#Interview

“Es war ein Risiko, voll auf Skills und skill-basiertes Recruiting zu setzen”

Das HR-Startup Cobrainer konnte kürzlich 11 Millionen einsammeln. "Wir profitieren ganz stark davon, dass wir Unternehmen das richtige Produkt zur richtigen Zeit bieten konnten", sagt Gründer Hanns Aderhold zum Stand der Dinge beim jungen Unternehmen.
“Es war ein Risiko, voll auf Skills und skill-basiertes Recruiting zu setzen”
Mittwoch, 29. Dezember 2021VonAlexander Hüsing

Das HR-Unternehmen Cobrainer, das sich 2013 aus einem universitären Forschungsprojekt der TU München entwickelte, kümmert sich um Expertiseanalyse, -management und -visualisierung. Linden Capital, Vogel Ventures, Wayra, der Innovationsableger von Telefónica, Michael Brehm und Gregor Bieler investierten zuletzt 11 Millionen Euro in das Unternehmen aus München, das von Hanns Aderhold und Thomas Andrae gegründet wurde. Die Bewertung der Jungfirma lag zuletzt bei rund 100 Millionen Euro.

“Wir konnten unseren Umsatz seit 2019 Jahr für Jahr verdreifachen und haben die Anzahl unserer Mitarbeitenden in diesem Jahr mehr als verdoppelt. Zudem bin ich überzeugt, dass wir unser Wachstum in Zukunft noch weiter steigern werden, da sich der Trend zu internem Recruiting in meinen Augen langfristig als Lösungsansatz für Unternehmen etablieren wird”, sagt Gründer Aderhold.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Cobrainer-Macher außerdem über Dynamiken, Jobsicherheit und Türen.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Cobrainer erklären?
Unsere Idee ist eigentlich ganz einfach: Wir unterstützen Menschen bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung und dabei, ihrer wahren Bestimmung nachzugehen. Jeder von uns hat einzigartige Fähigkeiten, oder Skills, und unsere Plattform steht Menschen als Begleiter für ihre berufliche Laufbahn zur Seite. Wir helfen dabei, diese besonderen Skills zu erkennen, passgenaue Jobs zu finden und den nächsten Karriereschritt zu machen, indem wir zeigen, welche Fähigkeiten sie als nächstes aufbauen sollten.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, seit dem Start irgendwie verändert?
Wir waren zu Beginn als Consulting-Angebot aufgestellt. 2019 sind wir als SaaS-Unternehmen gestartet und haben unsere KI-basierte Skill-Plattform entwickelt. Wir konzentrieren uns auf die interne Karriereentwicklung, sprich Chancen und Möglichkeiten, die sich für Mitarbeitende innerhalb ihres Unternehmens ergeben und damit auch auf die Aktivierung des internen Arbeitsmarkts.

Wie genau funktioniert denn Euer Geschäftsmodell?
Für Unternehmen sind wir der optimale Partner, um Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung zu optimieren. Außerdem spart das beschleunigte interne Recruiting viel Zeit und Geld. Unsere Kunden sind vor allem große Unternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitenden. In solchen Konzernen werden ständig Stellen frei oder neue Projekte starten, aber aufgrund der Größe und Mitarbeiterzahl fehlt einfach oftmals der Überblick, ob und welche Mitarbeitende dafür mit ihren Fähigkeiten besonders geeignet wären. Alle Mitarbeitenden kann unterschiedliche Daten in das System einspeisen: Lebensläufe, LinkedIn-Profile oder berufliche Werdegänge. Dabei entscheiden die Mitarbeitenden selbst, welche Informationen sie preisgeben möchten. Der Kern des Cobrainer-Angebots ist unsere Skill-Plattform mit einer Datenbank von über 500.000 individuellen Skills. Die Absicht dahinter ist,den Mitarbeitenden Stellen im eigenen Unternehmen vorschlagen zu können, die perfekt auf das individuelle Skill-Profil passen – oder ihnen die entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Wir haben vor allem gemerkt, dass das Thema internes Recruiting für Unternehmen durch die Corona-Krise erheblich an Dynamik gewonnen hat. Das war zum einen zu Beginn der Fall, als Einstellungsstopps vielerorts dazu geführt haben, dass wichtige Positionen nicht besetzt werden durften und passende Kandidaten zunehmend in der bestehenden Belegschaft gesucht wurden. Corona hat aber auch dazu geführt, dass viele Menschen Jobsicherheit und Stabilität neu zu schätzen gelernt haben, als Kurzarbeit in der Mitte der Gesellschaft ankam. Mitarbeitende fragen sich zusehends, ob ein Arbeitgeberwechsel zwingend notwendig wäre, um sich beruflich weiter zu entwickeln. Da wird das Angebot gerne angenommen, neue Chancen und Aufgaben im eigenen Unternehmen zu entdecken.

