#DHDL

Silverton: Die “Hüter der Kronjuwelen” stolpern über Studien

Die Gründer von Silverton sorgten mit ihren angeblich vor schädlicher Strahlung schützenden Boxershorts für allerlei Furore. Nur einen Deal gab es dennoch nicht. Und die Gründe dafür sollte sich jedes Startup, dessen Produktwirkung irgendwie mit Studien belegt ist, zu Herzen nehmen.
Silverton: Die “Hüter der Kronjuwelen” stolpern über Studien
Donnerstag, 14. April 2022VonRuth Cremer

Wenn es um so ein brisantes Thema wie die männliche Fruchtbarkeit geht, sind die lockeren Sprüche nicht mehr weit. Und wie in der zweiten Folge der elften Staffel von “Die Höhle der Löwen” zu sehen war, gilt da auch für Investoren keine Ausnahme. Und so sorgten die beiden Gründer von Silverton mit ihren angeblich vor schädlicher Strahlung schützenden Boxershorts für allerlei Furore. Ein Striptease, Diskussionen über die männliche Fertilität und sogar ein Ex-Weltmeister in Boxershorts wurden den Zuschauern (und vor allem wohl den Zuschauerinnen) geboten. Nur einen Deal gab es dennoch nicht. Und die Gründe dafür sollte sich jedes Startup, dessen Produktwirkung irgendwie mit Studien belegt ist, zu Herzen nehmen.

Schon bevor der Pitch losging, war klar, es würde um etwas gehen, was dem intimsten männlichen Bereich wohl besonders nahe kommt. Denn die Boxershorts waren im Aufbau deutlich zu sehen und führten dazu, dass – zumindest die anwesenden männlichen – Löwen mitteilten, welche Art von Unterhosen sie trugen. Selbst ohne den Pitch der Gründer gab es hier also schon eine neue – wenn auch in ihrer Relevanz etwas fragwürdige – Information für die ZuschauerInnen.

Nun werden viele denken, dass dies wohl den anwesenden Fernsehkameras geschuldet war, und in der Realität bei den ach so professionellen Investoren so nicht vorkommt. Doch die Szene hat mit ihrer – zugegeben nicht immer vorhandenen – Menschlichkeit schon so manchen überrascht. Eigentlich ist es auch völlig logisch, denkt man einmal genauer darüber nach: Es geht um viel Geld, fast JEDE Information könnte wichtig sein. Investoren, die ein ähnliches Produkt nutzen, erinnern sich also schon häufiger mal an ihre persönlichen Umstände und sprechen auch über ihre Erfahrungen, um sich auszutauschen und das Vorgestellte zu vergleichen – auch wenn das normalerweise nicht ganz so persönlich wird.

Die Silverton-Gründer hatten wohl etwas Ähnliches schon erwartet – denn gekonnt und mit ziemlichem Wortwitz machen sie klar, um was es hier gehen soll: Die durch z.B. Handystrahlung drohende Abnahme der Spermienanzahl oder des Testosteronlevels. Beides Dinge, die den meisten Männern wohl zumindest ein mulmiges Gefühl geben. Doch ihre mit Silberfäden verwebten Boxershorts sollen das zu verhindern wissen. Sie geben an, dass dies alles durch Studien gut belegt ist. Und genau das wird das große Thema des Frageteils.

Denn nach der Abfrage der wichtigsten Zahlen entbrennt sehr schnell eine ordentliche Diskussion zwischen den Löwen, und klare Meinungen schälen sich heraus. Dr. Georg Kofler hatte sich ja bereits zu früheren Gelegenheiten wie beim Pitch von Kohpa als ausgesprochener Skeptiker bezüglich der Schädlichkeit elektromagnetischer Strahlung geoutet. Nico Rosberg hingegen steht dem wesentlich aufgeschlossener gegenüber und wirft seinem Löwen-Kollegen vor, bei diesem Thema immer “die gleiche Schallplatte” abzuspielen.

Doch bevor die beiden sich allzu sehr in ihrer Meinungsverschiedenheit festbeißen können, lenkt Nils Glagau ein wenig ab und hat allgemein seine Zweifel, ob die Studienlage eine solche Werbeaussage zulassen würde. Ralf Dümmel ist sich sogar sicher, dass es nicht erlaubt ist, so zu werben. Doch Nico Rosberg will den nun etwas unglücklich wirkenden Gründern noch eine Chance geben und fragt explizit nach der wichtigsten Studie. Hierzu nennen die beiden jungen Unternehmer dann auch gleich die grundlegendsten Fakten. Doch der Ex-Formel-1-Weltmeister, der sich direkt nach dem Pitch sogar selbst in einer Silverton präsentierte, legt nach und will den genauen Namen oder das durchführende Institut wissen. Doch leider haben die Gründer, wie schon bei einer früheren Frage von Dr. Georg Kofler, darauf keine Antwort parat. Nico Rosberg steigt daraufhin aus, obwohl der Nachhaltigkeits-Unternehmer eigentlich interessiert schien.

