#Interview

Wie ein Kölner Startup die Rechtsberatung digitalisiert

AnwaltNow, das Jura-Startup von Lennart Letzel und Sascha Greier bringt Anwälte mit Kunden zusammen. Dabei wird die Rechtsberatung zum Festpreis angeboten. Mit Legaly haben die Kölner ihr Portfolio zudem gerade um ein B2B-Angebot erweitert.
Wie ein Kölner Startup die Rechtsberatung digitalisiert
Montag, 14. Oktober 2019VonSümeyye Algan

Fehlende Transparenz bei Anwaltsrechnungen und die Berechnung der Leistungen nach einer Gebührenordnung, die noch aus dem letzten Jahrhundert stammt, halten laut einer Forsa Umfrage mehr als 70 % der Bevölkerung davon ab, einen Rechtsbeistand aufzusuchen. Ausgehend von dieser Situation, war die Vision von Lennart Letzel und Sascha Greier die Rechtsberatung zu digitalisieren und zum Festpreis anzubieten. 2016 gründeten die beiden in Köln das Startup AnwaltNow. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Mitgründer über das boomende LegalTech-Segment und den Gründerstandort Köln.

Wer seid ihr und was genau macht ihr?
Legaly bzw. AnwaltNow habe ich zusammen mit Sascha Greier, einem Kölner Anwalt für E-Commerce- und Arbeitsrecht gegründet. Ich habe bis vor unserer Gründung an der WHU in Vallendar studiert und hatte vor unserem Start nur wenige Berührungspunkte mit rechtlichen Themen. Im Grunde digitalisieren wir mit AnwaltNow die Rechtsberatung für Kunden und Anwälte zum Festpreis. Hierzu arbeiten wir mit Partnern zusammen, die über Kundenschnittstellen verfügen. Insbesondere bieten wir auch Maklern die Möglichkeit, ihre Kunden einen digitalen und schnellen Zugang zu Anwälten zu verschaffen. Mit unserem neuen Produkt Legaly haben wir unser Portfolio um ein B2B-Angebot erweitert. Legaly, ist eine digitale, on-demand Rechtsabteilung für KMUs mit oder ohne eigene Rechtsabteilung. Kleineren Firmen helfen wir vor allem dabei, für jeden Rechtsfall den richtigen Anwalt zu finden und die rechtliche Kommunikation schnell und effizient auf einer Plattform zu bündeln. Bei größeren Firmen, die natürlich teilweise schon eigene in-house Anwälte haben, geht es vielmehr darum, das rechtliche Wissen innerhalb einer Firma zu strukturieren und sichtbar zu machen.  Bei Bedarf können flexibel zusätzliche Kapazitäten über die Plattform gebucht werden. Dabei ist die Nutzung für die Firmen kostenlos.

Wie ist die Idee für AnwaltNow entstanden?
Rechtliche Probleme werden gerade von meiner Generation zunehmend nicht mehr über Anwälte gelöst. Kommt es zu einer Situation, die rechtliche Unterstützung benötigt, würden sich laut einer Forsa-Studie 70 % der Bevölkerung  keinen Anwalt suchen. Grund hierfür ist vor allem eine fehlende Transparenz bei den Kosten und ein nicht mehr zeitgemäßer Beratungsprozess, der den Gang zum Anwalt so attraktiv macht wie einen Zahnarztbesuch. Gleichzeitig berechnen Anwälte ihre Leistungen häufig noch immer nach einer Gebührenordnung, die aus dem 20. Jahrhundert stammt und den heutigen Arbeitsbedingungen und -anforderungen nicht mehr gerecht wird. Diese Entwicklung fanden wir problematisch und wollten das Problem mit AnwaltNow angreifen.

