#Interview

“Wir bringen Venture Capital mit einer eigenen Testumgebung zusammen”

Styx Urban Investments investiert in junge Startups aus den Segmenten PropTech, Mobility und Urban Communities. Im eigens entwickelten Styx Living Lab können die Startups dabei auf Herz und Nieren geprüft werden.
“Wir bringen Venture Capital mit einer eigenen Testumgebung zusammen”
Mittwoch, 28. April 2021VonAlexander Hüsing

Der noch junge Frühphasen-Geldgeber Styx Urban Investments, hinter dem David Zwilling, Florian Fischer und Marcel Hauptenbuchner stecken, investiert bis zu 500.000 Euro in Startups aus den Segmenten PropTech, Mobility und Urban Communities. Im eigens entwickelten Styx Living Lab können die Startups dabei auf Herz und Nieren geprüft werden. “Das Styx Living Lab erstreckt sich über mehr als 150 gemischt genutzte Bestandsimmobilien in zwei urbanen Stadtteilen. Es bieten darüber hinaus Zugang zu Infrastruktur, eigens erhobenen Daten und einer lokalen Community”, teilt der Mannheimer Geldgeber – ein Evergreen Angel Club – mit.

In das Berliner PropTech Mateo investierte Styx Urban Investments bereits. Mateo kümmert sich um die Kommunikation zwischen Mietern und Vermietern.

Im VC-Interview mit deutsche-startups.de sprechen die drei Styx Urban Investments-Macher über Testumgebungen, Pilotprojekte und Meilensteine.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Zwilling: Ich denke was uns alle antreibt ist die Chance etwas zu verändern, nicht nur in der Immobilienbranche, sondern auch in der Art und Weise wie wir leben und wie unsere Städte funktionieren. Das wirklich Spannende daran ist es Gründer zu finden, die genau für diese Chance auf Veränderung brennen, ihre Unternehmen und Geschäftsmodelle zu analysieren und eine Investmententscheidung zu treffen. In der Zusammenarbeit mit den Portfolio-Unternehmen bleibt es dann genauso spannend. Denn ist ein Investment erst einmal durch, gilt es die Gründer dabei zu unterstützen ein großartiges Unternehmen aufzubauen. All das gibt einem nicht nur das Gefühl den Puls der Zeit zu spüren, sondern auch die Möglichkeit Teil der Veränderung zu sein – und mit mehreren Startup.

Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Fischer: Wir sind auf eher ungewöhnlichen Wegen zum Venture Capital Geber geworden. Ich selbst komme aus dem Open Innovation- und Startup-Ökosystem-Bereich und habe in der Startup Szene in Berlin, Tel Aviv und San Francisco arbeiten können. Marcel kommt aus der Immobilienbranche und hat das Unternehmen seiner Familie transformiert und in Mannheim zwei Portfolios mit mehr als 150 Objekten aufgebaut. David hingegen hat selbst gegründet und später ein Mittelstandsunternehmen als Geschäftsführer zu einem der am schnellsten wachsenden Firmen im Bereich chemische und pharmazeutische Logistik entwickelt. Was uns drei verbindet ist die Vision, dass wir viele Probleme unserer Zeit durch das Zusammenspiel aus privatem und öffentlichem Raum, Third Places – Cafes, Bars, Galerien oder Clubs – und Technologie adressieren können. Wir stellen den besten Teams nicht nur Kapital, sondern auch ein Testumfeld, das Styx Living Lab zur Verfügung. So bieten wir die Möglichkeit nicht nur schnell, sondern auch mit echten Kunden, Nutzern, Branchenexperten und Daten zu validieren.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Hauptenbuchner: Mulmig ist denke ich nicht das richtige Wort, aber wir sind uns unserer Verantwortung bewusst. Mit dem Styx Living Lab haben wir da einen ganz guten Ansatzpunkt, um zu analysieren ob ein Team zu uns passt oder nicht. Hinzu kommt, dass wir über die Investoren hinter Styx auch Zugriff auf potentielle Kundennetzwerke haben. Beide Faktoren schaffen definitiv zusätzliche Sicherheit. Aber selbst wenn die Gründer von unserer Testumgebung profitieren können und wir von der Lösung begeistert sind, gilt es Investmententscheidungen so nüchtern wie möglich zu treffen.