So fasst dann auch Ralf Dümmel zusammen, dass der eigentlich gute Auftritt leider vor allem daran scheiterte, dass die Gründer sich nicht tief genug mit den Studien auskannten, auf die sie eigentlich selbst soviel Wert legten.

Wer aber genau hingehört hat, dem sollte klar geworden sein, dass es vor allem die Details waren, die Ihnen Probleme bereiteten. Die Aussagen und Ergebnisse der Studien konnten sie wiedergeben und auch gut erklären. Doch die Details in den Parametern, die gemessen worden waren, oder die Metadaten wie das durchführende Institut fehlten. 

Jetzt kann man sich denken “Das ist ja auch nicht so wichtig.” Stimmt, ausschlaggebend sind natürlich immer die Ergebnisse selbst. Nur leider können Investoren diese Meinung nicht teilen. Denn wenn sie in ein Produkt mit einem derartigen Schutzversprechen investieren wollen, müssen sie absolut sicher sein, dass das Versprechen gehalten werden kann. Denn sonst kann es nicht nur rechtliche Probleme geben – das Produkt verkauft sich im Zweifel einfach nicht.

Wenn sie sich die Studien – wie hier in der Sendung – jedoch nicht selbst ansehen können und auch kein unabhängiger Experte zur Verfügung steht, muss das Wissen der GründerInnen absolut wasserdicht sein. Nur, wenn die Investoren der Überzeugung sind, in diesem Bereich absolute ExpertInnen vor sich zu haben, können sie ein Investment ins Auge fassen, ansonsten ist das Risiko zu groß. Und selbst kleinste Unsicherheiten in den Details können diesen unbedingt notwendigen Expertenstatus eben in Frage stellen.

Was den Gründern hier vor allem also Probleme bereitet hat, war die Tatsache, dass “Die Höhle der Löwen” schon irgendwie die Königsdisziplin der Investorenverhandlungen ist, denn man kann keinerlei Material mitnehmen, dass man sonst sicherlich dabei gehabt hätte. Gute Backup-Folien eines Pitch-Decks sollten in so einem Fall zum Beispiel die wichtigsten Studien kurz nennen und zusammenfassen, so dass man diese schnell hervorzaubern kann, sollten Investoren entsprechende Fragen stellen.

Wie immer können GründerInnen also auch hier einen wichtigen Tipp aus den Geschehnissen in der Höhle ableiten: auch die Backup-Folien sollte man komplett im Kopf haben. Man weiß schließlich nie, wann man mal in die Verlegenheit kommt, ein wichtiges Investorengespräch – zum Beispiel spontan auf einem Event – ohne seine sorgsam ausgearbeiteten Folien führen zu müssen. Von der Löwenhöhle ganz zu schweigen.

TippWie realistisch ist die Vox-Gründershow “Die Höhle der Löwen”?

Die Höhle der Löwen – Vom Pitch zum Deal

Startup-Expertin Ruth Cremer (die für uns regelmäßig über die Gründer-Show schreibt) berät in “Die Höhle der Löwen”, Gründer*innen bei der Vorbereitung auf ihren großen Auftritt. In ihrem Buch nimmt sie alle, die sich für die faszinierende Welt der Startups interessieren, selbst gründen wollen oder überlegen, erstmals zu investieren, mit hinter die Kulissen der erfolgreichen TV-Show. Sie zeigt, worauf es bei einem Pitch ankommt, entschlüsselt die Codes von Investoren und verrät, wie man vor ihnen besteht..
Ruth Cremer: “Die Höhle der Löwen – Vom Pitch zum Deal”, Goldmann, 336 Seiten, ab 12,99 Euro. Jetzt bei amazon.de bestellen

Foto (oben): TVNOW / Bernd-Michael Maurer

 

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und als Beraterin, Coach und Speaker tätig. Außerdem ist sie Hochschuldozentin im Bereich Unternehmertum und eCommerce. Die ehemalige Investment-Managerin kennt die Szene in- und auswendig und hilft Startups insbesondere dabei, Pitches vorzubereiten und Investment- sowie Akquisitionsprozesse zu meistern. Ruth Cremer ist bereits seit der fünften Staffel als externe Beraterin für das Format „Die Höhle der Löwen“ tätig und unterstützt die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten. Mehr zu ihr auch unter www.ruthcremer.de.