#Interview

“Im Gegensatz zu früher verstehen wir uns heute als Software-Anbieter”

Masterplan.com wandelte sich seit dem Start vom Produzenten von Lernvideos zum Software-Anbieter, mit dem Unternehmen etwa ihre Präsenzschulungen digitalisieren können. Über 100 Mitarbeiter:innen wirken bereits für die Jungfirma. In diesem Jahr peilt das Unternehmen einen "Umsatz im hohen einstelligen Millionenbereich an".
“Im Gegensatz zu früher verstehen wir uns heute als Software-Anbieter”
Dienstag, 29. Juni 2021VonAlexander Hüsing

Mit Masterplan.com bauen Stefan Peukert und Daniel Schütt, die zuvor Employour gegründet und zum Exit geführt haben, einen Video-Lerndienst auf, der sich an Unternehmen und deren Mitarbeiter richtet. Seit dem Start wandelte sich die Jungfirma bereits deutlich. Beim Start vor vier Jahren positionierte sich das Startup noch als Produzent und Anbieter von video-basierten Lerninhalten zum Thema Digitalisierung.

“Dafür hatten wir ein Filmstudio und haben Startup-Koryphäen wie Frank Thelen dorthin eingeladen. Wir haben immer noch die besten Lerninhalte, aber statt sie selbst zu produzieren, kaufen wir uns die stärksten Kurse aus der ganzen Welt ein. Und dabei gehen wir weit über das Thema Digitalisierung hinaus”, sagt Gründer Peukert. Inzwischen ist Masterplan.com, das kürzlich weitere Millionen einsammeln konnte, somit ein Software-Anbieter. “Zum Beispiel haben wir eine No-Coding-Tool gelauncht, mit dem Unternehmen ihre Präsenzschulungen im Handumdrehen digitalisieren können”.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Masterplan.com-Gründer Peukert über den Wandel seines Unternehmens, Lizenzgebühren und Katzensprünge.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Masterplan.com erklären?
Weißt du noch Oma, als dich deine Firma in die Volkshochschule geschickt hat, damit du das Zehnfingersystem auf der Schreibmaschine lernst? Wenn du heute etwas neues für deine Arbeit lernst, musst du in keinen Seminarraum mehr stundenlang Frontalbeschallung aushalten. Die Schulung kommt in kleinen 5-Minuten-Happen aus dem Internet direkt auf dein Handy oder auf deinen Laptop. Das spart Kosten und Zeit und macht nebenher sogar noch richtig Spaß.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Unsere Mission ist und bleibt es, Weiterbildung im Unternehmen so einfach und motivierend wie möglich zu machen. Im Gegensatz zu früher verstehen wir uns heute stärker als Software-Anbieter. Zum Beispiel haben wir eine No-Coding-Tool gelauncht, mit dem Unternehmen ihre Präsenzschulungen im Handumdrehen digitalisieren können. Dagegen waren wir zu unserem Start vor vier Jahren vor allem ein Produzent und Anbieter von video-basierten Lerninhalten zur Digitalisierung. Dafür hatten wir ein Filmstudio in Bochum und haben Startup-Koryphäen wie Frank Thelen oder Rolf Schrömgens dorthin eingeladen. Wir haben immer noch die besten Lerninhalte, aber statt sie selbst zu produzieren, kaufen wir uns die stärksten Kurse aus der ganzen Welt ein: Zum Beispiel mit Arianna Huffington oder Elon Musk. Und dabei gehen wir weit über das Thema Digitalisierung hinaus.

Wie sehr hat sich Masterplan.com dadurch hinter den Kulissen verändert?
Wir haben das Team in Richtung Tech, Produkt und User Research stark ausgebaut. Außerdem hat sich die Arbeit im Content-Team geändert. Statt Skripte schreiben und Filmproduktion anweisen, werden jetzt die besten Kurse recherchiert und redaktionell aufgearbeitet. Insgesamt ist unser Team aber sehr eingespielt: Viele Kolleg:innen deren Job sich durch die Weiterentwicklung unserer Strategie verändert hat, freuen sich auf neue Herausforderungen. Oder andersherum: Wer für den ständigen Wandel fortbildet, der muss auch selbst offen dafür sein.

