#Interview

Berliner IoT-Überflieger peilt 50 Millionen Umsatz an

"Wir sind eines der wenigen IoT-Startups, das die komplette Wertschöpfungskette beherrscht", sagt Smartfrog-Chef Charles Fränkl. "Seit dem Produkt-Launch sind wir kontinuierlich und stark gewachsen: im Durchschnitt jährlich um mehr als 500 %."
Berliner IoT-Überflieger peilt 50 Millionen Umsatz an
Mittwoch, 7. August 2019VonAlexander Hüsing

In den vergangenen Jahren wanderten rund 30 Millionen in das Berliner Start-up Smartfrog. Die Jungfirma, die 2014 gegründet wurde und 2015 an den Start ging, kümmert sich um das trendige Thema Sicherheit und bietet internetfähige Kameras (samt Cloudspeicher) zur Heimüberwachung, die gerade einmal 5,95 Euro pro Monat kosten, an. In diesem Jahr peilt das Unternehmen, das bereits 100 Mitarbeiter beschäftigt, einen Umsatz von rund 50 Millionen Dollar an. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Smartfrog-Chef Charles Fränkl, ehemals ClickandBuy, über Wertschöpfungsketten, Sicherheit und Nerds.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Smartfrog erklären?
Smartfrog ist ein Technologieunternehmen mit Schwerpunkt Internet der Dinge, englisch Internet of Things (IoT). Smartfrogs Ziel ist es, Gegenstände des täglichen Gebrauches intelligenter zu machen und sie mit dem Internet zu verbinden – zum Beispiel mittels einer App – und mit nützlichen, nutzerfreundlichen, günstigen und sicheren Lösungen IoT für alle anbieten zu können. So soll das Alltagsleben aller Menschen bequemer, effizienter und sicherer werden. Dazu haben wir eine universelle IoT-Plattform entwickelt, auf der verschiedene IoT-Lösungen maßgeschneidert angeboten werden können. Den Fokus legen wir mit unseren Lösungen zunächst auf das Thema Sicherheit, da jeder etwas zu beschützen hat und demnach Sicherheit für jeden wichtig ist.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Wir sind eines der wenigen IoT-Startups, das die komplette Wertschöpfungskette beherrscht. Bei IoT geht es um viel mehr als um Technik: Eine IoT-Wertschöpfungskette sollte gleichzeitig auch über eine vollintegrierte Marketing-, Vertriebs-, e-Commerce- Logistik, Kundenservice- und eine Unternehmensstruktur verfügen, die alle gesetzlichen und regulatorischen Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich Datensicherheit, Steuern und Zöllen, umsetzen kann. Wir verfolgten von Beginn an ein Saas-, Software as a Service-Geschäftsmodell und konnten dieses inzwischen international skalieren.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Das disruptive Geschäftsmodell von Smartfrog ist ein SaaS-Modell mit speziell entwickelten Angeboten für die verschiedenen Weltmärkte, also eine Anwendungs-Software und die dazu benötigten weiteren Komponenten wie zum Beispiel die IT-Infrastruktur. Mehr als 90 % des Umsatzes erzielen wir direkt über den eigenen Online-Shop. Außerdem werden unsere Produkte im Rahmen von Kooperationen an die Kunden von Partnern mit großem Kundenstamm angeboten. Smartfrog kooperiert unter anderem mit Energieversorgern in Deutschland, Großbritannien und Österreich. Canary hat Partnerschaften mit Versicherern in den USA.

Das amerikanische IoT-Unternehmen Canary habt ihr kürzlich übernommen. Wie schwierig ist so eine Übernahme?
Unsere Gründer und Management-Mitglieder waren bei allen Techniktrends der vergangenen 20 Jahre aktiv dabei und haben diese Märkte mit aufgebaut, wie zum Beispiel im Bereich Webhosting, Internet-Payment sowie Antivirus- Software. All diese Unternehmen hatten eins gemeinsam: Sie haben komplexe Technologien einfach und günstig für den Massenmarkt entwickelt. Diese gebündelte Expertise war bei der Übernahme der Kontrollmehrheit sehr wertvoll. Smartfrogs und Canarys Produkte, Technologien, Märkte, Geschäftsmodelle und Vertriebskanäle ergänzen sich nahtlos. Auch die Produkte und Technologien beider Unternehmen, wie die angebotenen Lösungen, die IoT- Plattform, künstliche Intelligenz und Machine Learning sind komplementär. Gemeinsam mit Canary stärken wir unsere Position als führendes Technologieunternehmen in Europa und weiten diese global aus.

