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Fun with Balls/Lymb.io und der Corona-Krisen-Faktor in der Bewertung

Das Fun with Balls-Team, heute als Lymb.io unterwegs, war in der "Höhle der Löwen" absolut transparent mit der eigenen Situation. Von 1,4 Millionen Euro Umsatz ging es während der Corona-Pandemie herunter auf 810.000 Euro, obwohl Ende 2019 noch alles Zeichen auf starkem Wachstum gestanden hatten.
Fun with Balls/Lymb.io und der Corona-Krisen-Faktor in der Bewertung
Donnerstag, 7. Oktober 2021VonRuth Cremer

Die Anti-Corona Maßnahmen haben auch vor allem Startups oft schwer getroffen. Diejenigen, die die monatelangen Schließungen ganzer Branchen überleben konnten, indem sie sich schnell umgestellt haben, brauchen die nächste Finanzierungsrunde dann oft eher als geplant. Doch die meisten stehen dann eher schlechter da. Wie also geht man mit einem solchen unverschuldeten Umsatzeinbruch bei der Bewertung um?

Das Fun with Balls-Team, heute als Lymb.io unterwegs, war in der “Höhle der Löwen” absolut transparent mit der eigenen Situation. Das System, das die Kombination von Computerspielen mit echtem Sport ermöglicht und so auch die faulsten endlich von der Couch bekommen will, adressierte bisher wegen seiner Größe und einem Preis ab 5000 Euro vor allem Einrichtungen wie Hotels und Fitnessstudios. Doch gerade die waren mit am Schlimmsten von den Pandemie -Maßnahmen betroffen. Nach einem starken Start in 2019 erlebte das Startup einen kaum vorstellbaren Einbruch der Nachfrage. Von 1,4 Millionen Euro Umsatz ging es herunter auf 810.000 Euro, obwohl Ende 2019 noch alles Zeichen auf starkem Wachstum gestanden hatten.

Nun kamen sie in die Höhle und wollten 1,6 Millionen Euro haben – zu einer Bewertung von satten 16 Millionen. Klar, dass das die Löwen erstmal schlucken ließ. Und auch klar, dass die Bewertung in jedem Fall ein Thema in der Diskussion werden würde.

Und die Gründer bringen auch direkt ihr neuestes Produkt mit: Lymb.io ist praktisch die Variante für zu Hause, eine Art Spielkonsole, die kombiniert mit einem Projektor ein ähnliches Spielerlebnis an jeder freien Wand ermöglicht. So sollen fortan vor allem Privatkunden angesprochen werden, bis auch das ursprüngliche Geschäftsfeld wieder läuft.

So mancher Zuschauer wird sich nun auf eine harte Bewertungsdiskussion eingestellt haben – denn zieht man den Vor-Corona-Umsatz heran, landet man immer noch bei einem gut 10fachen Multiple bei der vorgeschlagenen Bewertung. Doch da die Gründer im Start-Angebot nur 10 % ihrer Anteile anboten, könnte ein Investor die Bewertung bei einem Gegenangebot auch leicht halbieren oder dritteln. Und die Gründer mit diversen Argumenten dagegen halten. Frühere Investments mit Vermeidung einer Downround, aktuelle Sales-Pipelines und größere Vertriebspartnerschaften könnten hier durchaus ein Rolle spielen.

Doch dies scheint keine Rolle zu spielen, zumindest erfährt der Zuschauer hiervon nichts. Denn obwohl alle Löwen das System an sich loben und gerade Judith von ihrem Test sehr begeistert schien, scheint die Bewertung derart hoch, dass es nicht einmal zu einer Verhandlung kommt. Carsten Maschmeyer betitelt das Unternehmen als “Corona-Verlierer”, dem die Gründer auch gar nicht widersprechen. Auch sagt er, ihre Bewertung wäre die von Corona-Gewinnern. Das kann man natürlich so interpretieren, als das Corona-Gewinner schon die sind, deren Geschäft durch die Maßnahmen nicht groß beeinträchtigt wurde. Denn wie man zum Beispiel im Fall Porthy gesehen hat, gefällt es Investoren oft auch nicht, wenn ein Startup komplett auf den Pandemie-Zug aufspringt. Denn hier muss man damit rechnen, dass die Umsätze stark einbrechen, sobald sich die Situation wieder ändert.