Wie genau funktioniert nun euer Geschäftsmodell?
Unsere Kunden zahlen eine Lizenzgebühr pro Nutzer, also pro Mitarbeiter:in im Unternehmen. Damit erhalten Sie einerseits Zugang zu unserer Bibliothek an Lerninhalten, andererseits können die Personaler:innen unsere Software nutzen, um eigene Kurse zu bauen, sie Teams oder einzelnen Kolleg:innen zuzuweisen und den Lernerfolg zu messen. Immer mehr Unternehmen buchen gleich eine Flatrate für die ganze Belegschaft, um Lernen nicht nur projektbasiert zu fördern, sondern wirklich im Alltag zu verankern.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Wir haben durch Corona auf jeden Fall einen großen Nachfrageschub erlebt und unser Umsatz letztes Jahr verdreifacht. Kein Wunder: Unternehmen konnten ihre globalen Vertriebsmitarbeiter:innen plötzlich nicht mehr für Produktschulungen einfliegen. Onboardings für neue Kolleg:innen mussten aus der Ferne erfolgen. Große Teile der Belegschaft wurden auf Remote- und Home Office umgestellt und viele Teams fanden es nicht einfach sich zu organisieren und zu motivieren. Für alle diese Herausforderungen hatten wir bereits vor Corona digitale Lösungen. Und das hat uns letztes Jahr einen enormen Schub gebracht und eine Entwicklung angestoßen, die nicht mehr umkehrbar ist. Denn auch langfristig profitieren unsere Kunden davon, mit digitaler Fortbildung Kosten, Zeit und Reisetätigkeit stark einzusparen und gleichzeitig die Effektivität der Lernangebote zu steigern.

Wie ist überhaupt die Idee zu Masterplan.com entstanden?
Bei unserem ersten Unternehmen haben wir am Anfang selbst den Fehler gemacht und wichtige Kompetenzen vor allem durch Agenturen, externe Dienstleister und Berater reingeholt. SEO war für uns mit meinpraktikum.de und Ausbildung.de ein sehr wichtiges Thema, aber irgendwie hat uns nichts richtig nach vorne gebracht. Also haben wir gesagt: Jetzt müssen wir es selbst lernen. Einige unserer Mitarbeiter:innen haben sich richtig tief reingegraben und sich viel beigebracht – und das hat uns dann später mehr als 80 % organischem Traffic und Position 1 bei Google gebracht. Als wir dann über eine neue Gründungsidee nachdachten, ist uns dieser Erfolg nochmal bewusst geworden. Viele Unternehmen haben das Potential innovativ und erfolgreich zu sein, sie müssen nur das ganze Team mitnehmen. Also haben wir den Grundkurs Digitalisierung entwickelt, der alle Mitarbeitenden zu aktiven Gestaltern macht. Und dabei hat sich für uns gezeigt: Weiterbildung an sich wird oft noch nicht digital gedacht. Viele der bisherigen Lösungen sind zu komplex und nicht benutzerfreundlich: Deswegen haben wir Masterplan als Software weiter ausgebaut, um Lernen im Unternehmen so einfach zu machen wie nie zuvor.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Masterplan.com inzwischen?
Wir haben aktuell über 100 Mitarbeiter:innen und peilen dieses Jahr einen Umsatz im hohen einstelligen Millionenbereich an. Eine Besonderheit ist unsere dezentrale Struktur, wir haben Büros in Berlin, Düsseldorf, Bochum und Wien und darüber hinaus noch viele Kollegen:innen insbesondere im Bereich Tech die international und remote arbeiten.

