#Interview

Ein Startup, bei dem Luft ein ganz wichtige Rolle spielt

phelas aus München setzt auf Luft! "Die Welt braucht eine erneuerbare und CO2-neutrale Stromerzeugung. Wir lösen das aktuelle Problem der Zwischenspeicherung mit einem günstigen, nachhaltigen und skalierbaren Stromspeicher", sagt Gründer Justin Scholz.
Ein Startup, bei dem Luft ein ganz wichtige Rolle spielt
Mittwoch, 10. März 2021VonAlexander Hüsing

Das Münchner Startup phelas setzt auf Luftverflüssigung zur Energiespeicherung. Das Schlagwort dabei lautet Liquid Air Energy Storage (LAES). “Unser Flüssigluftspeicher nutzt beim Ladevorgang Energie, um Luft zu verdichten, auf extrem kalte Temperaturen bis zu -200°C herunter zu kühlen und damit zu verflüssigen. Zum Entladen wird die tiefkühle Flüssigkeit erwärmt – quasi gekocht – und dabei verdampft. Die starke Zunahme von Volumen und Druck wird wiederum zur Stromerzeugung genutzt, wie bei einer Dampfmaschine”, erklärt Gründer Justin Scholz das Konzept.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der phelas-Macher außerdem über Kraftwerke, Wirtschaftlichkeit und die Kommerzialisierung der Idee.

Wie würdest Du Deiner Großmutter phelas erklären?
phelas entwickelt und baut Stromspeicher, sodass Strom aus Sonne und Wind auch nachts und bei Flaute aus der Steckdose kommen. Für die Speicherung verwenden wir etwas, das nachhaltig und in Unmengen verfügbar ist: Luft. Unser Flüssigluftspeicher nutzt beim Ladevorgang Energie, um Luft zu verdichten, auf extrem kalte Temperaturen bis zu -200°C herunter zu kühlen und damit zu verflüssigen. Zum Entladen wird die tiefkühle Flüssigkeit erwärmt – quasi gekocht – und dabei verdampft. Die starke Zunahme von Volumen und Druck wird wiederum zur Stromerzeugung genutzt, wie bei einer Dampfmaschine.

Welches Problem genau wollt Ihr mit phelas lösen?
Die Welt braucht eine erneuerbare und CO2-neutrale Stromerzeugung. Wir lösen das aktuelle Problem der Zwischenspeicherung mit einem günstigen, nachhaltigen und skalierbaren Stromspeicher. Und das genau zum richtigen Zeitpunkt: Im Zuge der Dekarbonisierung des Energiesektors führen erneuerbare Energien ihren Siegeszug als günstigste Stromquelle weiterhin fort. Der rasante Zubau von Solar- und Windkraftanlagen bei gleichzeitigem Rückbau konventioneller Kraftwerke hat derzeit allerdings noch eine Flexibilitätslücke und Risiken bei der Versorgungssicherheit im Stromnetz zur Folge. Diese Lücke muss größtenteils durch Großspeichersysteme gedeckt werden. Die International Renewable Energy Agency (IRENA) prognostiziert einen globalen Bedarf von bis zu 9 TWh bis 2050. Wir bieten mit dem phelas Energiespeicher eine wirtschaftliche Lösung für Industrie, Energieerzeuger und Netzbetreiber. Was uns dabei auszeichnet, ist die Entwicklung der Speichersysteme in modularer Containerbauweise. Das macht das System nicht nur hochflexibel und transportabel, sondern auch tauglich für die Massenfertigung und damit wirtschaftlich rentabel. Mit diesem Ansatz ermöglichen wir den Umstieg auf 100 % erneuerbare Energie.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Als Hardware-Startup beeinflusst uns die Pandemie selbstverständlich, und wir müssen uns auf langsame Bürokratie, deutlich verzögerte Beschaffungsvorgänge international und eingeschränkte Meetings einstellen. Auch der klassische Austausch mit Investoren auf Networking-Events und Conventions findet nicht statt. Dennoch hat die Zeit bei uns auch enorme Produktivität freigesetzt: Wir arbeiten seit 2018 vollständig onlinegestützt miteinander, weshalb der Umstieg auf „fully remote“ von einem auf den anderen Tag machbar war. Wir haben die letzten Monate genutzt, konzentriert an unserer Lösung zu arbeiten. Wir hoffen natürlich auf ein baldiges Ende der Pandemie, damit wir ohne Einschränkungen am Bau unseres Demonstrators und gemeinsam im Büro arbeiten können. Das Startup- Ökosystem lebt ja nicht zuletzt stark von der Vernetzung auf persönlicher Ebene, sei es in Accelerator-Programmen oder Shared Office Spaces.