Was sollte jede Gründerin, jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Fischer: Wir bringen Venture Capital mit einer eigenen Test- und Entwicklungsumgebung zusammen, dem Styx Living Lab. Dabei handelt es sich um ein bestehendes Immobilienportfolio aus mehr als 150 gemischt genutzten Bestandsimmobilien, die sich über zwei urbane Stadtteile in Mannheim verteilen. Das Living Lab besteht aus drei Säulen: der Infrastruktur, also Häusern, Wohnungen, Dächern oder Fassaden, unserer lokalen Community, sowie proprietären Daten, wie zum Beispiel Gebäude- und Umweltdaten. In unseren eigenen Gründungen haben wir gelernt, wie wichtig es ist Zugang zu ersten potentiellen Kunden, deren Branchenexpertise und echten Daten zu haben. All das bietet das Styx Living Lab. Grundsätzlich investieren wir bis zu 500.000 EUR pro Deal und investieren weltweit in Firmen mit Ambitionen im DACH-Markt.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Hauptenbuchner: Wir arbeiten relativ operativ mit unseren Startups zusammen. Das Living Lab, aber auch unser Team-Background machen das möglich: Wir bringen neben langjähriger Immobilien-Expertise, ebenfalls Growth und Open Innovation Know-How mit an den Tisch. Dementsprechend vielfältig sind unsere Unterstützungsformate. Das fängt bei Pilotprojekten und Designpartnerschaften im Kontext des Living Labs an und hört bei der Unterstützung im Vertrieb auf. Über unser Branchennetzwerk und die Immobilienunternehmen hinter Styx Urban Investments können wir Türen in alle Teilbereiche der Branche öffnen.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Zwilling: Wir arbeiten grundsätzlich recht operativ und hands on mit unseren Portfolio-Firmen zusammen. Neben dem turnusgemäßen Reporting, Round Tables mit Experten aus unserem Branchennetzwerk oder anderen Veranstaltungsformaten, helfen wir auch beim Kontakt zu potentiellen Kunden, Pilot- oder Vertriebspartnern. Der genau Umfang kommt dann allerdings immer auch auf den Reifegrad des Produkts und den Branchenfokus des Startups an. Auch wenn heute Pandemie-bedingt vieles Remote über Slack und Co geht, sind wir immer noch Freunde des persönlichen Kontakts vor Ort. Das fängt bei Meetings an und hört bei gemeinsamen Essen in lockerer Runde auf.

Hauptenbuchner: Zusätzlich dazu begleiten wir natürlich auch alle Aktivitäten unserer Portfolio Startups im Styx Living Lab. Sei es, dass wir Lösungen direkt in unserer Infrastruktur testen, unsere eigenen Daten im Rahmen der DSGVO zur Verfügung stellen oder unserer Community verschiedene Angebote zur Verfügung stellen. Bei Mateo haben wir zum Beispiel mehrere Shadowings in unseren Hausverwaltungen durchgeführt. Heute validieren wir die Lösung gemeinsam mit unseren Mietern.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?
Fischer: Selbst für Early Stage Investoren investieren wir oft in sehr frühen Phasen. Da ist die Idee für uns eine Art Indikator, ob wir am Ende aber investieren machen wir überwiegend vom Team abhängig. Da wir selbst pilotieren, sehen wir recht schnell, ob der Lösungsansatz des Teams wirklich ein Problem löst. Dabei zeigt sich recht schnell, wie gut das Team zur Idee passt. Der Product Market Fit und das Geschäftsmodell sind letztendlich Teil eines dynamischen Prozesses, den wir als Investor begleiten.

Wie sieht das ideale Gründerteam aus bzw. gibt es überhaupt das ideale Gründerteam?
Zwilling: Ich denke das kann man so pauschal nicht sagen. Wir arbeiten gerne mit Teams, die sich schon länger kennen. Es fällt uns außerdem deutlich leichter in Teams mit starkem technischen Background, erster Gründungserfahrung und einer gewissen Diversity zu investieren. Wir versuchen immer zu verstehen, warum ausgerechnet dieses Team, das richtige für den gewählten Case ist. Letzten Endes müssen aber die Gründer den nötigen Drive mitbringen.

Hauptenbuchner: Wir sehen auch immer wieder Gründerteams die keinen klassischen Immobilienbackground mitbringen, aber trotzdem an neuen Lösungen für die Branche arbeiten. Dank unseres operativen Umfelds, können auch diese Gründer einen Blick hinter die Kulissen der Branche werfen. Jahrelange Branchenerfahrung sind für uns dementsprechend kein Muss. Viel spannender zu sehen ist es, wie gerade Teams die nur indirekte Berührungspunkte, beispielsweise aus dem Retail oder dem Hochtechnologie-Bereich an die Problemstellungen herangehen.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Startup investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Fischer: Beides spielt natürlich eine Rolle. Wir schauen uns genau an, wie und ob ein Startup vom Styx Living Lab profitieren kann. Kann ein Team von Beginn an zeigen, wie es von unserer Testumgebung profitieren kann, ist das ein klarer Vorteil.

