#Interview

“Die Resonanz war zunächst ernüchternd, aber im nächsten Moment euphorisierend”

Werksta.tt, bekannt aus der Vox-Show "Die Höhle der Löwen" hilft Bäckereien dabei weniger Lebensmittelabfälle zu produzieren. "Mit Hilfe unserer Pilotkunden konnten wir unser Produkt immer weiter perfektionieren und genau an den Bedarf der Bäckereien anpassen", sagt Gründer Justus Lauten.
“Die Resonanz war zunächst ernüchternd, aber im nächsten Moment euphorisierend”
Donnerstag, 15. Juli 2021VonAlexander Hüsing

Das Kölner Startup Werksta.tt kämpft gegen Lebensmittelverschwendung. “Wir haben ein System entwickelt, welches jeder Bäckereifiliale eine individuelle Bestellprognose für den nächsten Tag ausspuckt. So kann die Bäckerei jeden Kundenwunsch bedienen, ohne zu viel produzieren zu müssen. Das spart wertvolle Ressourcen”, sagt Gründer Justus Lauten. Bundesweit bekannt wurde die Jungfirma zuletzt durch einen Auftritt in der Vox-Show “Die Höhle der Löwen”. Der TV-Deal mit Löwe Carsten Maschmeyer platzte nach der Show aber leider.

“Die Resonanz nach Ausstrahlung der Sendung war überwältigend. Wir konnten zahlreiche neue Leads generieren und sind bekannter geworden. Auch für mich persönlich hat es sich sehr gelohnt, denn ich habe unser Geschäftsmodell mal ganz anders erklären müssen – nicht so technisch wie sonst, sondern eher auf eine einfache und gleichzeitig unterhaltsame Art. Das hilft mir auch jetzt noch in meinen Kundengesprächen”, lautet das Fazit von Lauten in Bezug auf “Die Höhle der Löwen”.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Werksta.tt-Gründer außerdem über Lebensmittelabfälle, Pilotkunden und Einsparpotentiale.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Werksta.tt erklären?
Oma, dir ist sicherlich schon aufgefallen, dass dein Bäcker morgens wie abends das nahezu volle Sortiment in der Ladentheke vorhält, um jeden Kunden optimal zu bedienen. Dies führt unweigerlich dazu, dass am Ende des Tages sehr viele Backwaren in der Tonne landen. Wir wollen das ändern. Wir haben ein System entwickelt, welches jeder Bäckereifiliale eine individuelle Bestellprognose für den nächsten Tag ausspuckt. So kann die Bäckerei jeden Kundenwunsch bedienen, ohne zu viel produzieren zu müssen. Das spart wertvolle Ressourcen.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Ursprünglich sind wir als IoT-Startup gestartet. Wir haben Lösungen entwickelt, ohne dass ein konkretes Problem zu Grunde lag. Somit gab es auch kein konkretes Interesse an unseren Lösungen. Wir haben gemerkt, dass wir es anders angehen müssen. Wir müssen ein Problem identifizieren, welches wir mit Hilfe von unseren Entwicklungen lösen können. Da das globale Problem von Lebensmittelabfall mir persönlich schon länger sehr am Herzen lag, stand für mich schnell fest, dass ich hier ansetzen möchte. Lebensmittelabfall mit Hilfe von KI bekämpfen.

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Unser Geschäftsmodell nennt sich Software as a Service. Wir bieten dem Kunden ein monatliches Softwaremodell, das sich am Erfolg der Lösung bemisst. Dabei orientieren wir uns am Einsparpotential der Kunden. Dieses Einsparpotential wird dem Kunden in einer kostenlosen Analyse vorab dargestellt und anschließend wird der Preis abgeleitet.

Wie ist überhaupt die Idee zu Werksta.tt entstanden?
Meine Idee war zunächst, mittelständischen Unternehmen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) zu mehr Nachhaltigkeit zu verhelfen. Ich erstellte eine Power Point Präsentation und verschickte sie über LinkedIn an zahlreiche Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU). Die Resonanz war zunächst ernüchternd, aber im nächsten Moment euphorisierend! Nur zwei Unternehmen meldeten sich zurück, doch beide schilderten mir exakt die gleiche Problemstellung und stammten aus der gleichen Branche! Es handelte sich um zwei Bäckereibetriebe, die sich über zu hohe Retouren beklagten. Damit war die Idee für Werksta.tt geboren.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Unser Geschäft ist nicht direkt von der Corona-Krise betroffen, aber das Geschäft unserer Kunden. Bäckereien haben häufig Cafés, die während der Lockdowns geschlossen waren. Touristen blieben aus, die sonst zum Beispiel in Touristenstädten für Umsätze sorgen. Das führte dazu, dass die Bereitschaft der Bäckereien, sich mit uns in ein neues Projekt zu stürzen, teilweise etwas gedämpft war.

