#Interview

Ein Startup, das Cheats im Abo verkauft

Bei MegaDev dreht sich alles um Cheats und Trainingcodes. "Unser Umsatz geht steil auf die erste Million Euro zu. Unsere Community ist über 220.000 Mann - und Frau - stark, wovon etwa 10 % Premium-Nutzer sind mit aktiver Mitgliedschaft", sagt Gründer Robert Maroschik.
Ein Startup, das Cheats im Abo verkauft
Donnerstag, 28. Mai 2020VonAlexander Hüsing

Seit 2016 versorgt MegaDev Gamer mit seinem MegaTrainer mit Cheats und Trainingcodes. “Der MegaTrainer hilft Spielern, das Spielerlebnis ihrem Geschmack und Vorlieben anzupassen, um die Zeit beim PC-Spielen optimal zu nutzen”, teilt die Jungfirma mit. In der Corona-Krise konnte das Unternehmen viele neue Nutzer gewinnen. “Seit Ende Februar haben unsere Monatsumsätze um 53 % zugelegt. Erst jetzt mit den ersten Lockerungen und dem guten Wetter im Mai nivelliert sich das allmählich aus”, sagt Gründer Robert Maroschik.

Derzeit werkelt das Münchner Unternehmen, das zuletzt 15 Mitarbeiter beschäftigte, an einer neuen Generation seiner Cheat-Software. “Wir erkannten Ende 2018 wie wichtig es ist, dem User mehr als nur ein Utility-Tool zur Verfügung zu stellen. Seither arbeiten wir an einer brandneuen Generation mit Namen Plitch, die auf der Grundfunktionalität aufbauend erhebliche Gamification Elemente enthalten wird wie individuelle Highscores, Statistiken, Badges, etc. Das geht auch einher mit einem Rebranding”, erzählt Maroschik weiter.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der MegaDev-Macher außerdem über Doom, Original-Spieleversionen und sein Traumbüro.

Wie würdest Du Deiner Großmutter MegaDev erklären?
Oma, weißt Du noch, wie Du beim Zocken am Computer neulich in Doom nicht gegen Cyber-Demon ankamst? Stell Dir vor, Du hättest in dem Moment unendlich Munition gehabt, oder besser noch wärst “unverwundbar” gewesen. Läuft, oder? Meine Software liefert genau das: Es ist ein Gaming-Assistent mit 29.000 solcher selbstentwickelter Codes für über 2.250 Einzelspieler-PC-Games und Kampagnen. Damit sind wir Europas größter Anbieter solch einer Assistenz-Software.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Jein: Unsere Software, der MegaTrainer ist in seiner Funktionsweise nun seit dem Launch 2016 gleich geblieben. Wir erkannten Ende 2018 jedoch wie wichtig es ist, dem User mehr als nur ein Utility-Tool zur Verfügung zu stellen. Seither arbeiten wir an einer brandneuen Generation mit Namen Plitch, die auf der Grundfunktionalität aufbauend erhebliche Gamification Elemente enthalten wird wie individuelle Highscores, Statistiken, Badges, etc. Das geht auch einher mit einem Rebranding, welches wir noch im Sommer 2020 durchziehen und dabei die neue Software releasen werden.

Die Corona-Krise trifft die Startup-Szene derzeit hart. Wie und in welcher Form spürt ihr die Auswirkungen?
Die gesamte Gaming-Branche boomt gerade. Das geht auch an uns nicht vorbei: Seit Ende Februar haben unsere Monatsumsätze um 53 % zugelegt. Erst jetzt mit den ersten Lockerungen und dem guten Wetter im Mai nivelliert sich das allmählich aus. Wir haben die Zeit genutzt und die Umsätze direkt in weiteres Personal im Bereich Marketing investiert. Außerdem haben wir beschlossen, einen Teil unseres Erfolgs an die Gaming-Community zurückzugeben und haben über 10 % unseres Repertoires dauerhaft kostenlos im MegaTrainer verfügbar gemacht, darunter auch viele große Spiele-Reihen und -Titel, wie etwa Just Cause 4.

Welche langfristigen Auswirkungen erwartest du für euch?
Die Pandemie befeuert ironischerweise massiv unser ohnehin für diesen Sommer geplante Gamechanger-Moment, also den Release des MegaTrainer-Nachfolgers inklusive Rebranding zu Plitch. Wir konnten uns in den letzten zwei Monaten daher optimal in Position bringen, hoffen nun mit sehr viel Schwung zu starten und ein langfristig sehr erfolgreiches Produkt am Markt positionieren zu können.