Wie ist überhaupt die Idee zu phelas entstanden?
Als Gründungsteam kennen wir uns schon lange aus unserer gemeinsamen Zeit am Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Universität Augsburg. Leon Haupt hat in seinem Studium in Zusammenarbeit mit einem spanischen Energieversorger an stationären Energiespeichern geforscht. Parallel dazu habe ich mich aus Interesse mit Flüssigluftspeichern beschäftigt. Im Austausch ist uns bewusst geworden, dass es an kostengünstigen und nachhaltigen Alternativen zu Lithium-Ionen fehlt. Daraus ist die Idee für phelas entstanden. Gemeinsam mit Pit als drittem Gründer im Bunde haben wir die Idee entwickelt, auf dem etablierten Verfahren der Luftverflüssigung für Energiespeicher aufzubauen. Seitdem arbeiten wir an unserem neuartigen Konzept der Containerbauweise als skalierbarem, wirtschaftlichen Modell für nachhaltige Energiespeicherung. Mittlerweile ist unser Team weiter gewachsen um Experten für Unternehmensentwicklung und chemische Verfahrenstechnik.

Hat sich das Konzept seit der Idee irgendwie verändert?
Der Kernidee, der Luftverflüssigung zur Energiespeicherung, sind wir immer treu geblieben. Allerdings haben wir das Umsetzungskonzept und Geschäftsmodell seit den Anfangstagen kontinuierlich weiterentwickelt und verfeinert – bis hin zu dem Ansatz, der uns heute auszeichnet: ein standardisiertes, modulares und massengefertigtes Produkt auf den Markt zu bringen. Über die Containerbauweise erreichen wir eine hohe Wirtschaftlichkeit der Technologie. Um ein Produkt zu entwickeln, das einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leistet, stehen wir im engen Austausch mit den Entwicklern erneuerbarer Energien, Netzbetreibern und stromintensiven Industrien. Die Erkenntnisse schärfen unsere Produkt- und Geschäftsentwicklung.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Als Hardware-Startup fokussieren wir uns im ersten Schritt auf den Bau, Verkauf und Wartung der Energiespeichersysteme. Relevante Kundensegmente sind dabei Solar- und Windparkprojektierer, die Übertragungsnetzbetreiber und Verteilnetzbetreiber wie Stadtwerke sowie mittlere bis große Industrie. Die Technologie sieht vor, dass wir den größten Teil der Komponenten von etablierten Zulieferern der chemischen Verfahrenstechnik beziehen können. Dies verringert unseren Anteil in der Entwicklung und Fertigung kritischer Komponenten und somit auch unser Risiko. Sobald sich unser System am Markt etabliert hat, ermöglichen der geringe Verschleiß und die daraus resultierende lange Lebenszeit perspektivisch auch erweiterte Erlösmodelle wie Miet- und Leasingsysteme oder Storage-as-a-Service Modelle, die eine Abrechnung nach Verbrauch vorsehen.

Wer sind eure Konkurrenten?
Unsere Konkurrenztechnologien sind Lithium-Ionen, Vanadium Redox Flow und thermische Speicher. Allerdings bietet keine dieser Technologien einen so entscheidenden Kostenvorteil für große Energiemengen bei gleichzeitig kleiner zyklischer Degradierung, hoher Modularität, Transportabilität und hervorragender Umweltverträglichkeit wie phelas. Diese Kombination wird zukünftig das entscheidende Kriterium für Erfolg im Markt sein.

Wo steht phelas in einem Jahr?
In einem Jahr steht die Finalisierung unseres Demonstrators an. Parallel starten wir mit einem Partner in ein Pilotprojekt. Mit beidem wollen wir das Potenzial der Technologie aufzeigen. Der Demonstrator und das Pilotprojekt sind deshalb wesentliche Meilensteine auf dem Weg zur Kommerzialisierung und dem Abschluss einer Seed-Finanzierung, die wir im ersten Quartal 2022 anstreben.

Start-ups mit Impact powered by Samsung

In unserem Themenschwerpunkt “Start-ups mit Impact” berichten wir regelmäßig über die Zebras unter den Start-ups. Wir begleiten die Geschichten von Gründungsteams mit innovativen technischen Lösungen, die nachhaltige und wirtschaftliche Ziele gleichermaßen verfolgen. Die Rubrik wird gefördert von Samsung in Partnerschaft mit dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland und dem Impact Hub Berlin, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, an besseren Rahmenbedingungen für soziale Innovationen mitzuwirken. In der Artikelreihe beleuchten wir das Potenzial der Zebra-Szene. Weitere Infos bei: Samsung for Impact.

Foto (oben): phelas

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.