Wie hat sich Werksta.tt seit der Gründung entwickelt?
Werksta.tt hat in erster Linie sehr viel gelernt und optimiert. Mit Hilfe unserer Pilotkunden konnten wir unser Produkt immer weiter perfektionieren und genau an den Bedarf der Bäckereien anpassen. Und wir sind bekannter geworden, es kommen regelmäßig neue Anfragen von potentiellen Kunden rein.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Werksta.tt inzwischen?
Wir sind mittlerweile ein heterogenes Team mit Know-how in den Bereichen Vertrieb, Data Science und Cloud Computing. Unser Team zählt mittlerweile sechs Mitarbeiter. Auch im Marketing haben wir uns Unterstützung ins Team geholt. Und wir wachsen! Wir sind aktuell zum Beispiel auf der Suche nach einem Junior Account Manager und einem Data Analyst. Auch das Geschäft läuft sehr gut an. Es sind bereits mehrere große Bäckereiketten angeschlossen.

Wie viele andere Startups habt ihr bereits an der Vox-Show “Die Höhle der Löwen” teilgenommen. Hat sich die Teilnahme an der Show – auch nach dem geplatzten Deal mit Carsten Maschmeyer – für euch gelohnt?
Ja, die Teilnahme hat sich auf jeden Fall gelohnt. Die Resonanz nach Ausstrahlung der Sendung war und ist überwältigend. Wir konnten zahlreiche neue Leads generieren und sind bekannter geworden. Die Sendung erzielt Einschaltquoten in Millionenhöhe, das ist eine super Werbung für ein junges Startup wie uns. Auch für mich persönlich hat es sich sehr gelohnt, denn ich habe unser Geschäftsmodell mal ganz anders erklären müssen – nicht so technisch wie sonst, sondern eher auf eine einfache und gleichzeitig unterhaltsame Art. Das hilft mir auch jetzt noch in meinen Kundengesprächen.

Warum habt ihr euch damals entschieden, bei “Die Höhle der Löwen” mitzumachen?
Wir haben uns gar nicht aktiv darum bemüht, sondern wurden von den Produzenten angeschrieben. Sie fanden unser Thema spannend. Das haben wir uns dann nicht nehmen lassen und dachten uns Jetzt oder nie.

Was rätst Du anderen Gründer, die bei der Gründershow mitmachen wollen?
Authentisch sein, keine überzogenen Bewertungen aufrufen, locker bleiben. Et kütt wie et kütt, sagt der Kölner.

Reden wir zudem noch über Köln. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was macht den Reiz der Startup-Szene in Köln aus?
Köln und das Rheinland haben in den letzten Jahren sehr stark aufgeholt. Es gibt zahlreiche Programme und Veranstaltungen, um Startups bei der Investorensuche zu unterstützen und eine gute Vernetzung untereinander aufzubauen. Was die Kölner Startup-Szene ausmacht, ist die familiäre und herzliche Atmosphäre, die unter den Gründern und Investoren herrscht. Auch der berühmte Kölner Klüngel ist typisch für Köln und hat sicherlich auch seine Auswirkungen auf die Startup-Szene. Der eine kennt jemanden, der könnte interessant sein und der hat wieder den nächsten Kontakt-Tipp. So geht es immer weiter und es entsteht ein tolles Netzwerk.

Was ist in Köln einfacher als im Rest der Republik?
Kontakte knüpfen! Die Kölner sind sehr offen und locker in ihrer Art. Einfach anquatschen, am besten abends beim Kölsch in der Kneipe ?.

Zum Schluss hast Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Köln?
Ich wünsche mir mehr Berichterstattung über Startups in den Medien – WDR, Radio Köln, Zeitungen -, mehr finanzielle Unterstützung von der Stadt Köln für Startups und ganz viele Besucher für den Pirate Summit in Köln.

Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness

In unserem Themenschwerpunkt Köln werfen wir einen genaueren Blick auf das Startup-Ökosystem der Rheinmetropole. Wie sind dort die Voraussetzungen für Gründerinnen und Gründer, wie sieht es mit Investitionen aus und welche Startups machen gerade von sich reden? Mehr als 550 Startups haben Köln mittlerweile zu ihrer Basis gemacht. Mit zahlreichen potenziellen Investoren, Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents bietet Köln ein spannendes Umfeld für junge Unternehmen. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. #Koelnbusiness auf LinkedIn, Facebook und Instagram.

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Foto (oben): Vox

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.