#Gastbeitrag

Timing meint bei der Pressearbeit nicht die Uhrzeit

Leute, wir müssen reden. Und zwar ganz dringend! Ich habe den Eindruck, dass viele Startups viel zu früh oder zu spät an die Presse gehen wollen. Nur ganz selten stimmt das Timing oder ergibt überhaupt Sinn. Ein Gastbeitrag von Jannis Johannmeier.
Timing meint bei der Pressearbeit nicht die Uhrzeit
Mittwoch, 24. Februar 2021VonTeam

PR ist keine Werbung. Sie erzählt Geschichten! Es geht um Emotionen und nicht um inhaltslose Werbeanzeigen oder eintönige Produktbeschreibungen oder Monologe. Genau diese Geschichten wollen Journalist*innen finden und veröffentlichen. Das können sie meist nur, wenn sie Informationen bekommen und das wollen sie meist nur, falls das Timing stimmt.

Leute, wir müssen reden. Und zwar ganz dringend! Ich habe den Eindruck, dass viele Startups viel zu früh oder zu spät an die Presse gehen wollen. Nur ganz selten stimmt das Timing oder ergibt überhaupt Sinn. Und auch deshalb bekommt ihr, liebe Gründerinnen und Gründer, selten Feedback auf eure “News”.

Nur wer die Relevanz von Pressearbeit versteht, wird meiner Meinung nach auch nachhaltig wachsen können. Gerade im letzten Jahr mit Corona fiel oft der Satz „Unser Konkurrent hat sooo viel Kapital eingesammelt, obwohl wir besser sind.“ Wahrscheinlich hat das Konkurrenzunternehmen sein Produkt oder seine Geschichte besser und zielgerichteter bekannt gemacht. Ihr könnt das beste Produkt, die spannendste Story dieser Welt haben, aber irgendwann ist es einfach zu spät für ein schnelles und großes Medienecho.

Ihr seht, obwohl ihr vielleicht die kraftvollere Geschichte oder das smartere Produkt habt… Wenn einer eurer Konkurrenten die Vakanz in den Medien genutzt hat bleibt euch nur der mühsame Kampf das Feld von hinten aufzurollen. Das ist viel Arbeit und hat nicht die besten Erfolgsaussichten, denn den Pionierstatus könnt ihr nicht mehr erreichen!

Startups fehlt der “Fame”

Weiter geht’s: Klar, wenn ihr NICHTS zu erzählen habt, weder ein Produkt noch eine fertige Idee, wird keiner über euch berichten – nur eine Vision ist schlichtweg zu dünn. Aber auch dann, wenn ihr vor (zu) langer Zeit was wirklich Innovatives auf die Beine gestellt habt oder euer Unternehmen einen mega Erfolg gefeiert habt, wird sich keiner mehr die Mühe machen, etwas zu veröffentlichen. Wie soll die Überschrift denn lauten? „XYZ hat letzten Sommer eine Finanzierung bekommen.“ / “XYZ denkt darüber nach, nächstes Jahr ein neues Produkt auf den Markt zu bringen”? Wohl eher nicht.

Ja, ok – bei Apple funktioniert das jedes Jahr, überredet! Aber hey, es ist Apple, ein gigantischer Konzern. Hier warten quasi alle schon auf die Ankündigung der Ankündigung. Schon jetzt findet man Artikel im Netz, wann wohl die nächste Keynote stattfinden wird und dass sie sehr wahrscheinlich wieder digital stattfinden muss.

Aber genau hier ist das Problem, wenn ein Unternehmen und seine Produkte noch unbekannt sind. Keiner wartet darauf, dass ihr etwas ankündigt, noch nicht. Nehmt die Journalist*innen auf eurer Reise mit, aber erst, wenn ihr auf dem Weg seid und wisst wohin ihr wollt! Das soll natürlich nicht heißen, dass ihr tagebuchähnliche Pressemitteilungen versenden dürft. Macht immer wieder auf Meilensteine aufmerksam und überlegt euch vorher gut, was es genau zu erzählen gibt.

