#Interview

“Die Investition in KI-Talente von Weltklasse war entscheidend für unseren Erfolg”

Bei Enote finden Musiker digitales Notenmaterial. "Das von uns entwickelte KI-System zur Erkennung und Rekonstruktion musikalischer Werke hat die höchste Genauigkeits-Rate in der Branche", sagt Gründer und Dirigent Boian Videnoff.
“Die Investition in KI-Talente von Weltklasse war entscheidend für unseren Erfolg”
Mittwoch, 10. März 2021VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup Enote, das 2018 von Boian Videnoff, Josef Tufan und Evgeny Mitichkin gegründet wurde, kümmert sich um Notenblätter. “Wir verschaffen Musikern einen einfachen Zugang zu Notenmaterial – und das in einem leistungsstarken und neuen digitalen Format. Enote-Abonnenten können unbegrenzt auf eine Bibliothek professioneller Partituren zurückgreifen, während unsere digitalen Formate es einfacher denn je machen, Noten zu finden, zu organisieren, vorzubereiten und damit zu arbeiten”, erklärt Mitgründer Videnoff das Konzept.

26 Mitarbeiter wirken bereits über das musikalische Unternehmen, das bald offiziell an den Start geht. “Die Investition in KI-Talente von Weltklasse war absolut entscheidend für unseren Erfolg. Das von uns entwickelte KI-System zur Erkennung und Rekonstruktion musikalischer Werke hat die höchste Genauigkeits-Rate in der Branche und kann sich mit den besten Computer-Vision-Systemen weltweit messen. Wie sich herausstellte, ist das auch absolut notwendig, um Partituren auf dem Qualitätsniveau wiederherzustellen, das Profi-Musiker benötigen”, sagt Videnoff.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Enote-Macher, der auch Artistic Director der Mannheimer Philharmoniker ist, außerdem über Lizenzgebühren, Ressourcen und Prognosen.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Enote erklären?
Wir verschaffen Musikern einen einfachen Zugang zu Notenmaterial – und das in einem leistungsstarken und neuen digitalen Format. Enote-Abonnenten können unbegrenzt auf eine umfassende Bibliothek professioneller Partituren zurückgreifen, während unsere strukturierten digitalen Formate es einfacher denn je machen, Noten zu finden, zu organisieren, vorzubereiten und damit zu arbeiten.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Unser Ziel war es von Anfang an, Musikern eine zentrale Quelle für ihre Noten zu bieten mit digitalen Möglichkeiten, die ihre Arbeitsabläufe vereinfachen und verbessern. Wir mussten unsere Methoden im Laufe der Zeit etwas anpassen, aber unsere Vision, Musiknoten zugänglicher und nutzbarer zu machen, hat sich nicht verändert.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Für unsere Kollegen in der Musikwelt waren die Auswirkungen der Pandemie katastrophal, daher fühlen wir uns bei Enote vergleichsweise gering getroffen. Natürlich ist die Remote-Arbeit eine Herausforderung für Startups und wir mussten ein paar unserer ursprünglichen Pläne nach hinten verschieben. Wir schätzen uns aber sehr glücklich, dass das Musizieren letztlich auch dann weitergeht, wenn die Konzerte auf Eis liegen.

