#Interview

“Wir zielen nicht auf exponentielles Wachstum”

froach setzt auf kurze Übungspakete, um das Wohlbefinden und die Gesundheit von Mitarbeiter:innen in Unternehmen zu verbessern. Knapp 160 Firmen setzen bereits auf das E-Health-Unternehmen. Ohne Marketing- und Vertriebsaktivitäten kommt die Jungfirma auf eine halbe Million Umsatz im Jahr.
“Wir zielen nicht auf exponentielles Wachstum”
Freitag, 20. August 2021VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup froach, das 2011 von Thomas Reformat, Gunnar Reinhardt und Till Schrader gegründet wurde, kämpft für “die bewusste Pause” am Arbeitsplatz. “Unsere Minipausen sind kurze Übungspakete, die Mitarbeitende jederzeit in weniger als vier Minuten am Tag ausführen können – mal dynamisch, mal entspannend und manchmal einfach zum kurz Durchatmen”, heißt es auf der Website. Besonders im vergangenen Jahr konnte das Unternehmen gut zulegen.

“Wir sind seit letztem Jahr stark gewachsen: Unser Team umfasst nun 13 Mitglieder, wir haben fast 160 Kunden – wir haben die Kundschaft seit letztem Jahr fast verdreifacht -, wir haben fast 90.000 Nutzerinnen und Nutzer, täglich werden über 5.000 Minuten an Minipausen geschaut, wir machen aktuell eine halbe Million Umsatz – bisher ohne Marketing- und Vertriebsaktivitäten – und 86 % unser Nutzerinnen und Nutzer froachen mindestens ein Mal die Woche”, sagt Geschäftsführerin Agnieszka Sarnecka, die das E-Health-Unternehmen seit 2020 führt.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht die froach-Macherin außerdem über Home-Office-Aktionen, Arbeitsflexibilität und sympathisches Lächeln.

Wie würdest Du Deiner Großmutter froach erklären?
Du arbeitest den ganzen Tag so hart, dass du dir auch mal eine Pause verdient hast! Weil ich weiß, dass du diese oft vergisst, möchte ich Dir gern dabei helfen oder besser – unser froach – der Gesundheitscoach für bewusste Pausen. Da du meist nur wenig Zeit hast, haben wir extra kurze Minipausen-Techniken für deinen Rücken, deine Augen, deine Koordination, dein Gedächtnis und natürlich für deine Entspannung entwickelt. Physiotherapeuten, Psychologen und Sportwissenschaftler haben darauf geachtet, dass alle Übungen für jedermann gut durchführbar sind und die Intensität leicht an deine Fähigkeiten angepasst werden kann. Du brauchst keine speziellen Geräte, nicht viel Platz und auch keine Fitness-Kleidung. Egal wo du gerade bist, du kannst einfach loslegen. Mit unserem kostenfreien 28-Tage-Angebot, kannst du froach jederzeit testen und gleich loslegen.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Ja, wir sind in unserer Organisationsform ähnlich wie der froach: schnell und beweglich. Wir haben gemerkt, wie wichtig stetige technische Anpassungen und Entwicklungen hinsichtlich IT und Datenschutz sind. Einmalig produzierter Content reicht nicht aus. Damit froach spannend bleibt, entwickeln wir stets neue Anregungen, nutzerfreundliche Bedienungstools und natürlich motivationale Bausteine. Das Nudging – das sanfte Anstupsen erfordert verschiedene Aktivierungsansätze. So bieten wir regelmäßige Newsletter für Nutzer und für BGM-Ansprechpartner, Blogposts auf unserem Blog, Printmedien wie Übungsposter, Kalender und Giveaways sowie trainerbasierte Module an. Bald gibt es auch zusätzlich zu unserer digitalen Anwendung, EduClips und EduPaper. Mit dem klaren Profil “bewusste Pausen in Home & Office” und dem methodisch integrativen Ansatz sind wir einzigartig und unterscheiden uns deutlich von Wettbewerbern. Wir verstehen froach als unterstützenden Gesundheitsprozess für bewusste Pausen im Arbeitskontext, die auch Spaß machen dürfen. Wir helfen somit den Organisationen sich noch besser um ihre Mitarbeitenden zu kümmern.