Hat sich dies auch in Praxis gewahrheitet?
Rund ein halbes Jahr nach der Übernahme der Mehrheitsbeteiligung am us-amerikanische IoT-Pionier Canary ziehen wir eine positive Zwischenbilanz. In den vergangenen Monaten ist es uns gelungen, Synergien zu nutzen. Wir haben Smartfrogs SaaS-Geschäftsmodell erfolgreich auf Canary übertragen und den Fokus von Hardware auf eine kundenorientierte Software- und Service-Lösung gelenkt. Die Zusammenlegung der Geschäfte von Canary und Smartfrog ermöglicht es, die Ressourcen beider Unternehmen, die Teams, deren Marktexpertise und die komplementären Distributionskanäle optimal zu nutzen und von Synergieeffekten zu profitieren, um das Geschäft in den USA und in Europa weiter auszubauen.

Plant ihr weitere Übernahmen?
Wir bei Smartfrog sind angetreten, um moderne Technologien einfach und günstig für jeden verfügbar zu machen. Dementsprechend möchten wir mit unseren Produkten eine große Zielgruppe ansprechen und das Internet der Dinge für jedermann etablieren. Smartfrogs Fokus liegt nach wie vor auf organischem internationalem Wachstum sowie weiteren Akquisetätigkeiten.

Wie genau hat sich Smartfrog seit der Gründung entwickelt?
Smartfrog wurde 2014 gegründet. Seit dem weltweiten Produkt-Launch im Oktober 2015 sind wir kontinuierlich und stark gewachsen: im Durchschnitt jährlich um mehr als 500 %. Ein wichtiger Meilenstein im vergangenen Jahr war die Übernahme der Mehrheitsbeteiligung am US-amerikanischen IoT-Pionier Canary.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Smartfrog inzwischen?
Die Smartfrog Group wächst weiter kräftig und strebt für 2019 einen Umsatz von rund 50 Millionen US-Dollar an. Weltweit vertrauen inzwischen rund eine Million Nutzer in 187 Ländern auf unsere Lösungen. Insgesamt wurden bisher 65 Millionen US-Dollar in die Unternehmensgruppe investiert. An unseren Standorten arbeiten insgesamt über 100 Mitarbeiter.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Die Industrie hat sich lange Zeit darin geirrt, dass IoT und Smart Home nur weitere Kategorien wie Computer oder Stereoanlagen seien. In den vergangenen Jahren wurde deshalb eine Reihe unausgereifter, komplexer und teurer Produkte entwickelt, die nur eine kleine Gruppe technikaffiner Nerds begeistern, nicht jedoch den Massenmarkt. Aus Sicht der Verbraucher geht es beim Internet der Dinge nicht nur um die Technologie, sondern in erster Linie um Nützlichkeit und echten Mehrwert. Der IoT-Markt tritt jetzt in die Wachstumsphase ein und wir sehen, dass vielen anderen Marktteilnehmern der Sprung dorthin nicht gelungen ist.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Für den Aufbau eines neuen Marktes haben sich unser Geschäftsmodell und unsere Go-to-market-Strategie als geeignet erwiesen – was zuletzt auch durch die Übernahme der Kontrollmehrheit an Canary validiert wurde. Dieser Markt entwickelt sich nun. Zudem stellen wir stets den Nutzer in den Mittelpunkt unseres Saas-Modells, das wiederum auf unserer universellen Plattform basiert. Mit dem Angebot von nützlichen, einfach zu bedienenden, günstigen und sicheren Lösungen ist es uns gelungen, den Sprung von der frühen Marktphase ins Marktwachstum zu meistern. Und nicht zuletzt begründet Smartfrogs Erfolg auf unserem Team. Dabei setzen wir auf die Mischung aus jungen Wilden und alten Hasen.

Wo steht Smartfrog in einem Jahr?
Auch in den kommenden Monaten stehen die Zeichen bei Smartfrog auf Wachstum. Das Marktumfeld ist günstig: Weltweit liegt die Verbreitung von Smart Home Sicherheitslösungen bei nur 3 %, d.h. 97 % des Marktes sind immer noch unerschlossen. Diese Chance möchten wir nutzen. Wir glauben, dass in 10 Jahren in fast jedem Haushalt eine Sicherheitskamera installiert sein wird und in 20 Jahren jeder Haushalt smar“ sein wird. Unser SaaS-Geschäftsmodell und der „full-stack“-Charakter unserer IoT Plattform ermöglicht es Smartfrog, schnell und kanalübergreifend global zu skalieren und eine starke Position im internationalen Wettbewerb einzunehmen. Das gemeinsame Investment von führenden US-Investoren und Smartfrog in Canary ist eine weitere Validierung unserer Vision und unseres Geschäftsmodels – auch im Silicon Valley. Wir werden unser Geschäft und Wachstum weiterhin international skalieren, sowohl durch organisches Wachstum als auch durch weitere Mergers und Akquisitionen.

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Foto (oben): Smartfrog

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.