Wie ist überhaupt die Idee zu Enote entstanden?
Als professioneller Dirigent jongliere ich ständig mit Dutzenden von unhandlichen und teuren Papier-Partituren. Die derzeitige “digitale Lösung” wäre, diese Partituren zu scannen und fortan mit PDF-Dateien zu arbeiten. Solch ein administrativer Aufwand verschenkt jedoch das eigentliche Potenzial moderner Technologien, das darin besteht, durch neue Lösungen das Leben der Nutzer zu vereinfachen und ihnen neue Möglichkeiten zu bieten. Ich habe viele Jahre lang mit meinem Freund Josef Tufan – einem Unternehmer, IT-Manager und jetzt Mitgründer von Enote – über die Möglichkeiten und die Komplexität der Bereitstellung von Musiknoten in einem wirklich digitalen Format diskutiert. Im Jahr 2018 erkannten wir, dass mit den Fortschritten in der KI-Technologie diese Idee nun nicht mehr “unmöglich”, sondern “sehr schwer, aber machbar” geworden war. So beschlossen wir, den Sprung zu wagen, nachdem wir unseren letzten Mitgründer und CTO Evgeny Mitichkin überzeugt hatten, seine technische Expertise einzubringen.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Wir arbeiten mit einem Abo-Modell ähnlich wie Spotify oder Netflix. Für 9,99 Euro erhalten Musiker unbegrenzten Zugriff auf unsere komplette Notenbibliothek und alle unsere erweiterten Funktionen ohne zusätzliche Kosten. Der Hauptunterschied besteht darin, dass wir im Gegensatz zu Spotify oder Netflix keine Lizenzgebühren an die Eigentümer der Inhalte zahlen müssen – über 95 Prozent der klassischen Musik ist gemeinfrei – und daher viel höhere Gewinnspannen haben als jedes andere inhaltsbasierte Abo-Unternehmen. Das Modell funktioniert gut für Musiker, da die monatlichen Kosten unter ihren üblichen Ausgaben für Noten liegen. Dazu ermöglicht uns eine konstante Abonnentenbasis, dass wir unsere Ressourcen ganz darauf konzentrieren, unseren Kunden ständig Innovationen zu bieten.

Wie hat sich Enote seit der Gründung entwickelt?
Wir haben ein Weltklasse-Team von Entwicklern und Musikwissenschaftlern aufgebaut, eine Genauigkeit von über 99,99 Prozent bei der digitalen Rekonstruktion der meisten gedruckten Noten erreicht – wir sind weltweit führend auf diesem Gebiet – und eine Finanzierung von 4 Millionen Euro von einem privaten Investor gesichert, der unsere Vision mit uns teilt. Dazu haben wir bereits fast 10.000 Bewerbungen für unser Beta-Testprogramm erhalten, was uns in eine großartige Ausgangslage für unseren Start später in diesem Jahr bringt.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Enote inzwischen?
Unser Team ist schnell auf 26 Vollzeitmitarbeiter angewachsen, hauptsächlich in der Entwicklung und Musikwissenschaft. Unsere App ist noch nicht gelauncht, daher kann ich keine Angaben zum Umsatz machen, aber Enote wird mit 100.000 Nutzern komplett selbsttragend sein – ein Meilenstein, den wir sehr schnell erreichen werden.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir haben Glück, dass wir bisher von Katastrophen verschont geblieben sind, obwohl es viel Forschung und Entwicklung brauchte, um auf den jetzigen Stand der Digitalisierung zu kommen. Es wäre schön gewesen, einige Fehler auf dem Weg dorthin zu vermeiden und die Ressourcen produktiver einzusetzen, aber am Ende ist das Teil des Prozesses und hat uns geholfen besser zu verstehen, was nicht funktioniert, damit wir uns auf das konzentrieren können, was funktioniert.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Die Investition in KI-Talente von Weltklasse war absolut entscheidend für unseren Erfolg. Das von uns entwickelte KI-System zur Erkennung und Rekonstruktion musikalischer Werke hat die höchste Genauigkeits-Rate in der Branche und kann sich mit den besten Computer-Vision-Systemen weltweit messen. Wie sich herausstellte, ist das auch absolut notwendig, um Partituren auf dem Qualitätsniveau wiederherzustellen, das Profi-Musiker benötigen.

Wo steht Enote in einem Jahr?
Ein Jahr nach dem Start gehen unsere Prognosen von Zehntausenden von Abonnenten, einem dreifachen Wachstum unserer Bibliothek und einer Vielzahl von innovativen neuen Funktionen wie dem automatischen Umblättern aus. Von da an werden wir daran arbeiten, unsere Bibliothek zu vervollständigen und mit unserer Community an neuen Funktionen und anderen Möglichkeiten zu arbeiten, der Musikwelt etwas zurückzugeben. Das Jahr 2021 wird eine sehr aufregende Zeit bei Enote.

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Foto (oben): Enote

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.