Kürzlich konntet ihr 11 Millionen Euro einsammeln. Wofür braucht ihr das viele Geld?
Wir planen massiv in unser Wachstum zu investieren, um unser Produkt weiterzuentwickeln und den Plattformansatz auszubauen. So sollen externe Anbieter beispielsweise für Trainings und Schulungen ihre Inhalte künftig noch einfacher über die Plattform Unternehmen zur Verfügung stellen können. Darüber hinaus investieren wir aktuell stark in den Aufbau einer Vertriebs- und Partnerorganisation, insbesondere liegt unser Fokus dabei auf Beratungs- und Technologiepartnern. Gemeinsam mit ihnen wollen wir die Integration der Plattform bei Kunden noch einfacher gestalten und zudem weitere Services rund um die Integration schaffen, indem wir ihnen die nötigen HR-Daten bereitstellen.

Wie ist überhaupt die Idee zu Cobrainer entstanden?
Wir haben festgestellt, dass viele wertvolle Fähigkeiten im traditionellen Bewerbungsverfahren verloren gehen oder nicht erkannt werden – auch weil internes Recruiting in vielen deutschen Unternehmen bisher nicht im Fokus stand. Hier wurden nie die nötigen Prozesse entwickelt und aufgrund dessen geht auch sehr viel Potential verloren. Die Idee für unsere Plattform entstand dann aus der Erkenntnis heraus, dass heutige Bewerbungsverfahren nicht nur sehr langwierige Prozesse für den Arbeitgeber sind, sondern auch für Bewerber oft als intransparent und nicht nachvollziehbar wahrgenommen werden. Das gilt ganz besonders für interne Nachbesetzungen oder personelle Umverteilungen. Das führt natürlich auf beiden Seiten zu viel Frust und letztlich leidet dabei die Beziehung zum Arbeitgeber. Stattdessen sollte eine interne Bewerbung eigentlich eine neue Chance darstellen. Neue Türen und Möglichkeiten tun sich auf, und das beim eigenen Arbeitgeber! Das ist ja auch ein Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung. Und genau hierbei unterstützen wir.

Wie hat sich Cobrainer seit der Gründung entwickelt bzw. wie groß ist Cobrainer inzwischen?
Wir konnten unseren Umsatz seit 2019 Jahr für Jahr verdreifachen und haben die Anzahl unserer Mitarbeitenden in diesem Jahr mehr als verdoppelt. Wir profitieren natürlich ganz stark davon, dass wir Unternehmen nach dem Launch der Cobrainer Plattform im Oktober 2020 das richtige Produkt zur richtigen Zeit bieten konnten. Entsprechend haben wir mit hoher Geschwindigkeit losgelegt und konnten dieses Tempo bis heute beibehalten. Zudem bin ich überzeugt, dass wir unser Wachstum in Zukunft noch weiter steigern werden, da sich der Trend zu internem Recruiting in meinen Augen langfristig als Lösungsansatz für Unternehmen etablieren wird.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir hatten großes Glück, so richtig schief ist bisher noch nichts gelaufen – aber natürlich gab es einige Herausforderungen! Im Gegensatz zu anderen Startups mussten wir uns zum Beispiel von Anfang an sehr stark mit den Themen Regulierungen, IT-Sicherheit und DSGVO auseinandersetze, da wir früh viele Kunden aus dem Bereich Automobilindustrie gewinnen konnten. Wir haben zwischenzeitlich versucht, die entsprechenden Auflagen unserer Kunden intern durch Best Practices zu lösen, mussten dann aber erkennen, dass wir eine offizielle Zertifizierung brauchen. Das war ein sehr zeitintensiver und aufwändiger Prozess, der uns als Startup mit limitierter Manpower einiges abverlangt hat. Inzwischen wurde er komplett abgeschlossen und seit August diesen Jahres haben wir die Tisax-Zertifizierung. Damit ist unsere Software einmal komplett auf Herz und Nieren geprüft und es ist sichergestellt, dass sie DSGVO-konform aufgesetzt wurde.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wenn wir uns anschauen, wie es in der Praxis bei der Stellenbesetzung bislang funktioniert – nämlich hauptsätzlich anhand des Lebenslaufs – war es natürlich ein Risiko, voll auf Skills und skill-basiertes Recruiting zu setzen. Aber der Trend gibt uns Recht, auch durch externe Einflüsse wie Corona findet in Unternehmen zunehmend ein Umdenken statt und wir profitieren mit unserer Lösung davon. Außerdem haben wir auch mit unserem einzigartigen Team alles richtig gemacht – darauf bin ich besonders stolz. Jeder von uns ist nicht nur mit Feuereifer dabei und trägt mit seinen Fähigkeiten zum Wachstum von Cobrainer bei, sondern es passt bei uns auch einfach als Team und bei der Zusammenarbeit.

Wo steht Cobrainer in einem Jahr?
Wie gesagt sind wir derzeit ja dabei, unser Partnernetzwerk zu etablieren und wollen in einem Jahr insbesondere mit unseren Technologiepartnern den Plattformansatz weiter ausgebaut haben sowie unsere Beziehungen und die Kollaboration mit den großen HR-Beratungspartnern in Europa aufgebaut und vertieft haben.

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Foto (oben): Cobrainer

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.