Wie genau bereitet ihr euch auf die Zeit nach der Corona-Pandemie vor?
Ich bin überzeugt, dass das gesamte Thema Gaming durch die weltweiten Shelter-at-home-Maßnahmen gewaltig an Prominenz gewonnen hat. Gleichzeitig haben wir an unseren Nutzerstatistiken in der Zeit aber auch viel über das Nutzungsverhalten und die Präferenzen gelernt. Wir werden daher sicherlich unser Repertoire gerade im Bereich Dauerbrenner noch weiter ausbauen und uns überlegen, wie wir über eigene Gamification und Partnerschaften eine noch spielerischere Vernetzung unserer User ermöglichen können, um uns langfristig von einer Software hin zu einer Plattform zu entwickeln.

Wie ist überhaupt die Idee zu MegaDev entstanden?
Es ist ein bisschen wie bei der Erklärung für die Oma: Wir sind selbst alle Gamer, doch schon während Schule, späteren Studiums und nicht zuletzt im Job hatte man einfach immer weniger Zeit um all die coolen Spiele zu spielen, die alle paar Wochen rauskamen. Dabei wurden aber die zu erkundenden Welten immer größer und komplexer, sodass man immer mehr Zeit aufwenden musste um nennenswert weiter zu kommen. Mit dem Hintergedanken hat mein Co-Founder Christian aka CCJ39 bereits 1998 seine ersten Cheatcodes auf seinem heimischen Computer für sich kreiert und diese ab 2001 privat mit der Community – allerdings schon unter dem Namen MegaDev – geteilt. Ende 2013 lernten wir uns kennen, wurden uns über die Zeit immer sympathischer und beschlossen 2015 aus seinem Hobby ein Geschäft zu machen: Er als Programmierer, ich als Mädchen für alles andere.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Fachwort-Bingo: B2C-SaaS mit Freemium-Komponente. Klartext: Du lädst Dir die Software direkt auf Deinen Windows-PC und kannst sie kostenlos mit 1bis fünf Cheats für alle 2.250+ Spiele testen. Wenn Du aber vollen Zugriff auf alle Codes – pro Spiel im Schnitt 13 Stück – haben möchtest musst Du bei uns eine Jahreslizenz – Mitgliedschaft – erwerben. Die oben erwähnten 10 % des Contents sind davon natürlich ausgenommen. An dieser Stelle ist mir besonders wichtig, hier noch einmal auf das Wort Compliance zu sprechen zu kommen. Wer schon einmal beim Mensch-ärgere-dich-nicht oder Monopoly beschissen wurde weiß genau wie mies sich das anfühlt. Deswegen ist uns der Multiplayer und alles was in Verbindung mit Social gaming steht absolut heilig. Christian und ich setzten uns bei der Gründung das Credo, unsere Software ausschließlich auf legale Weise und für den Singleplayer zu entwickeln, stets nur lokal auf dem PC auszuführen -keine Server-Hacks – und immer nur für Original-Spieleversionen verfügbar zu machen. Wir überlassen damit gerade unserer US-Konkurrenz, die es da nicht so genau nimmt, teilweise nicht unerheblichen Umsatz. Aber das Anbieten von Codes ist für uns auch eine moralische Frage, denn weitesten Sinne geht es hier ja um Cheats. Solche für sich alleine ist das einfach nur ein Ausdruck von der Freiheit mit seinem Spiel machen zu können was man will, aber sobald Highscores oder andere Spieler betroffen sind endet der Spaß. Plitch wird daher auch als erste Drittanbieter-Software in dem Bereich weltweit eine eigens entwickelte Firewall, das Plitch-Gateway, beinhalten, welche es schon rein technisch unmöglich machen wird, dass die Verwendung der Software zu Resultaten außerhalb des Anwender-PCs führt. Nicht zuletzt möchten wir damit auch die Entwickler und Publisher schützen, die heutzutage nicht nur einen nennenswerten Teil ihrer Umsätze über Multiplayer einfahren, sondern auch erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen, wenn sich ein Titel in Highscores oder Multiplayer als Cheater-verseucht herausstellt. Dabei sitzt aber die ganze Branche in einem Boot und nur wenn alle am bestmöglichen Erlebnis für den Spieler arbeiten und weiter tolle Titel herausbringen, können wir gemeinsam wachsen.