Warum habt ihr euer Geschäftsmodell geändert?
Unser Geschäftsmodell bleibt erst einmal gleich und wird um ein B2B-Angebot erweitert. Aus unserem Netzwerk mit verschiedenen Startups, Partnern, Investoren und vor allem auch von Maklerseite sind wir immer wieder nach passenden Lösungen für den B2B Bereich/Gewerbekunden gefragt worden. Für viele Gründer ist das Thema Recht immer noch ein großer Pain Point. Die eigentliche Beratung findet nach wie vor in unübersichtlichen Email Threads statt, der Dokumentenaustausch ist kompliziert – da viele Anwälte kein Google Drive nutzen wollen und am Ende steht meistens eine teure Abrechnung, die für den Gründer nicht wirklich transparent ist. Es fehlt an einer zentralen Plattform, auf der das rechtliche Wissen verwaltet wird. Das führt häufig zu einem Knowledgedrain. Wir sehen uns hier als eine Art Slack für Legal-Themen. Letztendlich haben wir festgestellt, dass das Thema sehr relevant ist, es bis jetzt noch keine überzeugende Lösungen in Deutschland gibt und das wir durch unsere Tätigkeit bei AnwaltNow viel relevante Erfahrung und Wissen gesammelt haben.

Was war die größte Herausforderung, was die größte Schwierigkeit bei diesem Wandel?
Bei uns ist es kein klassischer Pivot von B2C zum B2B, sondern eher eine Produkterweiterung. Im Prinzip sind es zwei nebeneinander laufende Projekte, die zudem große Synergien aufweisen. Die größte Herausforderung ist dabei die Aufteilung von Ressourcen zwischen beiden Projekten und gleichzeitig will man ja auch den Fokus nicht verlieren.

Welche Veränderungen waren in Sachen Personal nötig – ein B2B-Unternehmen braucht noch sicherlich andere Mitarbeiter als ein B2C-Startup?
Im Grunde sind die operativen und technischen Anforderungen an das Personal recht ähnlich. Insbesondere im Bereich des Account Managements verlangt der B2B-Bereich aber eine deutlich größere Kundennähe. Sowohl mit unseren handverlesenen Anwälten, als auch mit unseren Firmenkunden/Startups stehen wir bei Legaly in einem sehr engen Austausch. Daneben muss man natürlich versuchen, jeden Mitarbeiter auch inhaltlich mitzunehmen und die Beweggründe für das neue Produkt zu erklären. In einem kleineren Team ist das zu Beginn sicherlich noch einfacher.

Was haben Eure Kunden zu der Erweiterung des Geschäftsmodells gesagt?
Auf Kundenseite- und Partnerseite erfahren wir einen hohen Zuspruch. Die Problematiken treten nach unseren Beobachtungen durchweg bei allen Firmen auf. Mal sind die Probleme größer, mal kleiner. Die Themen Rechtskosten, langsame und ineffiziente Beratung und fehlende Kontrolle über die Legal-Themen sind jedoch fast überall relevant. Dadurch, dass die Kunden auf der Legaly-Plattform entweder ihre bestehenden Anwälte integrieren, einen unserer Partneranwälten wählen oder beides kombinieren können, findet sich stets eine individuelle Lösung, um die Prozesse zu verbessern und signifikant Kosten zu sparen.

Hat sich die Erweiterung des Geschäftsmodells gelohnt?
Zunächst einmal ist so eine Produkterweiterung ein sehr zeitintensiver Prozess. Produktplanung, Konzeption, Coding und Testing des MVP erfolgen ja quasi neben dem normalen Business. Das ist schon eine sehr spannende Zeit. Wenn man dann aber sieht, dass die Services angenommen werden und sich die Synergien wir erhofft entwickeln, hat sich der Aufwand definitiv gelohnt.

Ist B2C nun gar kein Thema mehr für Euch?
B2C bleibt für uns ein sehr wichtiges Thema. Wir erarbeiten derzeit einige Lösungen für Kunden Anwälte und Versicherungsmakler um Prozesse zumindest teilweise zu automatisieren und somit den Beratungsaufwand für die Anwälte weiter zu senken. Hier gibt es natürlich auch große Schnittmengen zum B2B-Bereich.

