#Interview

“Wir haben – noch kein Jahr live – bereits die zweite Umsatzmillion geknackt”

Schüttflix aus Gütersloh bringt Produzenten und Spediteure in der Schüttgutbranche digital zusammen. "In der Bau- und speziell der Schüttgutbranche läuft vieles immer noch nach dem Prinzip 'Papier ist geduldig', aber das digitale Potenzial ist riesig", sagt Gründer Christian Hülsewig.
“Wir haben – noch kein Jahr live – bereits die zweite Umsatzmillion geknackt”
Montag, 23. März 2020VonAlexander Hüsing

Über Schüttflix können Kunden können via App das Baumaterial, das sie wirklich brauchen aussuchen. Anschließend bekommen sie eine Liste inklusive Preisen aller potenziellen Lieferanten direkt aufgelistet. Das Unternehmen wurde 2018 von Christian Hülsewig und Thomas Hagedorn in Gütersloh gegründet. Für Schlagzeilen sorgte das Bau-Startup als Schauspielerin und Moderatorin Sophia Thomalla kürzlich in das Unternehmen investierte.

“Sophia würde sagen, sie ist Schüttflix-Fan seit der ersten Stunde. Ursprünglich hatten wir sie als Markenbotschafterin angefragt, aber sie war sofort überzeugt von unserem Konzept, dem Marktpotenzial und der App. Außerdem passte die Chemie zwischen uns Gesellschaftern einfach, da war das Investment nur ein logischer Schritt”, sagt Gründer Hülsewig zum Investment der Schauspielerin.

Mit der bisherigen Schüttflix-Bilanz zeigt sich der Gründer zufrieden: :Zwei Jahre zurück lag Schüttflix noch nicht mal als Idee auf dem Tisch, sieben Monate später sind wir mit der App live gewesen und haben mit einem Team von sechs Leuten gefeiert. Noch ein Jahr drauf haben wir jetzt die zweite Umsatzmillionen geknackt, mehr als 85.000 Tonnen Sand und Kies ausgeliefert und arbeiten mit 20 Kollegen am deutschlandweiten Rollout”. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Hülsewig außerdem über Großbaustellen, Spaßkiller und Ostwestfalen.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Schüttflix erklären?
Meine Oma weiß, worum es geht, wenn ich von Schüttgut spreche. Die kommt vom Land. Da muss ich nicht ansetzen. Die digitale Komponente ist es, die den älteren Semestern nicht gerade geläufig ist. Ich würde meiner Großmutter Schüttflix also vielleicht so erklären: Wir vermitteln Fahrten – so wie eine Taxizentrale, aber nicht für Personen, sondern für Sand und Kies. Statt schriftlich oder per Telefon die Bestellung aufzugeben, geht das bei uns ganz einfach übers Smartphone. Damit kannst du vollkommen unkompliziert den besten Preis und die schnellste Lieferzeit abfragen und sagst dem Lieferanten einfach per Nadel in Google Maps oder Foto, wo genau er abladen soll. Von der Großbaustelle bis zum kleinen Bauvorhaben. Vollkommen intuitiv und ohne überflüssigen Papierkram.

Hat sich euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Wenn sich seitdem nichts getan hätte, wäre das eine traurige Sache. Die Grundidee steht, aber wir bauen sie kontinuierlich aus. Was uns derzeit besonders beschäftigt, sind Entsorgungen – das ist eine Konzeptanpassung, die wir gerade umsetzen. Damit vermeiden wir Leerfahrten auch auf vergleichsweise kurzen Strecken. So bringen wir das beim Bau aufkommende Restmaterial wieder in die Wertschöpfungskette ein. Kurzum: Wir setzen auf Nachhaltigkeit durch Verkehrsschonung und intelligenten Ressourceneinsatz. Außerdem erweitern wir gerade für Groß- und Folgeaufträge unseren Partnerkreis, um noch attraktiver zu werden.

Wie ist überhaupt die Idee zu Schüttflix entstanden?
Die Idee für Schüttflix kam mir zu Hause auf unserem Bauernhof in Ostwestfalen. Wann immer es unsere Zeit zulässt, setze ich dort zusammen mit meinem Bruder kleine und größere Bauprojekte um. Nur wenn da samstags morgens eine LKW-Ladung Sand an der vollkommen falschen Stellen abgeladen liegt, ist das ein echter Spaßkiller. Irgendwann ist mir der Kragen geplatzt und ich habe mir gesagt: Das kann ich besser! Vor der Schüttflix-Gründung war ich unter anderem weltweiter Logistikchef von Microsoft. Diese Erfahrung nutze ich jetzt, um die Digitalisierung der Schüttgutbranche voranzubringen. Das Marktpotential ist enorm: In Deutschland sind jeden Tag 150.000 Schüttgut-LKWs auf den Straßen unterwegs. Jeder von denen hat einen durchschnittlichen Tagesumsatz von 1.500 Euro. Das sind 225 Millionen Euro Umsatz pro Tag. Aus unserer Sicht ist das ein ziemlich überzeugender Business Case mit deutlich mehr Potenzial als der Taxi- oder Fernbusmarkt. Mit mittlerweile 33 habe ich mir dann gesagt: Wenn du jetzt nicht gründest, ist es vielleicht zu spät. Es war einfach der richtige Zeitpunkt nach über zehn Jahren im Konzern.

