#Interview

“Sprecht über eure Idee! Setzt euch mit dem Feedback auseinander”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt?" "Ich starte mit Fokus in den Tag. Jeden Tag zwischen 9 und 10 Uhr habe ich dafür einen Blocker im Kalender - No Meetings -, um die Zeit für mich frei nutzen zu können. Das ist mir super wichtig", sagt Moritz Mann, Gründer von Protofy.
“Sprecht über eure Idee! Setzt euch mit dem Feedback auseinander”
Donnerstag, 3. März 2022VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Moritz Mann, Gründer von Protofy und Stadtsalat.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ich starte erstmal mit Fokus in den Tag. Jeden Tag zwischen 9 und 10 Uhr habe ich dafür einen Blocker im Kalender – No Meetings -, um die Zeit für mich frei nutzen zu können. Das ist mir super wichtig, da das Zeitfenster für mich das produktivste ist und ich hier meinen persönlichen Energie-Peak habe.  An dem einen Tag ist es also meine Fokus-Zeit, um interne Dokumente, Blogbeiträge, Präsentationen oder auch strategische Themen zu bearbeiten. An anderen Tagen genieße ich aber auch die Ruhe, arbeite mich bei einem Kaffee in Themen ein, höre nebenbei einen Podcast. Und an anderen Tagen – mal ganz ehrlich, manchmal ist die Produktivität noch nicht da – mache ich Sport.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Abschalten ist ein gutes Stichwort – dabei hilft mir mein iPhone. Ich habe zum Beispiel Regeln definiert, wann welche Apps auf dem Homescreen angezeigt werden und Benachrichtigungen senden. Tagsüber sind da also Slack, Things und Superhuman an, während abends Audible, Spotify und Headspace aktiv sind. Das Feature gibt es seit iOS 15 und ich kann es wirklich nur empfehlen! Darüber hinaus brauche ich Aktivitäten, die mich vom Schreibtisch wegholen. Ich fahre leidenschaftlich gerne Rennrad – auch wenn das in Hamburg nicht immer ganz komfortabel ist – und koche gerne. Mit ausgedehntem Einkauf, Vor- und Zubereitung kann ich wunderbar abschalten.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Dass es der anstrengendste, anspruchsvollste und gleichzeitig beste Job der Welt ist. Du kannst deine Realität selbst gestalten, aber es nimmt auch fast jede Sekunde deines Lebens ein. Das ist mal wunderschön und mal auch ziemlich intensiv.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
In meinem ersten Startup haben wir 1,5 Jahre lang alleine im stillen Kämmerlein vor uns hin entwickelt. Erst dann sind wir an den Markt gegangen und hatten den Realitätscheck: Nimmt die Zielgruppe das Produkt an? Daran sind wir letztlich gescheitert. Seitdem weiß ich, dass es unfassbar wichtig ist, so früh wie möglich, mit einer Idee rauszugehen, in den Markt, in die Breite. Um dann live Stück für Stück das Produkt zu verbessern und nicht erst zu warten, bis man glaubt, dass es jetzt perfekt ist. Denn das wird es nie sein – man wird sich immer weiterentwickeln und optimieren. Dieser Fail hat mich letztlich zur Gründung von Protofy und Stadtsalat gebracht, also ja, ich bereue den Fehler nicht.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Zunächst ist es wichtig, als Startup, als Unternehmen für etwas zu stehen. Eine Vision, eine Mission und eine Haltung zu bestimmten Themen zu haben. Dafür einzustehen. Das darf nicht nur auf dem Papier so sein, das müssen die Mitarbeitenden auch spüren. Die besten Botschafter:innen sind die eigenen Mitarbeitenden. Eine Weiterempfehlung von innen ist eine  super Möglichkeit, neue potentielle Kolleg:innen zu gewinnen. Denn davon haben direkt alle was. Das geht aber nur, wenn die Mitarbeitenden glücklich sind und an das glauben, was nach außen getragen wird. Dadurch dass wir unsere Geschichte, unsere Haltung immer mehr nach außen kehren, kommen gerade sehr viele Initiativbewerbungen rein. Darüber freuen wir uns natürlich, da wir merken, dass die Menschen nach mehr Bedeutung im Job suchen und wir offenbar eine gute Anlaufstelle sind. Früher haben wir viel mit externen Recruitern gearbeitet, mittlerweile haben wir unseren eigenen Bereich dafür aufgebaut. Das kann ich nur empfehlen, da die Bewerbungsprozesse und die Matches jetzt noch stimmiger sind.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Erstens: Fokus. Seid zu jeder Zeit immer 100% fokussiert: 100% fokussiert auf die Arbeit und dann 100% fokussiert auf die Freizeit. Es ist wichtig, sich bewusst Auszeiten zu nehmen und kurz mal überhaupt nicht mehr daran zu denken. Das ist tricky, aber es lohnt sich. Wenn man zu ausgelastet, überarbeitet und müde ist, ist es schwer leidenschaftlich ein neues, cleveres Produkt zu entwickeln. Urlaub, Offline-Zeit und Pausen sind essenziell. Damit man dann bei der Arbeit am Produkt, an der Idee auch Energie, Elan, Ausdauer und Spaß hat. Zweitens: Vision. Auch wenn ihr eine Idee, einen für euch klaren Beweggrund habt, schreibt ihn nieder. Formuliert, was eure Vision, eure Mission und eure Strategie ist. Und dann: Sprecht über eure Idee! Setzt euch mit dem Feedback auseinander – eure Idee kann ab jetzt nur noch besser werden. Drittens: Struktur. So früh wie möglich klare Strukturen und Prozesse im Unternehmen etablieren. Auch wenn es sich im Anfangsstadium noch falsch und overengineered anfühlt, es zahlt sich langfristig aus. Denn wenn man als Unternehmen schnell wächst und immer mehr Menschen dazu kommen, wird es deutlich schwieriger, dass nachträglich zu etablieren.

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Im Grunde alle Tools, die zu einer besseren Kollaboration des Teams beitragen. Seit Beginn Jira, die gesamte Google Suite und diverse Todo-Tools. Mit remote work und natürlich auch durch die Pandemie wurden Videokonferenzen immer relevanter, sprich Google Meet, Zoom, Teams etc., aber auch das Online-Whiteboard Miro.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Jedenfalls nicht über den obligatorischen Bio-Obstkorb und gekühlter Mate. Das ist längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr.  Ganz vorne steht für uns eine positive Unternehmenskultur mit ernsthaft flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswegen. Echte Mitbestimmung, jede:r darf Dinge entscheiden, gestalten. Wir leben eine partnerschaftliche Führung und Zusammenarbeit und lieben klare, transparente Kommunikation. Statt Bierkühlschrank – als Trost für unbezahlte, unnötige Überstunden – bieten wir unseren Mitarbeitenden Personal Coachings an. Bei uns steht die persönliche Weiterentwicklung im Mittelpunkt.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt hanseatisch-langweilig wirke, fehlen mir noch die ganz verrückten Startup-Stories.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Protofy