer abgezogen werden“. Letztendlich kommt für mich nicht nur die Finanzbildung zu kurz, auch beim Wissen über Steuern sehe ich in Deutschland Nachholbedarf.
Darum haben wir bei Ride einen klaren Fokus: Wir konzentrieren uns auf die echte Rendite, nach Steuern und nach Kosten. Dabei sind gerade Steuern der größte Kostenfaktor, den Menschen haben, vor Ausgaben für Lebensmittel, für die Wohnung oder für ein Auto. Eine GmbH schafft es Steuern zu reduzieren und vom Prinzip her wie eine Spardose zu sein, über die man Vermögen aufbauen kann. Felix und ich haben mit befreundeten Unternehmern einige Immobilien-Club-Deals aufgesetzt. Dabei hat Felix allen Beteiligten geraten, ihre Anteile in einer vermögensverwaltenden GmbH zu halten. Nur wusste keiner von ihnen, wie man so eine Kapitalgesellschaft erfolgsversprechend konzipiert. Felix verbrachte dann Tag und Nacht damit, alle über WhatsApp bei der Gründung zu unterstützen. Innerhalb von ein paar Wochen war er an der Gründung von acht GmbHs beteiligt. Ich sah da allerhand Optimierungsbedarf und schlug Felix vor, dass wir das mit einer Software beheben können. So ist die Idee zu Ride entstanden.

Zum Start habt ihr bereits 1,5 Millionen Euro eingesammelt. Wie habt ihr eure Investoren gefunden?
Richtig, zum Start haben wir 1,5 Millionen Euro eingesammelt. Insgesamt haben wir schon 5 Millionen Euro Funding. Dabei hat uns unser gutes Netzwerk sehr geholfen. Die ersten Angel-Investoren kamen aus unserem engeren Umfeld. So war ich Stipendiatin der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, über die ich Jens Lapinski kannte, und auch mein ehemaliger Chef von Goldman Sachs hat investiert.

Du bist jetzt schon seit über 10 Jahren in der Fintech-Szene unterwegs. Ist es für Dich dadurch einfacher, ein Unternehmen zu starten oder zu finanzieren?
Ein Unternehmen zu starten oder zu finanzieren, ist nie einfach. Ob ich dadurch einen Vorteil habe? Sicherlich! Ich würde mich selbst als gute Netzwerkerin beschreiben, was in der Start-up-Szene und generell im Berufsleben immer von Vorteil ist. Darum kann ich Gründern nur ans Herz legen, sich ein solides Netzwerk aufzubauen, um sich auszutauschen. Ich habe BillPay als Geschäftsführerin und Pair Finance als Gründerin und auch Geschäftsführerin mit aufgebaut. Von diesen Erfahrungen profitiere ich beim Aufbau von Ride. Außerdem empfehle ich, sich mindestens eine Mitgründerin oder einen Mitgründer zu suchen. Man gibt sich gegenseitig Halt, unterstützt sich und kann zusammen Erfolge feiern.

Gerade in der FinTech-Szene gab es zuletzt eine Millionenfinanzierung nach der anderen. Was ist Deine Sicht auf diese absolute Hochphase?
Wir haben es zwar schon zig Mal gehört, aber Corona hat die Digitalisierung nach vorne gepeitscht. Besonders in die FinTech-Szene ist viel Geld geflossen. Diese Hochphase mit den Millionenfinanzierungen hat für immer größere Schlagzeilen gesorgt. Da die Aktienmärkte aufgrund des Ukrainekriegs eingebrochen sind, wird sich die damit verbundene Unsicherheit wahrscheinlich auch in den Finanzierungsrunden niederschlagen. Ich denke, dass die Bewertungen vor allem in späteren Runden sinken werden. Für junge Start-ups mit einem soliden Business-Modell und Product-Market-Fit sollte es aber nach wie vor kein Problem sein, Funding aufzunehmen, da das Kapital im Markt platziert werden muss.

Es entstehen zudem immer mehr neue FinTechs. Ist denn überhaupt noch Platz für weitere Finanzangebote?
Ja, auf jeden Fall. Die FinTech-Welt erfindet sich immer wieder neu. Wir befinden uns im Zeitalter der digitalen Transformation und die Finanzindustrie steckt bereits inmitten eines unaufhaltsamen Wandels. Das bedarf stetig innovativer, effizienter und zukunftsfähiger Lösungen – die eben ältere, ineffiziente und teurere Alternativen ablösen. Gerade im Bereich Steuern und im Bereich des Private Banking, also dem Banking für wohlhabendere Kunden, sehe ich noch jede Menge Optimierungspotential.

Du bist seit einigen Jahren auch mit dem Netzwerk Fintech Ladies aktiv. Wie kann die Szene für Gründerinnen noch attraktiver werden?
Das wird sie bereits – wir können eine stetig wachsende Zahl an Fintech-Gründerinnen verzeichnen, und zusammen mit Jessica Holzbach von Penta haben wir kürzlich das erste Fintech-Gründerinnen-Dinner veranstaltet. Vor ein paar Jahren wäre dies gar nicht möglich gewesen. Trotzdem ist der Anteil an Fintech-Gründerinnen im Vergleich noch gering. Wir brauchen vor allem mehr Kapital für von Frauen gegründete Ventures, egal ob Fintech oder nicht. Aber damit das Kapital fließt, brauchen wir auch mehr Investorinnen. Ich bin seit Anfang des Jahres auch als Venture Partner bei Angel Invest tätig und hoffe, meinen Teil dazu beitragen zu können.

Wo steht Ride in einem Jahr?
Wir sind Anfang dieses Jahres stark gewachsen, beschäftigen derzeit 50 Mitarbeiter. Wir haben mittlerweile über 1.000 Kunden und haben mehr als 200 Millionen Euro Vermögen unter Administration. Bisher haben wir uns hauptsächlich dem Thema Steuern gewidmet. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, unser Serviceangebot zu erweitern. In diesem Jahr liegt der Fokus darauf, dem Kunden mehr Möglichkeiten beim Investieren zu geben und das Traden noch einfacher zu gestalten. Bis Ende des Jahres werden wir verschiedene Angebote entwickeln, die speziell auf GmbHs ausgerichtet sind.

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Foto (oben): Ride / Nobusama Fotografie

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.