Nicht jedes Startup läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Zwilling: Zunächst einmal denke ich, dass es wichtig ist Fehler zu machen und zu lernen, jedoch unnötige Fehler zu vermeiden. In puncto Scheiterkultur haben wir in Deutschland definitiv Nachholbedarf. Wir ermuntern Startups dazu besonders in der frühen Phase von unserem Testumfeld Gebrauch zu machen, systematisch zu validieren und die Ergebnisse knallhart zu analysieren. Am Ende passieren Fehler, Annahmen stellen sich als falsch heraus oder das Timing hat einfach nicht gestimmt. Über all das sollte man offen sprechen und zwar nicht erst wenn es zu spät ist. Denn es gibt wenig Probleme für die es keine Lösungen gibt. Ob ein Pivot dann die richtige Antwort ist, entscheiden wir gemeinsam im Gesellschafterkreis.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Startup die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Zwilling: Es gibt so viele verschiedene Gründe warum Unternehmen scheitern. Das ist Teil der unternehmerischen Reise und kann selbst den allerbesten Teams passieren. Wenn es dumm läuft, ist man einfach zur falschen Zeit mit dem richtigen Produkt um die Ecke gekommen. Wir kennen die Ups und Downs des Unternehmer-Daseins aus eigener Erfahrung. Für uns stellen sich grundsätzlich immer zwei Fragen in solchen Situationen: Hilft es wenn wir weiteres Geld investieren, um das Startup wieder auf Kurs zu bringen? Können wir in unserer operativen Rolle zu einem besseren Ergebnis beitragen, wenn ja in welchem Umfang? Im Rahmen dieser beiden Parameter wägen wir ab.

Wie wichtig und bindend ist ein Businessplan?
Fischer: In der Phase in der wir investieren, ist der Businessplan eher ein Indikator, wie das Team arbeitet, plant und seine Vision umsetzen möchte. Am Ende geht es da viel um die getroffenen Annahmen und den Einfluss von branchenspezifischen Benchmarks, die wir natürlich auch mit unseren Erfahrungswerten und unter dem operativen Immobilien-Blickwinkel betrachten. Alles in allem ist der Business Plan ein guter Anhaltspunkt. Mit Blick auf die Ausgestaltung des Term Sheets arbeiten wir vor allem bei besonders jungen Unternehmen gerne mit Meilensteinen, die sich an so einem Businessplan orientieren

Wie spricht man als Gründer:in am besten einen Investor an?
Fischer: Ich denke, das kommt ganz auf den Investor an. In unserem Fall definieren wir uns stark über das Styx Living Lab und versuchen so erreichbar wie möglich zu sein – insbesondere in unserem lokalen Ökosystem in Mannheim, wo es zwar viel Gründungsaktivität gibt, aber nur wenige VCs. Dadurch versuchen wir gezielt die Eintrittsbarriere zu reduzieren. Grundsätzlich hilft es uns immer, wenn Startups nicht nur davon erzählen, was sie machen und wo sie gerade stehen, sondern uns aufzeigen, warum sie mit uns sprechen möchten. In unserem Fall ist das etwas plakativer, weil das Styx Living Lab ein sehr konkreter Ansatz ist. Dennoch möchten wir verstehen, wie eine Zusammenarbeit mit uns aussehen soll und wie ein Team von unserer Testinfrastruktur profitieren kann.

Gibst Du uns zum Abschluss noch einen Einblick in Dein bzw. Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen bist Du, seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Zwilling: Trotz unseres hohen Branchenfokus, müssen wir natürlich genauso oft absagen, wie andere VCs. Hinzu kommt, dass wir den Fit zu unserem Styx Living Lab stark in unsere Investmententscheidung mit einbeziehen. Wir sagen daher auch Firmen ab, die wir in allen anderen Bereichen so stark finden, dass wir investieren würden. Profitiert ein Gründerteam jedoch nicht von unserem Umfeld, dann kommt ein Investment nicht in Frage. In solchen Fällen stellen wir dann gerne Kontakt zu befreundeten Investoren her und helfen dem Team so weiter. Da werden wir uns sicherlich das ein oder andere Mal ärgern, aber das gehört dazu.

Tipp: Noch mehr Interviews mit Venture Capital-Gebern aus Deutschland gibt es in unserem Themenschwerpunkt VC-Interview.

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Foto (oben): Styx Urban Investments

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.