Euer Ursprung ist Bochum im Ruhrgebiet. Wie viel Ruhrgebiet steckt heute noch in Masterplan.com?
Bochum wird immer Kern unserer Identität bleiben. Das gleiche gilt für NRW als Region. Düsseldorf ist beispielsweise nur einen Katzensprung weit entfernt und dort wachsen wir sehr stark. Die Stadt ist schon heute unser mitarbeiterstärkster Standort und die Zentrale für unseren Vertrieb. Düsseldorf folgt diesbezüglich mehr einer operativen Entwicklung als einer strategischen Entscheidung, da wir dort noch näher an vielen unserer Kunden sind. Trotz all der Verbundenheit verstehen wir uns inzwischen als internationales Team mit globalen Ambitionen. Unsere Unternehmenssprache ist von Beginn an Englisch gewesen und viele Teammitglieder arbeiten in Europa verteilt.

Vor Masterplan.com hast Du bereits Employour aufgebaut und verkauft. Wie sehr hilft Dir diese Erfahrung beim Aufbau von Masterplan.com?
Das hilft natürlich sehr. Wir haben damals viel darüber gelernt, wie wichtig es ist, die richtigen Mitarbeiter zu gewinnen und welche Herausforderung es auch sein kann, schnell zu wachsen. Viele Dinge wegen denen es damals noch schlaflose Nächte gab, können jetzt aus der Erfahrung heraus schnell entschieden werden. Es gibt aber mindestens genauso viele Sachen, die anders sind, denn Masterplan ist ein anderes Unternehmen mit anderen Menschen und Zielen. Wir sind z.B. viel internationaler aufgestellt und kommunizieren über mehrere Standorte hinweg. Natürlich hat es für die Startfinanzierung etwas geholfen, dass man im Investorennetzwerk bereits bekannter war und einen erfolgreichen zweistelligen Millionen-Exit vorweisen konnte. Aber: Ich lerne heute trotzdem jeden Tag noch genauso viel dazu wie bei meiner ersten Gründung.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
So richtig katastrophal schief gegangen ist zum Glück nichts. Aber wir haben natürlich jede Menge Entscheidungen getroffen, die wir im Nachhinein anders treffen würden. Wir hatten zum Beispiel ganz am Anfang keine Ahnung von skalierbarer Content-Produktion und haben sehr viel Geld in sehr aufwändige Formate und zwei Filmstudios gesteckt. Oder zu viel Ressourcen auf Features verwendet, die nur für einzelne Kunden sehr attraktiv waren. Wir haben das aber nie als “großen Fehler” oder gar als “Scheitern” betrachtet, sondern als Impuls Dinge erstmal kleiner zu testen, schneller zu evaluieren und zu ändern.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Auch wenn das jetzt seltsam klingt: Dass wir viele Fehler gemacht haben. Ich bin stolz darauf, dass wir eine Kultur geschaffen haben, in der man sich trauen kann, auch mal ein Risiko einzugehen und in der schnell entschieden wird. Mir ist es lieber, wir treffen Entscheidungen, die auch mal “falsch sind”, als dass wir ewig auf der Stelle stehen bleiben. Abgesehen von einer “funktionierenden Fehlerkultur” war die Entscheidung vom Content-Anbieter zum Software-Unternehmen zu werden für uns super wichtig. Eine Software zum Digitalisieren interner Schulungen kann in jedem Unternehmen eingesetzt werden, auch international. Dagegen sind Lerninhalte oft nur für eine bestimmte Zeit und ein ganz bestimmtes Publikum relevant. Eine Software ist also viel flexibler zu skalieren als die Produktion von Lerninhalten. Das hat bei uns intern sehr viel umgekrempelt und war ein großer Schritt, aber in diese Richtung zu gehen, war unsere wichtigste und beste Entscheidung.

Wo steht Masterplan.com in einem Jahr?
Viele Personaler:innen denken beim firmeninternen Lernen noch an komplizierte SAP-artige Learning Management Systeme. Wir wollen in einem Jahr bei allen Personaler:innen als die State-of-the-Art Lösung bekannt sein, die intuitiv ist und Spaß macht. Und natürlich werden wir noch mehr hochqualitativen Content haben, um die gesamte Bandbreite aller möglichen Lernthemen in allen Unternehmenstypen abbilden zu können.

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Foto (oben): Masterplan.com

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.