Timing meint nicht die Uhrzeit

Klar kann man viel diskutieren, wann der „richtige Zeitpunkt“ ist, um eine Pressemeldung zu verschicken oder den Dialog mit Journalist*innen per “Mailpitch” zu suchen. Oft sagt man, dass die Mail am besten direkt morgens raus gehen soll, um eine Chance zu haben, mit in die Redaktionssitzung genommen zu werden. Man kann und sollte natürlich auch überlegen, welcher Wochentag am sinnvollsten ist. Aber bevor man an diesen Punkt kommt, muss man zuerst klar haben, was überhaupt einen Nachrichtenwert hat! Wenn ihr gut vorbereitet seid, dann kann man auch über solch logischen nächsten Schritte nachdenken.

Mit Ausdauer und Strategie zum Ziel

Die gute Nachricht ist: Gute Geschichten zu finden und die Grundlagen des Storytellings kann man lernen. Auch wenn sich PR-Arbeit nicht unmittelbar in irgendwelchen Zahlen ablesen lässt, gehört sie dennoch zu den weichen, aber vielleicht wichtigsten Erfolgsfaktoren eure Unternehmens  und sollte definitiv eine Kernsäule darstellen. Mit einer durchdachten Strategie und etwas Ausdauer kommt man damit auch zum Ziel. Junge Unternehmer*innen müssen verstehen, dass sie die Dienstleister der Medienhäuser sind und anerkennen, dass am Ende die Entscheidung über eine Publikation immer (!) beim Journalisten liegt. Und ein letzter Tipp: Journalist*innen sind auch nur Menschen. Sie entscheiden natürlich im Sinne ihrer Rezipienten, aber sind immer auch subjektiv. Ist doch klar!

Nicht abschrecken lassen: Ich bin der Meinung, dass es in jedem Unternehmen Geschichten gibt, die erzählt werden wollen und auch für Medien relevant sind. Meldet euch bei Journalist*innen, wenn ihr von großen Visionen erzählen könnt und euren ersten Prototypen am Start habt oder es die ersten relevanten Kund*innen oder Umsatz gibt, berichtet von euren Learnings und zwar genau dann, wenn es passiert.

Startups müssen nur anfangen und lernen die wenigen, richtigen Geschichten zu sehen, denn für beinahe jede Story gibt es eigentlich nur einen richtigen Zeitpunkt, um sie zu erzählen. Und genau darauf kommt es an. Journalist*innen haben sehr schnell raus, wer ein zuverlässiger Partner ist und wer nicht. Nutzt die Chance, die euer Unternehmen euch bietet und teilt eure Geschichten mit der Welt. Denn, um es mit Johann Sebastian Bachs Worten zu sagen: „Alles, was man tun muß, ist, die richtige Taste zum richtigen Zeitpunkt zu treffen.“

Über den Autor
Jannis Johannmeier ist Co-Founder und Geschäftsführer bei der PR-Agentur The Trailblazers mit Sitz in Bielefeld und Berlin. Jannis ist erfahrener Kommunikations-Experte, der sein journalistisches Werkzeug bei BILD gelernt hat. In den letzten Jahren hat er die Kommunikation der Founders Foundation und der Hinterland of Things Conference aufgebaut und verantwortet. Neben seiner Tätigkeit bei den Trailblazers hat er an zwei Hochschulen Lehraufträge für strategische Kommunikation & PR sowie Unternehmensgründung. Jannis ist innerhalb der deutschen Wirtschafts- und Gründermedien bestens vernetzt und beschäftigt sich am liebsten mit Themen rund um die digitale Transformation, Startups & Mittelstand und deren Ideen & Technologien, die unsere Welt wünschenswerter machen.

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Foto (oben): Shutterstock