Wie digital ist die Baubranche denn überhaupt schon?
In der Bau- und speziell der Schüttgutbranche läuft vieles immer noch nach dem Prinzip ‘Papier ist geduldig’, aber das digitale Potenzial ist riesig. Es auch auszuschöpfen, wird immer wichtiger. Mit Schüttflix sind wir deshalb konsequent digital gestartet und holen unsere analogeren Kunden und Partner nun an Bord. Alle Abläufe, von der Bestellung bis zur Rechnung, funktionieren komplett papierlos. Das ist gerade für kleine und mittelständische Betriebe sehr attraktiv, die sich alleine mit der Digitalisierung schwertun. Mit uns gemeinsam geht das plötzlich ganz schnell.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Wir digitalisieren die Bestellung von Sand, Kies und anderem Schüttgut. Innerhalb von Sekunden erhalten unsere Kunden mindestens fünf Angebote verschiedener Erzeuger und Spediteure im Umkreis von 150 km, die innerhalb von vier Stunden frei Baustelle liefern können. In den angebotenen Preisen ist unsere Marge bereits inkludiert. Dadurch wird der Schüttgutmarkt erstmalig transparent und effizient. Im Gegenzug erhält Schüttflix pro Bestellung eine im Preis bereits inkludierte Handling-Gebühr vom Kunden. Erzeuger und Spediteure finden uns übrigens auch super. Statt wie sonst üblich wochenlang auf ihr Geld warten zu müssen, ist es von uns per Gutschrift bereits am nächsten Tag da.

Schüttflix residiert in Gütersloh. Was zeichnet die Region in Sachen Startup-Kultur aus?
Ostwestfalen ist schon immer eine der disruptivsten Regionen Deutschlands. Hier ist das zu Hause von Unternehmen wie Bertelsmann, Schüco, Miele oder Dr. Oettker, die ihre Branche allesamt radikal verändert haben. Formate, wie die Hinterland of Things, zeigen, dass es hier weiter pulsiert. Hier gibt es den optimalen Nährboden für viele spannende Unternehmen und ihre Business-Ideen. Für uns ist es wichtiger nah an der Branche zu sein, anstatt ein Büro in Berlin zu haben.

Wie genau hat sich Schüttflix seit der Gründung entwickelt?
Sehr gut! Zunächst läuft die App seit Stunde null stabil. Wir erweitern stetig unseren Partnerkreis – und haben – noch kein Jahr live – bereits die zweite Umsatzmillion geknackt. Unser durchschnittliches monatliches Wachstum liegt bei über 50 % Dabei sind wir noch komplett selbstfinanziert, aber offen für langfristige, strategische Investoren. Großen Anteil am Erfolg hat mein Mitgründer Thomas Hagedorn. Er ist selbst ein erfahrener Serial-Entrepreneur und kennt die Baubranche bestens. Seit Herbst 2019 hat Sophia Thomalla unseren Gesellschafterkreis erweitert, denn wer könnte echte Kerle vom Bau besser erreichen als Sophia?

Wie kam das Investment von Sophia Thomalla überhaupt zustande?
Sophia würde sagen, sie ist Schüttflix-Fan seit der ersten Stunde. Ursprünglich hatten wir sie als Markenbotschafterin angefragt, aber sie war sofort überzeugt von unserem Konzept, dem Marktpotenzial und der App. Außerdem passte die Chemie zwischen uns Gesellschaftern einfach, da war das Investment nur ein logischer Schritt.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Schüttflix inzwischen?
Ich würde sagen: Es läuft sehr gut. Zwei Jahre zurück lag Schüttflix noch nicht mal als Idee auf dem Tisch, sieben Monate später sind wir mit der App live gewesen und haben mit einem Team von sechs Leuten gefeiert. Noch ein Jahr drauf haben wir jetzt die zweite Umsatzmillionen geknackt, mehr als 85.000 Tonnen Sand und Kies ausgeliefert und arbeiten mit 20 Kollegen am deutschlandweiten Rollout. Dafür haben wir jetzt schon über 600 Partner an Bord. Seit Januar verstärkt zudem Jan Hildburg als CTO unser Managementteam. Er ist der Mastermind, der ab Stunde Null unsere App entwickelt hat und sich jetzt darum kümmert, dass wir digital weiterhin stets einen Schritt vorausdenken.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist seit dem Start so richtig schief gegangen?
Ein paar Dellen gibt es immer, aber so richtig in die Binsen gegangen ist eigentlich nichts. Wir kommen alle aus der Praxis und haben uns sehr genau angeschaut, was wir machen wollen, bevor überhaupt die erste Zeile Code geschrieben wurde. So sind wir beispielsweise ab dem ersten Tag mit Klick-Dummies bei den LKW-Fahrern, Disponenten und Kunden auf der Baustelle gewesen. Und wie gut die Idee ist, Sophja auf neun Meter große Banner an Baustellen aufzuhängen, müssen wir noch schauen. Sagen wir es so, da entsteht gerade eine ganz eigene Form von Angebot und Nachfrage.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Uns war wichtig, dass wir von Beginn an extrem agil und skalierbar unterwegs sind. Deshalb haben wir Köpfe gesucht, die nicht nur digital denken, sondern gleichzeitig ganz traditionell vor allem Logistik verstehen. Was eindeutig zu weniger Kinderkrankheiten geführt hat.

Wo steht Schüttflix in einem Jahr?
Wir kennen den Markt ganz genau – und vor allem seine bisherigen Ineffizienzen. Die wollen wir beseitigen. Unsere Wachstumsraten zeigen, dass das Angebot angenommen wird. Jetzt geht es für uns erstmal darum, bis Ende 2020 ganz Deutschland mit Schüttgut zu versorgen. Natürlich zu den besten Konditionen. Danach geht der Blick in Richtung Internationalisierung und der Erweiterung des Produktportfolios. Aber vorher müssen wir zu Hause sauber abliefern.

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Foto (oben): Schüttflix

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.