Wie hat sich MegaDev denn seit der Gründung entwickelt?
Im Vergleich zu anderen Startups ist unser Wachstum etwas moderater. Dies liegt vor allem daran, dass Christian und ich uns von Anfang an darauf verständigt hatten Investitionsrunden stets nur zur technischen Entwicklung zu verwenden und nach den Investitionen der jeweiligen Runde erst wieder Break-Even -oder so gut wie – zu erreichen. Wir wollten stets ein gesundes Unternehmen leiten und uns so aber auch eine starke Verhandlungsposition für eine etwaige nächste Runde sichern. Diese Strategie ist bisher ausgezeichnet aufgegangen und wir konnten dennoch tolle Wachstumszahlen vorweisen. Mit der Runde, die wir für diesen Sommer suchen, brechen wir erstmals mit der bisherigen Mittelverwendung und möchten das eingesammelte Geld zum Großteil für das Plitch-Marketing verwenden.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist MegaDev inzwischen?
Wir sind aktuell 15 FTEs, davon 12 in München, zwei in USA – wir waren gerade mitten im Aufbau einer Zweigstelle in Austin, Texas, als uns Corona dazwischen kam – und ein Entwickler sitzt noch in Pakistan. Unser Umsatz geht steil auf die erste Million Euro zu. Unsere Community ist über 220.000 Mann – und Frau – stark, wovon etwa 10 % Premium-Nutzer sind mit aktiver Mitgliedschaft. Das eigentlich interessante ist, dass wir bei der Gründung von einer viel jüngeren Zielgruppe ausgegangen sind. Mittlerweile wissen wir aber, wir mehr Menschen über 45 als unter 25 unter unseren Kunden haben und dass unsere Hauptzielgruppe die Dads dieser Welt sind: 70 % männlich, im besten Alter zwischen 28 und 42, 72 % Vollzeit berufstätig und eine Familie daheim. Das sind die Helden des Alltags, die alles unter einen Hut bringen – und wir leisten unseren Beitrag, dass sie dazwischen auch mal schön frustlos zocken können!

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Auweia. Wir hatten einige Rückschläge. Einige der heftigsten Lektionen haben wir im HR gelernt, hier hatten wir oft nicht gründlich genug die Lebensläufe recherchiert und schon den einen oder anderen ins Team geholt, der/die nur auf den ersten Blick das versprochene Talent abrufen konnte. Ich glaube aber unser größter Rückschlag bisher war die Plich-Entwicklung: Ein halbes Jahr lang haben wir auf einer Plattform programmiert bevor ausgerechnet unserem Werkstudenten – doppelt peinlich – aufgefallen ist, dass es dafür keine Updates mehr geben würde, da eine neue Generation verfügbar war. Damit haben wurden auf einen Schlag mehrere Entwicklungsmonate zur Makulatur.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Hier sehe ich gleich mehrere kleine wie auch große Bereiche: Einerseits hat sich unsere Investment-vs-BreakEven Strategie durchaus bewährt und hat uns zu einem langfristig erfolgreichen Unternehmen wachsen lassen. Andererseits sind wir auch stolz auf den jetzigen Schritt in die USA, dem die Aufnahme und erfolgreiche Abschluss in das renommierte German Accelerator Programm vorherging. Wir hatten beschlossen, dass ich im Rahmen des Accelerators für insgesamt neun Monate ins Silicon Valley gehen würde um alles, aber wirklich alles an Wissen zu Internationalisierung und US Gaming Branche aufzusammeln um es in die Plitch-Entwicklung, Ausrichtung und nicht zuletzt auch Vermarktung einzubringen. Explizit fällt mir hier noch eine Sache ein über die wir lange und mit einigen schlaflosen Nächten sinniert haben und die am Ende gut wurde: Ende 2017 mussten wir uns nach einem neuen Büro in München umsehen, da unser alter Mietvertrag bald auslief. Wir fanden ein Traumbüro mit großen Flächen, Blick über die Stadt und Dachterrasse, das aber deutlich über unseren Budget lag. Da uns aber klar war, dass wir in dieser Phase die Gehälter, die IT-Firmen in München sonst zahlen, Bewerbern nicht würden zahlen können, mussten wir uns etwas einfallen lassen um ein mehr zu bieten. Ein absolutes Wohlfühl-Büro war hier die Idee und das hat sich in der Tat in der Qualität und Produktivität des Teams bisher mehr als bezahlt gemacht und damit auch bilanziell längst ausgeglichen.

Wo steht MegaDev in einem Jahr?
Plitch ist auf dem Markt und in mittlerweile sieben Sprachen verfügbar. Wir haben neben Europa einen zweiten Kernmarkt USA auf dieselbe Größe aufgebaut und veranstalten mit unseren Gamification Elementen E-Sports-Turniere, in denen die Spieler in von uns definierten und mit Partnern geschaffenen Leveln mit Hardcore-Codes – die alles schwerer machen – um ein Preisgeld batteln.

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Foto (oben): MegaDev

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.