Doch “normal” weiter gelaufen ist es wohl bei so ziemlich keinem Startup. Viele im Bereich eCommerce und Lieferdienste sahen enorme Zuwächse, die aber auch nicht von Dauer sein können. Andere sahen einen deutlichen Umsatzrückgang. Bei denen, die sich rechtzeitig umorientieren konnten, war es letztlich nur ein Knick. Doch wie bewertet man dann diesen Knick? Nur das neue Geschäftsmodell in die Bewertung mit einfließen zu lassen, wäre auch nicht fair, so lange das alte noch existiert und jederzeit wieder Fahrt aufnehmen kann. Den meisten Startups wäre es sehr recht, würde man die Effekte der Corona-Maßnehmen einfach “herausrechnen”, also praktisch die Kurve weiterführen und die Bewertung ansetzen, die man wohl unter normalen Umständen zum jetzigen Zeitpunkt erreicht hätte. Doch nicht nur in “Die Höhle der Löwen” sind Investoren nur sehr selten dazu bereit. Und wer könnte es ihnen verübeln, schließlich kann niemand sagen, wann und ob es wieder “normal” weitergeht, oder ob sich nicht manche Wirtschaftszweige nachhaltig verändert haben werden. Oder eben auch das Verbraucherverhalten.

Natürlich ist das irgendwo nicht fair, schließlich ist das eine Situation, die von keinem Startup dieser Welt hätte verhindert werden können. Und so könnte man es auch mit anderen, völlig unverschuldeten Umsatzeinbrüchen vergleichen, die man nur schlecht oder gar nicht vorhersehen kann. Doch auch hier sind Investoren selten gewillt, den Knick im Umsatz völlig zu ignorieren. Die meisten lassen sich aber auf eine Einigung irgendwo in der Mitte zwischen Ist- und Wäre-Situation ein. Die weniger empfehlenswerten nutzen die entstandene finanzielle Druck-Situation der Startups dann allerdings auch noch aus, um die Bewertung weiter zu drücken.

Natürlich hat man das bei den Löwen noch nie beobachtet, und die Bewertung von Lymb.io könnte man auch eher auf Basis der fortgeführten Umsatzentwicklung begreifen, die gerade Ende 2019 sehr stark aussah. Leider erfahren wir über die genaue Berechnung nichts mehr, sondern sehen die Löwen nur noch mit der Bewertungsbegründung aussteigen.

Lymb.io hat mittlerweile sogar “Fun with Balls” als Unternehmensnamen komplett abgelöst und die Home-Systeme gibt es bereits in der Vorbestellung. Drücken wir also die Daumen, dass sie am Ende zu den Startups zählen werden, bei denen es nur einen Knick im Wachstum und eine erfolgreiche Umstellung gab. Und dass sie so ihre Mission, den Menschen endlich wieder zu mehr Bewegung zu verhelfen, noch lange verfolgen können.

Tipp: Alles über die Vox-Gründer-Show gibt es in unserer DHDL-Rubrik. Die jeweiligen Deals und Nicht-Deals gibt es hier: “Die Höhle der Löwen (10. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (9. Staffel)“,”Die Höhle der Löwen (8. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (7. Staffel)“,”Die Höhle der Löwen (6. Staffel)“,”Die Höhle der Löwen (5. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (4. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (3. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (2. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (1. Staffel)“.

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Foto (oben):  TVNOW / Bernd-Michael Maurer

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und als Beraterin, Coach und Speaker tätig. Außerdem ist sie Hochschuldozentin im Bereich Unternehmertum und eCommerce. Die ehemalige Investment-Managerin kennt die Szene in- und auswendig und hilft Startups insbesondere dabei, Pitches vorzubereiten und Investment- sowie Akquisitionsprozesse zu meistern. Ruth Cremer ist bereits seit der fünften Staffel als externe Beraterin für das Format „Die Höhle der Löwen“ tätig und unterstützt die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten. Mehr zu ihr auch unter www.ruthcremer.de.