Wo steht Ihr in einem Jahr?
Wir hoffen, dass wir sowohl im B2C Bereich die Partnerschaften, insbesondere mit den Maklern und auch Maklerpools weiter ausgebaut haben und zudem dann Legaly als eine Standard-Lösung für Gewerbekunden/Startups/KMUs etablieren können. Hier haben wir zudem diverse Tech-Tools in Arbeit, mit denen wir den Prozess für alle Beteiligten optimieren wollen.

Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für Köln als Startup-Standort?
Köln hat mit seiner zentralen Lage ein riesiges Einzugsgebiet in NRW und ist als Stadt unglaublich lebenswert. Gleichzeitig ist die Anbindung mit der Bahn und dem Flughafen Köln/Bonn perfekt. Das alles macht in unseren Augen Köln als starken Gegenpol zu Berlin aus.

Was genau macht den Reiz der Startup-Szene in Köln aus?
Dadurch, dass die Kölner Startup-Szene deutlich kleiner ist, als z.B in Berlin, kennt man gefühlt jeden über zwei Ecken. Gleichzeitig ist alles etwas unaufgeregter und übersichtlicher in Köln.

Was ist in Köln einfacher als im Rest der Republik?
Kontakte knüpfen, die dann auch verbindlich sind und zu nachhaltigen Kooperationen führen.

Was fehlt in Köln noch?
Im Bereich CoWorking Spaces und Hubs ist aktuell sehr viel Bewegung in Köln. Wir würden uns aber über ein noch breiteres Angebot an Networking Events freuen. Gerade im Bereich InsurTech sehen wir aber, dass Köln bereits jetzt eine führende Rolle einnimmt und sich Angebote wie das InsurLab hier gezielt ansiedeln.

Welchen Tipp gibst du anderen Gründern, die vor einem Pivot stehen?
Da wir keinen klassischen Pivot haben, stellt sich die Situation bei uns natürlich anders dar, als bei einem reinen Pivot. Entscheidet man sich für die Verbreiterung des Geschäftsmodells, muss gründlich geprüft werden, ob es ein sinnvolles Nebeneinander der Themen ist, oder sie sich gegenseitig ausbremsen. In unserem Fall überwiegen die Vorteile ein breites Angebot zu haben deutlich, da sich die Bereiche hervorragend ergänzen. Bei legaly werden zwar auch Großkanzleien angeboten, aber bei den Boutique-Kanzleien und Spezialisten haben wir eine Vielzahl von Partneranwälten die in beiden Bereichen eingesetzt werden. Auch für unsere Partner wie z.B. die Maklerpools können wir nun sowohl Privatkunden, als auch Gewerbekunden versorgen. Wenn sich bei anderen Gründern mehrere Bereiche nicht sinnvoll ergänzen, muss man sich für einen Weg entscheiden.

Gibt es etwas, was du dir für für Köln als Startup-Standort wünschst?
Wünschen würden wir uns, dass auch von politischer Seite noch mehr für den Standort getan wird und noch aktiver beworben wird. Gerade im HR-Bereich zieht es vor allem internationale Kandidaten immer noch häufiger nach Berlin. Zugleich ist der Wohnungsmarkt aktuell extrem angespannt und bezahlbaren Wohnraum für neue Mitarbeiter zu finden ist oft extrem schwierig.

Kölle is e jeföhl – #Köln


In unserem Themenschwerpunkt Köln berichten wir gezielt über die Digitalaktivitäten in der Rheinmetropole. Mit über 650 Start-ups, 25 Gründerzentren, attraktiven Investoren und zahlreichen Veranstaltungen und Netzwerken bieten Köln und das Umland ein spannendes Ökosystem für Gründerinnen und Gründer. Diese Rubrik wird unterstützt vom Digital Hub Cologne und der Stadt Köln.

Foto (oben): AnwaltNow

Sümeyye Algan

Sümeyye Algan, Redakteurin bei deutsche-startups.de, mit Blick aufs Ruhrgebiet, seine Geschichten und Persönlichkeiten. Nach zwei Praktika bei der WELT in Berlin und dem WDR in Essen, arbeitete sie u.a. für den WDR und als freie Autorin für Informer Online.