#Interview

“Ein gewisses Schmerzlevel muss man überstehen können”

"Ich mache laufend Fehler. Aber es ist wichtiger Entscheidungen zu treffen, anstatt Entscheidungen aufzuschieben", sagt Jodok Batlogg, Gründer von Crate.io. "Auf unser Unternehmen bezogen glaube ich, dass der größte Irrtum gleich zu Beginn passiert ist".
“Ein gewisses Schmerzlevel muss man überstehen können”
Mittwoch, 31. Juli 2019VonAlexander Hüsing

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Jodok Batlogg, Gründer von Crate.io. Das Unternehmen mit Sitz in San Francisco und Berlin entwickelt mit CrateDB eine Open-Source-SQL-Datenbank für IoT- und Maschinendaten.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Jetzt im Sommer stehe ich recht früh auf und mache so oft es geht Sport bevor es heiß wird. Joggen, radfahren, wandern. Dabei/danach höre ich immer das Ö1 Journal – komprimierte News aus aller Welt. Und recht oft gibt’s danach im Office einen Chai-Tee – nach Yogi Rezept von unserem Teammember Micha. Morgens organisiere ich als erstes die Tasks die ich an dem Tag erledigen möchte und starte danach um 9:00 mit einem Daily Standup mit meinem Führungsteam.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Als Gründer verschwinden die Grenzen zwischen Arbeit und privatem sehr stark. Ich bin selbst für meine Work-Life-Balance verantwortlich und schneide mir immer wieder Bereiche raus, wo ich abschalte. Das ist eher zwischendurch auf der Arbeit.  Ich gehe recht früh schlafen, spätestens dann hab ich komplett abgeschaltet. Dafür bleibe ich morgens abgeschaltet, bis ich ins Büro komme. Ansonsten kümmere ich mich gerne um meine Bienen, gehe reiten, arbeite im Wald, treibe Sport.

Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich bin schon immer Unternehmer/Gründer. Ich kann mir kein anderes Leben vorstellen. Mein Vater war ebenfalls Unternehmer – und ich fand das Unternehmerleben immer wesentlich attraktiver als das Angestelltenleben. Zu Beginn war ich als profitabler IT-Dienstleister unterwegs, nun heben wir als Venture Capital finanziertes Startup einen größeren Schatz. Fragt mich danach nochmal!

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Das sind die Aufwände und Kosten bis das Vehikel überhaupt mal steht. Das ist mega mühsam. Dreijahresmietvertrag und Kaution – ohne einen einzigen Kunden. Die erste Seed-Finanzierung, die ersten Mitarbeiter, etc. Eigentlich sind es laufend Hürden, die man überwinden muss. Ein gewisses Schmerzlevel muss man überstehen können bei diesem permanenten Hürdenlauf.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Ich mache laufend Fehler. Aber es ist wichtiger Entscheidungen zu treffen und dabei den einen oder anderen Fehler zu machen, anstatt Entscheidungen aufzuschieben. Auf unser Unternehmen bezogen glaube ich, dass der größte Irrtum gleich zu Beginn passiert ist. Wir waren “geblendet” von einigen Awards, die wir gewonnen hatten, zum Beispiel den renommierten Techcrunch Disrupt Award. Jedoch hat uns das hinsichtlich Neukunden auf die falsche Fährte geführt. Die große Werbelawine hat extrem viele User erreicht, die haben unser Produkt heruntergeladen, jedoch hat das Produkt für sie nicht gepasst. Wir haben viel Zeit und Geld verloren, bis wir kapiert haben, dass größere industrielle Kunden die viel wichtigere Zielgruppe sind. Hier hätten wir uns nicht blenden lassen sollen. Eine zweite große Hürde ist und war auch der Markteintritt in die USA. Das kostet einfach unglaublich viele Ressourcen.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Definitiv nicht über Recruiter! Vielmehr eine authentische und ansprechende Firmenkultur vorleben. Über das Netzwerk Mitarbeiter suchen, diese wirklich handverlesen aussuchen, so dass der kulturelle Fit gegeben ist. 

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Hör mehr auf dein Bauchgefühl, setze Hausverstand ein, wo immer es geht.

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Trello.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Fokus auf Outcome. Positive moving forward thinking: Wenn etwas nicht so läuft wie es soll, nicht den Schuldigen suchen. Positive Grundstimmung vorleben. Toleranz, Toleranz, Toleranz und damit Diversität. Das fördert Kreativität.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Wir haben unzählige unglaubliche Geschichten erlebt. Dinge, die man im “normalen” Leben niemals erleben würde. Die meisten davon möchte ich auch nicht mit der Öffentlichkeit teilen. Es gibt viele Menschen, die mich in diesen Geschichten begleitet haben. Sie werden das nie vergessen, dabei gewesen zu sein. Das “wildeste” Gefühl ist wie nahe Erfolg und Misserfolg beieinander liegen. Es gibt Wochen, da prasselt eine Hiobsbotschaft nach der anderen ein und plötzlich wird das getoppt durch mega positive, fast unglaubliche Erfolge, die man nie für möglich gehalten hätte. Dieses Wechselbad ist unbeschreiblich.

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Foto (oben): Crate.io

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.