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Wir verkaufen Jahresabos für unsere Softwarelizenz. Dabei orientiert sich der Preis des Abos an der Größe des Unternehmens. Eine organisationsweite Einführung von froach ist unserer Meinung nach am erfolgreichsten, weil man nur so die aktiven und auch die bisher inaktiven Beschäftigten erreicht.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Wir haben ein sehr multikulturelles Team. Wir haben uns zu Beginn ausgetauscht, wie jeder an seinem Ort die Pandemie erlebt und uns gegenseitig aufgefangen und geholfen. Dann haben wir in einem zeitlichen Kraftakt bereits Anfang April 2020 eine kostenfreie Home-Office-Aktion gestartet und viel positiven Zuspruch erhalten. Größere Krankenkassen wurden Partner und haben froach als hilfreiches Angebot für ihre Gesundheitsförderung insbesondere für Mitarbeitende im Homeoffice genutzt. Wir haben unser Team sukzessive ausgebaut und die Entscheidung für unsere Geschäftsführerin Agnieszka Sarnecka getroffen. Seit November hat sich das Tempo gefühlt vervierfacht. Wir kooperieren im Betrieblichen Gesundheitsmanagement mit einigen Firmen und Partnern aus dem klassischen trainerbasierten Betrieblichen Gesundheitsmanagement und haben hier natürlich die starken Einschränkungen erlebt. Als digitaler Gesundheitsanbieter unterstützen wir die neuen Anforderungen der wachsenden flexiblen Arbeitswelt.

Wie ist überhaupt die Idee zu froach entstanden?
Wir haben sehr früh gemerkt, wie gewinnbringend eine Zusammenarbeit zwischen IT- und Gesundheitsexperten ist. Unsere Gründer und Gesellschafter Gunnar Reinhardt und Thomas Reformat sind seit 20 mit ihrer Firma relax-Gesundheitsmanagement im Betrieblichen Gesundheitsmanagement unterwegs und Till Schrader bringt mit seiner Firma Chilicon IT das notwendige technische und konzeptionelle Know-how mit. Bereits 2003 wurde so eine CD-Rom für gesunde Pausen entwickelt, die die Inspiration für die spätere webbasierte froach Anwendung wurde. Durch den Anstieg der Arbeitsintensität und der Arbeitsflexibilität und der daraus resultierenden zunehmenden Arbeitsbelastung braucht es einfache niedrigschwellige Lösungen, um die Erholungsfähigkeit im Arbeitskontext zu verbessern. Nur fitte und zufriedene Mitarbeitende sind auf Dauer motiviert und leistungsstark. Eine gut skalierbare digitale Lösung für bewusste Pausen, die sich einfach und sicher in verschiedene Systeme integrieren lässt, wird nicht nur in Europa gebraucht.

Wie hat sich froach seit der Gründung entwickelt?
froach war lange Zeit ein spannender Innovationshub, der parallel zu den bisherigen Firmen der Gesellschafter entwickelt wurde. Die Entscheidung vor zwei Jahren in eine neue Mitarbeiterstruktur und damit verbunden in eine neue technische und inhaltliche Ausgestaltung Geld und Zeit zu investieren, hat sich ausgezahlt. Leider erschwert Corona das soziale Miteinander. Video Calls ersetzen eben nicht das Office-Leben und das Startup-Teamgefühl. Wir sind optimistisch, dass sich das in den nächsten Wochen ändert, denn so wie wir uns um das Wohlbefinden unserer Nutzer bemühen, möchten wir natürlich auch selbst eine gesunde Teamkultur leben.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist froach inzwischen?
Wir sind seit letztem Jahr stark gewachsen: Unser Team umfasst nun 13 Mitglieder, wir haben fast 160 Kunden – wir haben die Kundschaft seit letztem Jahr fast verdreifacht -, wir haben fast 90.000 Nutzerinnen und Nutzer, täglich werden über 5.000 Minuten an Minipausen geschaut, wir machen aktuell eine halbe Million Umsatz – bisher ohne Marketing- und Vertriebsaktivitäten – und 86 % unser Nutzerinnen und Nutzer froachen mindestens ein Mal die Woche.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Tatsächlich gab es auf dem Weg zum Ziel verschiedene Ansichten bezügliches des Weges. Wir haben im Team schnell gespürt, wie unterschiedlich die Perspektiven und Sichtweisen sind. Coaching und Beratung sowie neue Teamstrukturen haben uns aber sehr geholfen, den Weg gemeinsam zu gehen. Das große Ziel mit unserem Produkt die Arbeitswelt zu verbessern und die Menschen zufriedener und glücklicher zu machen, haben wir nie aus den Augen verloren.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben nicht aufgegeben! Wir haben die beschriebenen Hürden übersprungen, wir haben neben dem notwendigen Eigenkapital viel Zeit investiert und wir waren auch bereit, in entscheidenden Phasen Hilfe in Form von Coaching zuzulassen. Am meisten motiviert uns natürlich froach mit seinem sympathischen Lächeln. Vielleicht ist das der wichtigste Punkt, dass wir stets Spaß an dem Thema Gesundheit und Erholung haben.

Wo steht froach in einem Jahr?
In einem Jahr wird froach noch mehr Unternehmen gesünder und Menschen glücklicher machen. Wir zielen nicht auf exponentielles Wachstum. Wir wollen nach wie vor unser Unternehmen nachhaltig aufbauen und mit konstanter Weiterentwicklung und Expertise mehr und mehr Kunden für uns gewinnen. Nur so können wir unserer Mission treu bleiben und das Leben der Menschen verbessern.

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Foto (oben): froach

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.