#Interview

Ein Startup, das dokumentenbasierte Prozesse automatisiert

Natif.ai extrahiert Informationen aus Dokumenten. Der prominente Geldgeber 468 Capital und der High-Tech Gründerfonds (HTGF) investierten bereits eine siebenstellige Summe in das junge Unternehmen aus Saarbrücken.
Ein Startup, das dokumentenbasierte Prozesse automatisiert
Mittwoch, 3. März 2021VonAlexander

Das Startup Natif.ai, ein Spin-off des Deutschen Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz (DFKI), ist im Segment der intelligenten Dokumenten Prozessautomation (IDP) unterwegs. “Wir unterstützen Firmen dokumentenbasierte Prozesse zu automatisieren in dem wir in Echtzeit mit einer sehr hohen Genauigkeit Dokumente klassifizieren und Informationen extrahieren”, sagt Johannes Korves, der das Startup 2019 gemeinsam mit Berenger Laurent, Christophe Hocquet und Manuel Zapp gegründet hat.

468 Capital und der High-Tech Gründerfonds (HTGF) investierten bereits eine siebenstellige Summe in Natif.ai. “Wir werden das Geld vor allem für Investitionen in weitere Serverinfrastruktur und Personal nutzen. Da wir verschiedenste Dokumente unterstützen und auch Verträge auf unserer Roadmap haben, benötigen wir große Rechenkapazitäten, um unsere Modelle zu trainieren”, sagt Natif.ai-Macher Korves.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Natif.ai-Gründer außerdem über Brillenpässe, Saarbrücken und Rechenkapazitäten.

Welches Problem wollt Ihr mit Natif.ai lösen?
Wir leben in einer Welt, in der jeden Tag Billionen von Dokumente verschickt werden, viele haben wichtige Informationen doch um diese Informationen zu extrahieren und analysieren benötigt man immer noch Menschen. Dies ist ein sehr zeitaufwendiger und kostenintensiver Prozess, der für Unternehmen im schlimmsten Fall keinen Mehrwert schafft. Auch hat kein Mensch eine Ausbildung oder Studium abgeschlossen, um Informationen von Dokumenten in Computer-Systeme zu überführen. Wir unterstützen Firmen dokumentenbasierte Prozesse zu automatisieren in dem wir in Echtzeit mit einer sehr hohen Genauigkeit Dokumente klassifizieren und Informationen extrahieren. Dazu haben wir zwei Basistechnologien entwickelt: Eine Deep-OCR die selbstlernend auch schwierigste Dokumente lesen kann sowie eine Capturing Technologie, die auch visuelle Informationen nutzt, um mit hoher Präzision relevante Informationen zu extrahieren.

Wie ist die Idee zu Natif.ai entstanden?
Ich und mein Co-Gründer Christophe hatten 2015 die Geschäftsführung bei Brille24 übernommen. Damals war Brille24 in einer schwierigen Lage und vor allem im Umsatz abgeschlagen hinter Mister Spex, ein Exit also in ferne weite gerückt. Eine denkbar schwierige Aufgabe für ein neues Management das vor allem an einem Exit gemessen werden sollte. Wir haben sämtliche Prozesse hinterfragt und das Unternehmen neu positioniert, mit dem Ergebnis, dass Brille24 in 2019 von dem absoluten Marktführer Essilor/Luxottica gekauft wurde – der Inhaber der Marken RayBan, Oakley und Produzent jedes zweiten Brillenglases weltweit. Bei Brille24 hatten wir verschiedenste Dokumenten-basierte Probleme: Täglich haben wir diverse Lieferungen von Ray-Ban erhalten, sowie am Monatsende eine Rechnung. Es war für unsere Mitarbeiter weder zumutbar noch möglich diese Dokumente abzugleichen. Auch mussten wir verschiedenste medizinische Daten unserer Kunden wie Rezepte oder Brillenpässe auslesen. Genau bei diesen Problemen wurde uns bewusst, wie viel Aufwand diese Prozesse verursachen. Manuel Zapp, der damals bei Brille24 die R&D-Abteilung geleitet hatte und zuvor lange an dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in dem Bereich Text-Recognition tätig war, wusste wie man dieses Problem mit Hilfe der letzten Entwicklungen im Bereich Computer Vision und Natural Language Processing lösen kann.

Euer Firmensitz ist Saarbrücken. Was zeichnet die Startup-Szene vor Ort aus?
Wir haben Natif.ai ganz bewusste in Saarbrücken gegründet. Nur einer von uns vier Gründern kommt aus dem Saarland,  wir anderen Gründer sind für das Startup extra nach Saarbrücken gezogen und leben dort zusammen in einer WG. Die Gründe sind zum einen das DFKI, was uns auf drei Arten unterstützt. Erstens: Es bildet zusammen mit der Universität hervorragende Entwickler im Bereich Machine Learning aus. Zweitens: Wir profitieren als Spin-Off von dem Netzwerk des DFKI und haben Drittens Zugriff auf die letzten Erkenntnisse im Bereich der Forschung. Zum anderen hat Saarbrücken mit der Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (KWT) eine super Einrichtung für Start-ups die auf vielfältige Weise unterstützt. Uns Unterstützt die KWT vor allem in Infrastruktur-Bereichen. In den letzten Monaten wurde im Saarland viel im Bereich der Technologie und Startup-Förderung getan, sodass ich hoffe, dass zukünftig noch weitere – vor allem Deep Tech –  Start-ups aus dem Saarland hervorgehen. So wird beispielsweise gerade ein ganz neues hochmodernes Gründerzentrum auf dem Campus gebaut. Auch das Tesla bis zum Schluss zwischen den Standorten Berlin und Saarland für seine Giga Fabrik gependelt hat, zeigt die Zukunftssicht und Perspektive des Saarlands.

468 Capital und Co. investierten bereits eine siebenstellige Summe in  Natif.ai. Wofür ist da Geld gedacht?
Wir werden das Geld vor allem für Investitionen in weitere Serverinfrastruktur und Personal nutzen. Da wir verschiedenste Dokumente unterstützen und auch Verträge auf unserer Roadmap haben, benötigen wir große Rechenkapazitäten, um unsere Modelle zu trainieren.

Wie wollt Ihr Geld verdienen, also wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Wir haben ein SaaS-Modell, bei dem unsere Kunden pro analysierter Dokumentenseite bezahlen. Wir haben keine Setup-Kosten und ermöglichen somit einen schnellen ROI.

Wo steht Natif.ai in einem Jahr?
In einem Jahr werden wir eines der größten und besten Modelle für ein generelles Textverständnis entwickelt haben, was neben Finanz- auch Vertragsdokumente sowie Handschriften verstehen kann. Dank unserer selbstentwickelten Basistechnologien sind wir auf einem guten Weg eine wirkliche Disruption im Bereich der kognitiven Automation voranzutreiben.

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Foto (oben): Natif.ai

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.